Von Urwäldern und Forsten

Der Wald ist seit jeher ein Sehnsuchtsort. Als Sehnsuchtsbegriff wurde er erst um 1800 durch Dichtung, Malerei und Musik der deutschen Romantik geprägt. Die deutsche Nationalbewegung erklärte den Wald im historischen Bezug auf die mythische Hermanns Schlacht im Teutoburger Wald zu einem Symbol der nationalen Identität. In diesem Zusammenhang wird auch häufig der Ausdruck „deutsche Eiche“ angebracht. Die deutsche Eiche ist ein nationales Symbol für Stärke und Heldenmut. Wobei die wahre Heldin in unseren Wäldern tatsächlich die Buche ist. Die Buche ist die Art, die in Mitteleuropa alle Waldstandorte besiedeln kann. Würde der Mensch die Natur machen lassen, wäre ganz Deutschland von vielfältigen Buchenwäldern bedeckt. Daher würde ich dir heute gerne ein paar Begrifflichkeiten zum Thema Wald erklären. Außerdem würde ich dir gerne erklären, wie der Lebenszyklus des Waldökosystems funktioniert. 

Wald wird in zwei Gruppen unterschieden. Der Vegetationskundler unterscheidet zwischen natürlich und spontan entstanden Wäldern und auf künstliche Pflanzungen von Baumarten, die auf Forsten zurückgehen. Im Allgemeinen spricht man von Wald, im Gesetz wird ebenfalls kein Unterschied gemacht. Damit du immer weißt, was genau mit den unterschiedlichen Begrifflichkeiten gemeint ist folgt hier die Erklärung. 

Was ist ein Urwald? 

Der Urwald oder auch Primärwald ist ein Wald, welcher unberührt von menschlichen Einflüssen ist. Die ökologische Klimaxgesellschaft (beschreibt einen relativen stabilen Endzustand einer Vegetation) gründet auf eine weitestgehend naturbelassene Entwicklung. Dies findet man vermutlich auf nur noch 10 Prozent der Böden Amazoniens. Hier findest du noch Urwälder ohne Spuren menschlicher Bearbeitung betrachten. In Deutschland gibt es kaum noch Urwälder. Die Wälder die nahe an Urwälder herankommen, findest du in den Kern- oder Ruhezonen von Naturschutzgebieten. Jedoch sind diese Zonen ebenfalls schon durch den Menschen geprägt worden und erst nach der unter Schutzstellung fiel der menschliche Einfluss auf das Ökosystem weg. 

Nach einem Urwald „entwickelt“ sich normalerweise ein Sekundärwald. Dieser entsteht immer dann, wenn massive Eingriffe in Wälder von Menschen verursacht und vorgenommen werden. Eine Sekundärvegetation besteht aus unterschiedlich stark veränderten Artenzusammensetzungen. Sekundärwälder kannst du immer nach menschlichen Eingriffen finden wie zum Beispiel nach dem Straßenbau, Holzeinschlag, Brandrodung oder Etagenanbau. Leider muss man sagen, dass weltweit die Wälder einen starken Wandel bezüglich ihrer Nutzung und Ausprägung erlebt haben. Je nach Nutzungsart und -intensität bilden sich innerhalb eines Waldsystems eine Ersatzgesellschaft aus. Oft unterscheiden sich die Ersatzgesellschaft von der natürlichen zyklischen Sukzession des Urwaldes oft erheblich. Wie ein Zyklus von einem Waldsystem aussieht, beschreibe ich im später. Erst möchte ich dir noch weitere Arten von Wäldern beschreiben. 

Buchen im NSG Bolmke (Dortmund 2021)

Was ist ein Laubwald? 

Laubwälder bestehen, wie der Name schon sagt, aus Laubbäumen. In diesen Wäldern wird man, wenn überhaupt, vereinzelt ein paar Nadelbäume finden. Typische Laubwälder sind Tropische Regenwälder, Monsun-, Lorbeer- und sommergrüne Laubwälder. In Mitteleuropa herrschende die perfekten Klimabedingungen, um sommergrüne Laubwälder auszubilden. In diesen Wäldern entstehen durch Megaherbivoren kleine Offenlandschaften. Dazu gehören Rehe, Rinder, Wildschweine oder aber auch Elche. In Mitteleuropa ist die vorherrschende Waldgesellschaft die der Rotbuchen. Die Rotbuche ist in Mitteleuropa auf nahezu allen Standorten anzutreffen. In größeren Höhenlagen oder in kontinentaleren Bereichen, in denen das Klima für Laubgehölzen zu kalt, zu trocken oder zu nass ist, konnten sich eher Nadelbäume durchsetzen. Im Westen von Europa steigt der Laubwald bis auf ca. 2000 Meter hoch, im Osten und im Norden dagegen nur auf 1000 bis 1400 Meter Höhe. Mit dem Einfluss des Menschen hat sich die Landschaft deutlich verändert, so auch die Waldlandschaft. Die Waldlandschaft wurde von Menschen in ihrer ursprünglichen Baumartenzusammensetzung systematisch verändert. Darüber hinaus hat der Mensch zahlreiche Forste angelegt und damit die ursprünglichen Laubwälder verdrängt. Der reine Laubwald hat in Mitteleuropa durch die menschliche Einflussnahme stark abgenommen. Die heimischen Wälder bestanden um 1860 noch zu 70 Prozent aus Laubwäldern, heute sind es nur noch 30 Prozent. 

Was ist ein Nadelwald? 

Kommen wir zum Nadelwald. Ein Nadelwald besteht ausschließlich aus Nadelbäumen. Natürliche Nadelwälder wachsen in Mitteleuropa in der borealen Zone in kalten Klimaten. Heute findest du Nadelwälder in den Hochlagen der Mittelgebirge und in den Alpen. Hier werden Nadelwälder als natürliche angesehen. Diese Regionen weisen ein ähnliches Klima wie in der borealen Zone auf. Über Nadelwälder-Vorkommen im Flachland gibt es unterschiedliche Auffassungen. In besonders trockenen Gebieten kann ein Kieferwald die potenziell natürliche Vegetation darstellen. Jedoch findet man sowas eher im Südwesten der USA, in Südwesteuropa oder in den Karstgebieten des Balkans und den Alpen. Natürliche Nadelholzstandorte im Flachland sind sehr ungünstige Standorte, wie Nordhänge oder an Kaltluftseen. Du siehst, eigentlich ist ein Nadelwald in Deutschland eher die Seltenheit. Warum der Nadelwald in Deutschland aber eher die Regel ist, erkläre ich dir später.

Was ist ein Mischwald? 

Mischwälder ist ein vorwiegend umgangssprachlicher Begriff, welcher Wälder bezeichnet, in denen mehrere Baumarten gemeinsam vorkommen. Diese bestehen meist aus unterschiedlichen Laub- und Nadelbäumen. Jede Baumart muss ausreichend vorhanden ist, um dabei eine artspezifische Rolle im Ökosystem zu übernehmen. Forsteinrichtungen sprechen von Mischbeständen, sobald die Beimischung mindestens 5 Prozent der Fläche beträgt. Man kann Mischwälder unterteilen in Laubmischwälder und Nadelmischwälder. In Laubmischwäldern kommen hauptsächlich Laubbaumarten vor, in Nadelmischwäldern wachsen verschiedene Nadelgehölze. In der Vegetationskunde wird die Bezeichnung Mischwald ohne weitere Zusätze eher selten verwendet. Hier wird exakt differenziert wie zum Beispiel Stieleichen-Hainbuchen-Wald oder Erlen-Eschen-Auwald. Nach der dritten Bundeswaldinventur sind ca. 76 Prozent der deutschen Wälder Mischwälder. Die Bundeswaldinventur definiert Mischwälder wie folgt: In einem Mischwald kommen Bäume aus mindestens zwei botanischen Gattungen vor, wobei jede mindestens 10 Prozent Flächenanteil hat.  

Fichtenforst (Tostedt 2020)

Was ist ein Forst?

Forste sind bewirtschaftete Wälder. Die Trennung von Wald und Forst ist fließend, besonders in Deutschland. Die stärkste Abgrenzung kann man zwischen Urwald und Forst finden. Früher waren Forste königliche Wälder oder Bannwälder (ein Waldgebiet, dessen Nutzung dem Landesherren vorbehalten war). Darunter verstand man Wälder mit Jagdrecht, Fischerei- und Holzrecht speziell für Berechtigte, in den meisten Fällen waren das die Landherren. Wo findet man in Deutschland denn Forstwälder? Alle ausgedehnten Kiefern- und Fichtenforste im Tiefland Mitteleuropas sind ausschließlich vom Menschen angepflanzt bzw. gefördert worden. Normalerweise würden hier natürliche Laubwaldgesellschaften vorkommen. Die Forste wurden gegen Ende des 18. Jahrhunderts angelegt. Sie waren damals die Lösung für die Wiederbewaldung. Heinrich Cotta förderte damals die Wiederbewaldung des sehr waldarmen Mitteleuropas. Viele Böden waren damals durch den Raubbau ausgemagert und boten nur noch anspruchslosen und widerstandsfähigen Nadelgehölzen ausreichend Chancen. Darüber hinaus etablierte Heinrich Cotta die Forstwirtschaft in ganz Mitteleuropa. Die Forste wurden später, nachdem die Böden sich regeneriert hatten, einfach beibehalten. 

Wie entstehen Wälder? Phasen in der Waldentstehung. 

Gesunde Wälder sind im Normalfall mehrere Jahrhunderte alt und in der heutigen Welt kaum noch anzutreffen. Daher werde ich dir nur erklären können, was mit einem Wald in der heutigen Zeit passiert, bzw. wie ein heutiger neuer Wald entstehen kann. In der Ökologie nennt man diese Theorie die Mosaik-Zyklus-Theorie. Diese läuft in der Forstwirtschaft wie folgt ab: 

Die Theorie beruht auf drei verschiedenen Phasen: die Verjüngungs-, die Optimal- und die Zerfallsphase. Da in der heutigen Landschaft fast nur noch Wirtschaftswälder existieren, beginnt die Mosaik-Zyklus-Theorie mit einem Kahlschlag einer Teilfläche in einem Wald. Der Anfang ist somit ebenfalls das Ende. Nach der Rodung der Teilfläche folgt die Verjüngungsphase. In dieser Phase werden die neuen Bäume angepflanzt oder die Samen der nächsten Generation Bäume ausgesät. Die Saat geht auf und die Jungbäume wachsen heran. Sie entwickeln sich in Abhängigkeit von Umweltfaktoren. Nach einigen Jahren geht der neue Wald, der in der Verjüngungsphase entstanden ist in die Optimalphase über. In der Zeit findet man einen dicht gewachsenen Wald aus bekannten Schichten wie Moosschicht, Krautschicht, Strauchschicht sowie 1. und 2. Baumschicht. Ein Laubmischwald braucht ca. 80 bis 120 Jahre, bis der Wald groß ist. Danach wird der Wald geerntet und es beginnt die Zerfallsphase, in dem einige Bäume auf der gerodeten Fläche verbleiben und zersetzt werden. Wie du dir jetzt denken kannst, besteht das System als Kreislauf. 

Buschwindröschen (Kirchhellen 2021)

Darüber hinaus beschreibt dieser Kreislauf, den natürlichen Ablauf, nur läuft es wesentlich langsamer ohne den menschlichen Einfluss ab. Die Ökologen Hermann Remmert und Wolfgang Scherzinger haben die Zyklen und Mosaiken der Mosaik-Zyklus-Theorie genauer beschrieben. Die beiden beschreiben, wie sich Ökosysteme zyklisch verjüngen und die Sukzession innerhalb der Ökosysteme phasenverschoben und asynchron ablaufen kann. Die Ursachen hierfür können innerhalb (endogene) oder außerhalb (exogen) des Systems liegen. Ein einheitliches Klimaxstatium, wird nach diesem Konzept, nie erreicht. Die Ökologen beschreiben, dass sich ein Ökosystem aus dynamischen Mosaiken mit verschiedenen Pflanzengemeinschaften und unterschiedlichen Altersstufen bestehen. Daher werde ich dir die unterschiedlichen Phasen, die Remmert und Scherzinger in ihrer Theorie beschreiben, ebenfalls vorstellen. 

Die erste Phase ist die Ruderalphase. Sie tritt direkt nach einem Systemzusammenbruch ein und bildet den Startpunkt der Wiederbesiedelung nach dem Kahlschlag. Die Vegetation ist oft durch Gräser, Stauden, Brennnessel und Brombeer-Sträucher geprägt. Die maximale Bewuchshöhe ist maximal 2 Meter und der Totholzanteil des ruderalen Systems ist ein deutlicher Bestandteil. Diese doch sehr rudimentäre Vegetation wird oft von Zauneidechsen und Mäusebussarden besiedelt. Zwei Jahre hat die Vegetation Zeit zu wachsen. Danach endet die Ruderalphase und das Gebiet tritt in die Pionierwaldphase ein. In dieser Phase verändert sich das Gesicht der Vegetation deutlich. Man findet wenige alte Gewächse. Dafür wachsen jetzt junge Bäume, die jedoch keinerlei Kronenschluss aufweisen. In diesem Wald finden sich überwiegend Weiden, Pappeln und Birken als schnell wachsende Bäume sowie die ersten Rotbuchen. Der Anteil des Totholzes ist deutlich zurückgegangen. Der Wespenbussard ist eine typische Vogelart dieser Wachstumsphase. Die Bäume in dieser Phase haben ca. 15 Jahre Zeit, um groß zu werden. Die ersten Phasen treten nur bei einem vollständigen Zusammenbruch des gesamten Ökosystems auf. 

Auf die Pionierwaldphase tritt die Dickungsphase ein. Diese dauert mindestens 60 Jahre und ist damit fast genauso lang wie ein Menschenleben. Der Wald bildet während dieser Wachstumsphase den Kronenschluss aus. Die Bäume sind gut 10 Meter hoch und das Totholz ist nur noch marginal sichtbar. Die Artenzusammensetzung dieses Waldes ist immer abhängig von den vorhandenen Bedingungen und des Standortes. In einem solchen Wald findet man des Öfteren Haselhühner und Sperber. 

Nach der Dickungsphase tritt die Schlusswaldphase ein. Hier findet man Bäume, die eine Wuchshöhe von 15 bis 20 Metern haben. Die Bäume geben vor allem Sperber und Bundspechten ein Zuhause. Erst reichlich später nach etwa 100 Jahren erreicht der junge Wald die Optimalphase. Hier würde der Förster erst den Idealzustand des Waldes vorfinden. Die Bäume sind ca. 20 bis 30 Meter hoch und das Kronendach ist vollständig geschlossen. Der Anteil von Totholz steigt wieder leicht an. Vor allem Kauze, verschiedene Spechtarten und Habichte kommen hier vor. Das Ökosystem entwickelt sich weiter bis es nach ca. 250 Jahren die Plenterphase erreicht. Diese kann aber auch weitere 150 Jahre andauern. Bäume sterben ab und fallen um, sodass der Totholzanteil weiter gesteigert wird. Diese Waldgebiete werden von Weißrückenspechten, Hohltauben und Trauerschnäppern besiedelt. Nach ca. 400 Jahren setzt langsam die Zerfallsphase ein. Dann wird der Wald lückenhaft, was am hohen Totholzanteil liegt. In der Zerfallsphase zeigt sich allerdings eine hohe Artenvielfalt. Man kann in solchen Wäldern Schreiadler, Gartenrotschwänzchen, Kauze und Spechte beobachten. Beim Zerfall des Waldes, welcher älter als 550 Jahren ist, zeigen sich wenige noch stehende Bäume, viel Totholz und ein vielfältiges Tierleben. Bei einem Zerfall können Bussarde, Haselhühner und Auerhähne beobachtet werden. Danach beginnt wieder die Ruderalphase. Unsere Wälder sind heute jedoch überprägt von der Forstwirtschaft und schaffen es nicht über die Optimalphase hinaus. Diese wird aber auch wesentlich schneller erreicht als es in der Natur vorgesehen wurde. 

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