Über Citizen Science und Mikroabenteuer

In den letzten Monaten während der Pandemie konnte keiner so richtig viel machen. Jeder musste sich neu organisieren und der Trend ging dazu hin, kleinere Abenteuer oder auch Mikroabenteuer zu erleben. Ich streife schon seit Jahren durch die Stadt und bewundere immer wieder, wie sich die Natur durch unsere gebaute Welt bricht. Es ist spannend zu beobachten, wo sich etwas entwickelt und wie lange manche Pflanzen in unserer feindlichen Welt überleben können. Während der Pandemie konnte ich auch immer mehr Menschen draußen beobachten. Meistens war ich allein unterwegs, doch das hat sich in den letzten Monaten verändert. Vielleicht hast du dir schon mal ein paar Fragen gestellt, wie bspw.: Was verraten uns unsere Stadtbäume über den Klimawandel? Wie sieht der Sternenhimmel über unseren Städten aus und wieso sehe ich mehr Sterne auf dem Land? Wie viele Igel leben eigentlich in Bayern? Wie kann ich Igel in meinem Garten schützen? Wie ist eigentlich die Qualität der Luft in meiner Heimatstadt? Wie funktioniert eigentlich Boden und ist der Boden eigentlich gesund? Viele dieser Fragen beschäftigen nicht nur mich oder vielleicht dich, sondern auch die Forschung. 

Mikro-Kosmos (Kirchhellen 2021)

Heute möchte ich dich wieder nach Draußen mitnehmen und dir zeigen, was Citizen Science ist und was es bewegen kann. Wenn du dich jetzt fragst, was Citizen Science ist, bist du hier genau richtig. Citizen Science beschreibt Methoden und Fachgebiete in der Wissenschaft, bei denen Forschungsprojekte unter Mithilfe oder auch komplett durch interessierte Laien bestritten werden. Wie in der Forschung werden auch hierbei Forschungsfragen formuliert, danach recherchiert, beobachtet und teilweise werden ebenfalls Messungen durchgeführt, die Daten ausgewertet und publiziert. Dabei werden die sog. Citizen Scientists meistens von Wissenschaftlern begleitet. Besonders im englischen Raum haben Citizen Science eine lange Tradition. In Deutschland wird ebenfalls auf die Methode der Citizen Science zurückgegriffen, jedoch nicht unter diesem Begriff. Doch was kann man als Citizen Scientist entdecken? 

Was kann ich als Citizen Scientist erleben? 

Es fängt eigentlich bei jeder kleinen Beobachtung von Tieren an. Beobachtest du eine Spinne, wie sie ihr Netz spinnt, lernst du automatisch etwas über die Spinne. Citizen Science sind meistens in Natur und Umwelt unterwegs. Ich möchte dir ein paar Beispiele an die Hand geben, wie du selbst ein Citizen Scientist werden kannst. 

Dieses Wochenende ist wieder die „Stunde der Gartenvögel“. Der Nabu (Naturschutzbund Deutschland) ruft jährlich mehrmals zu diesen Vogelzählungen auf. Mit einem Fernglas, einem Stift und einem Zettel bewaffnet kann man an diesem Wochenende viele Familien in Gärten beobachten, die die Vögel in ihrem Garten beobachten. Die Zahlen können dann online beim Nabu eingetragen werden. Sie helfen den Verbänden, Rückschlüsse auf die Veränderungen in den Vogelpopulationen zu ziehen. So kann zum Beispiel der Rückgang bestimmter Populationen genau dokumentiert werden. 

Vielleicht hast du ja schon mal einen Teebeutel vergraben, nur um ihn nach ein paar Monaten wieder auszubuddeln. Wenn du dich fragst, warum du das tun solltest, kommt hier die Antwort: vergräbst du einen Teebeutel im Boden, kannst du nach ein paar Monaten sehen, wie stark er verwittert ist. Den Rückschluss, den du aus diesem Experiment ziehen kannst, liegt eigentlich auf der Hand: wie stark und gesund sind der Boden und die Bodenfauna? Dieses Teebeutelexperiment wurde für die „Expedition Erdreich“ ins Leben gerufen. Es ist eine Aktion des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Bonares und dem Helmholtz Zentrum für Umweltforschung. Dadurch, dass die Teebeutel bei der Registrierung durch den GPS-Standort georeferenziert werden, erhalten die Institutionen wertvolle Informationen über den Boden vor deiner Haustür. Die Forscher können mithilfe von Bürger:innen eine umfassende Datenbank aufbauen, welche von weltweitem Nutzen wäre. 

Es gibt aber auch andere Aktionen, an denen man sich beteiligen kann. Bundesweit gibt es eine große Anzahl an Projekten. Man kann Eichhörnchen und Igel beobachten, Pflanzen bestimmen oder gefangene Mücken einschicken sowie spannende Flutmarken oder Grabsteine fotografieren. Auf der Plattform „Bürger schaffen Wissen“ findest du rund 160 unterschiedliche Projekte. Ein großer Motor der Bewegung ist die Digitalisierung. Über das Internet können mehr Menschen erreicht und über Apps Daten leichter übermittelt werden. Für alle genannten Aktionen habe ich dir am Ende Links eingestellt. Hier findest du weitere Informationen. 

Kaskade (Tostedt 2021)

Doch was bringt Citizen Science der Forschung? 

Ein großer Vorteil dieser Projekte ist, dass Daten in Massen erhoben werden können. Meistens ist es mit herkömmlichen Methoden gar nicht möglich, sodass die Forschung durch die schiere Menge der Daten an ganz neue Erkenntnisse erlangen kann. Schauen wir uns noch einmal die „Stunde der Gartenvögel“ genauer an. Die „Stunde der Gartenvögel“ findet jedes Jahr am zweiten Maiwochenende statt. An diesem Wochenende zählen viele Menschen im eigenen Garten eine Stunde lang Vögel. Das ist durchaus machbar und nicht nur für die Eltern spannend. Kinder haben durch ihren Wissens- und Tatendrang durchaus Interesse daran, ihre Umwelt kennen zu lernen. Letztes Jahr hat die Aktion alle Rekorde gebrochen. Erstmalig nahmen über 150.000 Vogelfreund:innen teil. Möchte man diese Daten nur durch Expert:innen sammeln, wäre das in diesem Fall unbezahlbar. Was passiert mit den Ergebnissen der Zählung? Das wichtigste Ergebnis ist für jede Art die Zahl der beobachteten Individuen pro Stichprobe (z.B. Garten). Der Nabu kann die Arten zwischen den verschiedenen Regionen und über einen längeren Zeitraum hinweg vergleichen. So können frühzeitig Trends zur Häufigkeit der Arten in Siedlungsräumen erkannt werden. Die Antreffwahrscheinlichkeit einer Art, also der Anteil der Gärten, in denen eine bestimmte Art zu beobachten ist, ist sehr aussagekräftig. Dafür werden ebenfalls die Beobachtungsumstände und die Eigenschaften des Zählortes in den Datensätzen ergänzt, sodass zusätzliche Analysen getroffen werden können. Die absolute Zahl der Vögel einer einzelnen Art zu ermitteln ist nicht möglich. Doch auch diese Einschränkung kommt auch bei anderen Monitoringprogrammen vor, da ein unbekannter Anteil zwar anwesender, aber nicht erfasster Vögel vorstellbar ist. 

Jetzt könnte man denken, dass solche Erhebungen ungenau sind, weil Arten verwechselt werden können. Die Wissenschaft ist sich jedoch einig, dass die Masse, das Rauschen reduziert. So ist in manchen Bereichen Citizen Science ein großer Bestandteil der Forschung. Die Wissenschaft hat erkannt, welches Potential in den Bürger:innen steckt. Sie sind wissbegierig, kennen sich aus und können sich durch Citizen Science einbringen. 

Ein sich entfaltender Farn am Uferrand (Tostedt 2021)

Warum sollten wir alle selbst forschen? 

Viel Wissen über die Natur ist über die Generationen verloren gegangen. Viele haben das Interesse an den Abläufen in der Natur verloren. Mit den kleinen Projekten der Citizen Science können die Wunder der Natur selbst erlernt und erforscht werden. Die Gesellschaft wird durch Citizen Science Projekte für viele Umweltthemen sensibilisiert. Darüber hinaus bekommt jeder, der an den Projekten teilnimmt, einen Einblick in die Forschung. Die Wissenschaft wird für jeden ein bisschen greifbarer und durch die erlangten Erkenntnisse verständlicher. Forscher:innen werden von Bürger:innen auf gesellschaftlich relevante Fragen aufmerksam gemacht und viele bringen oft ihr eigenes Wissen ein. Ich finde es immer spannend, wenn ich draußen etwas Neues entdecken und dir hier davon berichten kann. Nachfolgend findest du wie versprochen die Links für die Projekte und in den nächsten Tagen erzähle ich dir mehr über spannende Themen aus der Welt der Natur und Tiere.  

Links für weiterführende Informationen:

https://www.buergerschaffenwissen.de
https://www.expedition-erdreich.de
https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/aktionen-und-projekte/stunde-der-gartenvoegel/index.html

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