Vogelwelten in der Landschaft

Vogelwelten in der Landschaft

Heute kommen wir zum letzten Beitrag in meiner kleinen Vogelreihe. Gemeinsam waren wir schon im Wald und am Wasser. Heute stellen wir uns einmal auf einen Feldweg. Wenn du dich gerade „warum auf einen Feldweg?“ fragst, dann möchte ich dir das gleich erklären. 50 Prozent der Landesfläche von Deutschland wird landwirtschaftlich genutzt. Daher hat die Landwirtschaft wie kaum ein anderer wirtschaftlicher Bereich einen großen Einfluss auf die Natur und unsere Schutzgüter Boden, Wasser und Luft. Ich möchte dir heute ein paar Vögel vorstellen, die in der freien Landschaft zu finden sind. Die freie Landschaft ist ein Mosaik aus unterschiedlichen Lebensräumen. Es gibt besondere Landstriche, die ich dir schon in dem Beitrag „Zauber der Landschaft“ erläutert habe. Heute möchte ich dir Lebensräume vorstellen, die man in jeder Landschaft findet. Ich gehe dabei auf Felder, Wiesen und Hecken ein. Also fangen wir an!

Wie sieht es in der freien Landschaft aus? 

Blick auf Weizenfeld (Niederbonsfeld 2021)

Das landwirtschaftlich genutzte Feld sieht zunächst nach keinem besonders geeigneten Lebensraum aus. Meistens sind es Monokulturen von Weizen- oder Maisfeldern, die allenfalls für Parasiten der jeweilig angebauten Pflanze ein wahres Schlaraffenland sind. Doch auch hier leben andere Tiere, sodass der Anschein trügt. Viele Tiere und Pflanzen haben es geschafft, auch diesen eintönigen Lebensraum in Anspruch zu nehmen. Auch hierbei spielt die Intensität der Bewirtschaftung eine Rolle. Je intensiver das Feld genutzt wird und je mehr Chemie zum Einsatz kommt, desto weniger lebt auf einem Feld. Man kann auf Feldern in der Morgen- oder Abenddämmerung oftmals Rehe beobachten, die auf den Feldern Getreide fressen. In Maisfeldern kann sich auch mal eine Rotte Wildschweine verstecken und der Feldhase, der Feldhamster und die Feldmaus tragen in ihrem Namen schon den Bezug auf ihren Lebensraum. Der Feldhamster ist ein kleiner Profiteur der Landwirtschaft, denn er wurde in Mitteleuropa erst mit dem Einzug der Landwirtschaft heimisch. Ursprünglich kommt das possierliche Tierchen aus den Steppengebieten Osteuropas und Asiens. Auch der Fuchs besucht oft Felder, allerdings um zu jagen. Wie du siehst, kann man einiges entdecken. Was das Problem mit unseren Feldern ist, erkläre ich dir später in diesem Beitrag genauer. 

Blick auf Grünländer (Tostedt 2019)

Neben den Feldern gibt es auch noch die Wiesen bzw. Grünländer. Wiesen und Weiden machen einen Großteil der landwirtschaftlich genutzten Flächen aus. Sie sind schön und nützlich zugleich. Wildkräuter und Wildblumen, die hier wachsen, liefern gesundes Futter für die Milch- und Fleischindustrie. Darüber hinaus sind Wiesen ein Lebensraum für viele Insekten und andere Tiere. Die Wiesen in Deutschland bestehen überwiegend aus Mähwiesen, sprich sie werden in regelmäßigen Abständen gemäht. Der kleinere Teil der Wiesen sind klassische Weiden und werden durch Tiere gestutzt. Würde der Mensch die Wiesen und Weiden nicht nutzen, würden sich über kurz oder lang Sträucher und Bäume ansiedeln. So würden die Wiesen in die Sukzession übergehen und neue Wälder entstehen. Wiesen haben nicht nur eine hohe Artenvielfalt, sondern bieten mit ihrer zeitlich gestaffelten Blütenabfolge auch für uns immer wieder etwas Neues. Zwischen Flora und Fauna besteht außerdem eine enge Wechselbeziehung. Käfer, Bienenarten und Schmetterlinge erfreuen sich an dem Arten- und Blütenreichtum und finden so immer etwas zu fressen. Durch ihre Vielfalt und Strukturen in der Landschaft bieten Wiesen oder auch Weiden vielen unterschiedlichen Tierarten einen Lebensraum. Dazu gehören neben Vögeln auch Amphibien und Insekten. Je nach Lage der Wiese unterscheidet man in Blumenwiese, Magerrasen, Fettwiese, Trockenrasen, Feuchtwiese und Salzwiese. Blumenwiesen sind artenreiche Wiesen, die viele blühende, krautige Pflanzen aufweisen. Magerrasen sind extensiv genutzte Grünländer an besonders nährstoffarmen, „mageren“ Standorten. In Deutschland findet man sie eher selten und sie stehen daher unter Schutz. Trockenrasen sind den Magerrasen ähnlich, unterscheiden sich jedoch dadurch, dass sich die Biotope an trockenen Standorten bilden. Feuchtwiesen zeichnen sich dadurch aus, dass die Böden in den oberen Horizonten von Grundwasser beeinflusst oder zeitweise überschwemmt sind. Salzwiesen findet man in Deutschland nur an der See, da sie nur dort entstehen, wo das Meer periodisch oder unregelmäßig die Wiesen überflutet. Fettwiesen sind eine Folge der intensiven Bewirtschaftung des Menschen. Was genau dahinter steckt, werde ich dir später im Beitrag verraten. Wie du aber siehst, sind Wiesen oft durch den Menschen entstanden, bieten aber vielen Arten einen Rückzugsraum. Jetzt möchte ich dir noch den Einblick in eine Hecke geben, da sie ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der freien Landschaft ist. 

Feldgehlöze (Düsseldorf 2020)

Hecken sind in der freien Landschaft immer gern gesehen. Unter einer Hecke kannst du dir eine Ansammlung von niedrigen Bäumen, Sträuchern und Kräutern vorstellen, die meistens gradlinig angeordnet sind. Das resultiert daraus, dass eine Hecke typischerweise als Abgrenzung zwischen Feldern oder zwischen Feld und Weg fungiert. Die meisten Hecken wurden von Menschen angelegt und als „lebende Zäune“ benutzt, manche sind aber auch natürlichen Ursprungs. Diese findest du meist an Böschungen und Geländestufen. Hier können natürliche Hecken entstehen: durch Samenanflug bilden sich allmählich kleine Gemeinschaften aus niedrigen Kräutern, Sträuchern und kleinen Bäumen. Doch auch unsere Kulturlandschaft ist immer noch im Wandel und daher werden die meisten Hecken künstlich erhalten, indem ein regelmäßiger Schnitt erfolgt. Früher entstanden die Hecken durch die ausgedehnten Rodungsmaßnahmen. Hecken bieten Schutz vor Wind und verhindern so eine Erosion auf den Feldern. Die Felder waren während des Mittelalters noch sehr klein und deshalb gab es viele Hecken. In diesen Hecken findest du, ähnlich wie bei Wiesen, einen ausgeprägten Stockwerkaufbau. Die Krautschicht ist eher in Bodennähe, darüber bildet sich die Strauchschicht und schließlich kommt die Baumschicht. Diesen Aufbau findet man nicht nur in der Vertikalen. Eine Hecke ist auch in der Horizontalen deutlich gegliedert. Im Herzen einer Hecke liegt das Heckenzentrum. Daran anschließend liegt der Saumbereich, welcher am Boden ausläuft. Die unterschiedlichen Regionen einer Hecke werden von unterschiedlichen Pflanzen geprägt. Daher bietet die Hecke viele verschiedene Lebensräume für Tiere. Diese Artenvielfalt im Bereich Flora und Fauna macht die Hecken ökologisch sehr wertvoll. Für viele Tiere bietet die Hecke in der offenen Fläche einen Rückzugsraum. Außerdem können intakte Heckensysteme als „Verbindungsstraße“ zwischen unterschiedlichen Lebensräumen dienen. Die genaue Pflanzengesellschaft der Hecke hängt immer stark davon ab, wo sich der Standort der Hecke befindet. In der Kernzone der Hecken findet man oft Feld-Ahorn oder Hainbuchen. In der Mantelzone der Hecke kann man Gemeinschaften von Hartriegeln, Heckenrosen, Schlehen oder Weißdorn entdecken. Der Saum einer Hecke wird oft durch Johanniskraut oder Brennnesseln gebildet. Diese Arten kann man ebenfalls an einem Waldrand entdecken. Im Sommer sind Hecken oft kühler und feuchter als die umgebene offene Landschaft, im Winter hingegen werden die extremen Temperaturschwankungen abgemildert. Welche Tiere kannst du in einer solchen Hecke entdecken? Fuchs, Hermelin, Igel und Feldhasen, aber auch Kröten und Eidechsen. Darüber hinaus findet man unzählige wirbellose Kleintiere wie Insekten oder Spinnen in den Hecken. Ein Fünftel der heimischen Singvogelarten leben hier. Welche das sind, schauen wir uns jetzt einmal an. 

Welche Vögel kannst du in der freien Landschaft entdecken? 

Jetzt, wo du einen kleinen Einblick in die freie Landschaft erhalten hast, wollen wir uns anschauen, welche Vögel es hier so gibt. 

Eine typische Feldbewohnerin ist die Feldlerche. Sie ist vielen sehr geläufig. Die Feldlerche bevorzugt offene Lebensräume mit abwechslungsreicher Vegetation. Seit den Achtzigern musste die Feldlerche jedoch dramatische Bestandsverluste hinnehmen. Der Bestand in Deutschland hat sich bis heute halbiert. Eine Besonderheit der Feldlerche ist, dass sie typischerweise im Flug singt. Seltener kann man sie auch in Bäumen singen hören. Oft kann man sie auch auf Feldern und Wegen entdecken. Wenn Gefahr droht, duckt sie sich zunächst und fliegt dann katapultartig auf. Der Speiseplan der Feldlerche unterscheidet sich im Winter von dem im Sommer. Im Sommer stehen besonders Insekten auf dem Speiseplan, im Winter frisst sie eher Samen der verschiedenen Getreidesorten, Gräser und Kräuter. Eine der kleinsten Hühnervögel in Deutschland ist die Wachtel. Sie ist ungefähr so groß wie eine Amsel. Jeder, der eine Wachtel zu sehen bekommt, kann sich glücklich schätzen, da sie immer seltener wird und sich sehr gut verstecken kann. Wachteln fühlen sich an warmen, vegetationsreichen Orten wohl. Sie mögen Sandbäder in der Sonne und leben oft auf Getreidefeldern und brachen Wiesen mit Klee oder Luzernen. Wachteln sieht man kaum fliegen, auch wenn sie nicht gerade flugfaul sind: im Winter ziehen sie klammheimlich bis Afrika. Wie viele Vögel der freien Landschaft ist die Wachtel ebenfalls auf der Vorwarnliste der gefährdeten Vögel. Neben der intensiven Landwirtschaft, welche der Wachtel keinen Platz lässt, ist auch die Jagd auf dem Zugweg ein großes Problem. 

Detail einer Wiese (Dortmund 2020)

Auf Wiesen findet man oftmals Wiesenbrüter. In intakten Feuchtwiesen sind es bspw. der große Brachvogel, der Kiebitz, das Braunkehlchen, die Bekassine, der Wiesenpieper, die Grauammer und der Wachtelkönig. Das Braunkehlchen ist in Deutschland stark gefährdet. Man kann es erst ab April beobachten, da Braunkehlchen zu den Langstreckenziehern gehören. Sie überwintern in den tropischen Regionen Afrikas. Tagsüber suchen sie nach Nahrung, wozu Insekten, Würmer und Spinnen gehören. Im Herbst greifen sie auch auf Beeren zurück. Sie suchen sich überwiegend blütenreiche Wiesen und Brachen aus, um ihre Bodennester zu bauen. Nicht zuletzt ist der Bestand durch den Rückgang dieser Wiesen und Brachen bedroht. Viele kennen den Kiebitz als eine weit verbreitete Art. Vielen ist er aufgrund des auffälligen Aussehens und Verhaltens bekannt. Sie leben ebenfalls überwiegend in Feuchtwiesen. Sie bevorzugen Flächen mit kurzer Vegetation und ohne dichte Gehölzstruktur in der Nähe. Früher hat man Kiebitze auch oft in Mooren angetroffen. Heute trifft man sie auch schon mal auf Äckern und Wiesen an. Auf dem Speiseplan des Kiebitzes stehen besonders Insekten und deren Larven. Daneben werden auch Regenwürmer, Getreidekörner, Samen und Früchte von Wiesenpflanzen verspeist. Auch er gehört in Deutschland zu den bedrohten Arten. Eine der wohl am häufigsten vorkommenden Pieperarten ist der Wiesenpieper. Der kleine Geselle ist mit seiner braunen Farbe gut an seinen Lebensraum angepasst. Beobachten kann man ihn gut, wenn er mal wieder seine erhöhte Warte auf einem Strauch oder Zaunpfahl einnimmt, da man ihn sonst in der Vegetation kaum entdecken kann. Er ist derzeit nicht bedroht. Jedoch ist der Bestand sinkend, da Brutgebiete durch die intensive Bewirtschaftung verlorengehen. Der Wiesenpieper lebt größtenteils auf dem Boden, wo er in dichter Vegetation sein napfförmiges Nest baut. 

Wenn du an Hecken vorbei gehst, welche viele Dornsträucher wie Weißdorn oder Schlehe besitzen, kannst du über merkwürdig aufgespießte Insekten und Raupen stolpern. Wenn du so etwas entdeckst, betrachtest du eventuell das Werk eines Neuntöters. Der hübsche Vogel mit dem komischen Namen legt dort seine Vorräte an. Er lagert – oft zum Schreck des Beobachters – auf diese Weise auch kleine Mäuse. Der Neuntöter gehört zu der Familie der Würger und ist hierzulande einer der häufigsten Vertreter. Er bevorzugt offen strukturierte Landschaften mit Plätzen zum Sonnen- und Staubbaden. Neben Äckern und Waldrändern, wo er Nahrung finden kann, liebt er viele Hecken mit Dornensträuchern. Ein besonderer Offenlandbewohner ist außerdem der Wendehals. Er liebt offene, strukturreiche Flächen wie Waldlichtungen, Windwurfflächen, Obstwiesen oder Parks. Dort bewohnt er meist Baumhöhlen oder Nistkästen. Der Wendehals gehört zur Familie der Spechtvögel. In seiner Optik und seinem Verhalten erinnert er jedoch in keiner Art und Weise an einen Specht. Er trommelt nicht, er baut keine Höhlen und läuft auch nicht senkrecht am Stamm entlang. Der Wendehals hüpft über den Boden und spürt Ameisen auf, die er dann mit seiner langen, klebrigen Zunge aufnimmt.

Mohn am Weizenfeld (Niederbonsfeld 2021)

Viele der Vögel, die ich dir vorgestellt habe, lieben strukturreiche Landschaften und sind heute bedroht. Wie es dazu kommen konnte, möchte ich dir auch erklären. 

Welche Probleme gibt es? 

Die größte Artenvielfalt gab es in Deutschland nach der Kleinen Eiszeit vor dem Jahr 1800. Die Menschen schufen eine vielseitige und mosaikartige Landschaft. Nach 1800 wurde mehr und mehr auf Erträge geachtet und die Bewirtschaftung intensiviert. Schon um 1849 wurde über die Ausmerzung von störenden Hindernissen in der Landwirtschaft geklagt. Damals wurden schon feuchte Mulden aufgefüllt, Tümpel zugeschüttet und störende Hecken und Feldgehölze beseitigt. Vor dem zweiten Weltkrieg wurden unerwünschte Beikräuter mit der Hacke von den Äckern beseitigt. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde jedoch mehr und mehr auf Chemikalien gesetzt. In den letzten Jahrzehnten wurde die Intensivierung der Landbewirtschaftung mit hohem Nährstoffeintrag und Pestizideinsatz vorangetrieben. Dieser Einsatz hat leider gravierende Auswirkungen auf die Artenvielfalt und die Umwelt. Die Folgen daraus sind dramatisch: Insekten- und Vogelsterben, zu hohe Nitratwerte im Grundwasser, tote Böden und klimaschädliche Emissionen. Schlussendlich wurde durch Fungizide, Insektizide, Herbizide oder Rodentizide ein Vernichtungsfeldzug gegen Nager, Pilze, Insekten und unerwünschte „Unkräuter“ eingeleitet. Außerdem wurden die Böden von jeglichen Insekten befreit und durch Drainagen leitete man die Verödung und Trockenlegung riesiger Gebiete ein. Übrig geblieben sind fast reine Monokulturen, die weitestgehend frei von Wildtieren und -pflanzen sind. Überleben werden in dieser Wüste nur die hartnäckigen „Schädlinge“.

Du wunderst dich, dass es nicht mehr so viele Hecken gibt? Das hat einen einfachen Grund: zu Beginn der Neuzeit, liefen große Flurbereinigungsmaßnahmen. Diese dienten ausschließlich der Ökonomie und nicht der Ökologie. Bei diesen Flurbereinigungsmaßnahmen wurden viele kleine Flächen zusammengelegt. Daher gibt es heute eher riesige Ackerflächen. Die Hecken störten bei der Bewirtschaftung der kleinen Flächen, sodass sie zunehmend aus dem Landschaftsbild verschwanden. Viele Heckenbewohner verloren ihren Lebensraum und ihre Lebensgrundlage. Nicht nur die Hecken leiden unter der zunehmenden Bewirtschaftung. Auch die klassischen Wildblumenwiesen findet man heutzutage immer seltener. Durch die regelmäßige Mahd von vier- bis sechsmal im Jahr und das intensive Düngen der Wiesen gehen die Wildblumenwiesen verloren. Viele der Wildblumen kommen mit der intensiven Bewirtschaftung nicht zurecht und so verschwinden nach und nach viele der Wiesenkräuter mit der Nährstoffflut. Die Folge aus der Bewirtschaftung ist eine Einheitsfettwiese, die oft aus weniger als 20 Pflanzenarten besteht. Dazu gehören überwiegend Grasarten und einige wenige stickstoffliebende Gewächse. In Einheitsfettwiesen blüht oft der Löwenzahn, welcher mit seinen gelben Blüten nett anzusehen ist, jedoch nichts Gutes bedeutet. Das Merkmal solcher Fettwiesen ist eine extreme Düngung und die daraus folgende Artenarmut. Ganz am Ende einer solchen Übernutzung stehen monotone Grasäcker mit Wiesenfuchsschwanz oder Weidelgras. Eine überaus positive Gegenbewegung hat in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen: Biologische Landwirtschaft. Wie genau die Unterschiede zur konventionellen Landwirtschaft sind und was vielleicht noch besser wäre, erzähle ich dir in einem ausführlichen Beitrag zur Landwirtschaft. 

Mystisches Moor und seine Renaturierung

Mystisches Moor und seine Renaturierung

In meinem letzten Beitrag zum Moor habe ich euch die Geschichte des Moores ein bisschen nähergebracht, außerdem wie die Nutzung des Moores entstanden ist. Du fragst dich, weswegen wir Moore trockengelegt oder abgebrannt haben? Dann schau doch noch einmal in den letzten Beitrag. Heute möchte ich dir erzählen, warum es sich lohnt Moore wieder zu vernässen und zu renaturieren. Was bedeutet Renaturierung überhaupt? Renaturierung ist ein geläufiger Begriff im Naturschutz und in der Landschaftsökologie. Die Renaturierung bezeichnet die Wiederherstellung von naturnahen Lebensräumen aus kultivierten, genutzten Bodenoberflächen. Ziel ist es, ein Ökosystem zu erstellen, welches sich auf lange Sicht weitestgehend ohne menschliche Hilfe regeneriert und selbst erhält. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Wiederherstellung eines Zustandes, der dem Ausgangszustand nahekommt.  Vor allem im Bereich von Flüssen und Mooren wird renaturiert. Und Schwupps, da sind wir schon mitten im Thema. Nur bei einigen gestörten Moorökosystemen ist eine Renaturierung möglich. Besonders in stark gestörten Moorökosystemen ist aufgrund des Torfverlustes, der vollkommen veränderten Torfbeschaffenheit und der Hydrologie der Ursprungszustand nicht mehr wiederherstellbar. In solchen Bereichen kann nur dann von Renaturierung gesprochen werden, wenn etwa die Wiederherstellung des Torfwachstums, torfbildender Biotoptypen oder eines hydrologischen Torfbildungsprinzip gemeint ist und nicht das ursprüngliche Ökosystem. 

Wanderweg Moor-Route bei Simmerath (2020)

Zustand der Moorflächen in Deutschland 

Deutschland hatte zu Beginn des 18. Jahrhunderts etwa 1,67 Millionen Hektar intakte Moorflächen zu bieten. Heute sind nur noch etwa 1,41 Millionen Hektar übrig und diese sind in einem stark degradierten Zustand. Trotzdem bedecken sie knapp 4 Prozent der deutschen Landfläche. Die Flächengrößen und -verluste werden jedoch nur geschätzt, da es keine einheitliche und verlässliche Bilanzierung der Moorflächen gibt. Woher die Torfverluste im 20. Jahrhundert kommen, habe ich in einem früheren Beitrag beschrieben. Auf die letzten 250 Jahren nur bei den Moorbodenflächen gerechnet beträgt der Flächenverlust mindestens 19 Prozent. Wahrscheinlich liegt die Dunkelziffer deutlich höher. Die meisten Flächen haben wir während der umfangreichen Entwässerung zur Intensivierung der Landwirtschaft ab den Jahr 1950 verzeichnen können. Vor allem flachgründige Moore, wie zum Beispiel Versumpfungsmoore, haben darunter gelitten. Ein kleiner Teil der verbliebenen Moorflächen sind intakt geblieben. Wir haben in Deutschland etwa 360.000 Hektar Regenmoorgebiete, diese zeigen auf ca. 69.000 Hektar naturnahe oder in Renaturierung befindliche Regenmoorbiotope. Weniger als drei Prozent der Regenmoore werden bei der Biotoptypenkartierung als mehr oder weniger intakter Biotoptyp Hochmoor ausgewiesen. Die minimal verbliebenen Restbestände der Regenmoore sind aber auch heute noch akut von Entwässerung und zunehmender Schadstoffeintragung bedroht. Es bedarf immer mehr Anstrengungen, um diese Rückzugsorte zu erhalten. So ist es kein Garant mehr, Moorflächen unter Schutz zustellen. Niedersachsen verliert trotz umfangreichen Bemühungen und trotz der Unterschutzstellung durch das Moorschutzprogramm seit den 80er Jahren immer noch intakte Regenmoorflächen. Neben der Bilanz der Regenmoore sieht die Bilanz der Grundwassermoore nicht besser aus. Die verbleibenden eutrophen Röhrichte, Seggenriede oder Bruchgehölze sind kein adäquater Ersatz für die an diesen Standorten ursprünglichen, oligo- bis mesotrophen Moore. 

Wie kann ein Moor renaturiert werden?

Grundsätzlich bedarf es keiner großen Maßnahmen Moore zu renaturieren. Im Normalfall überlässt man die Lebensräume, sich selbst. 

Regeneration von Niedermooren 

Die Regeneration von einem Niedermoor ist nicht so aufwändig wie die eines Hochmoores. Niedermoore werden durch Grundwasser versorgt, wie wir im ersten Beitrag gelesen haben. Hierbei werden die angelegten Entwässerungsgräben wieder verschlossen. Danach kann sich ein Niedermoor erholen. 

Anders sieht das bei Niedermooren aus, die jahrelang landwirtschaftlich genutzt wurden. Aufgrund der Düngung und extremen Bodenbearbeitungen sind sie nicht mehr für die Renaturierung geeignet. Sie können jedoch als Pufferzone gegenüber der landwirtschaftlichen Nutzung oder als Feuchtwiese genutzt werden. Dies bietet ebenfalls Vorteile für die Tierwelt. 

Typische Moorheiden (Venner Moor 2020)

Regeneration von Hochmooren 

Der wichtigste Schritt bei der Renaturierung von Hochmooren ist die Wiedervernässung. Hierbei wird mit mineralsalzarmem Wasser, in den meisten Fällen ist es Regenwasser, das Hochmoor wiedervernässt. Zunächst werden die Entwässerungsgräben mit Hilfe von Dämmen wieder verschlossen. Weiterhin müssen einige Gehölze auf der Fläche beseitigt werden, da sie Moore verschatten, zur Verdunstung und damit zum Verlust großer Mengen an Wasser beitragen. Die Wiedervernässung geht jedoch nicht von heute auf morgen, sondern dauert in der Regel einige Jahre. Die unerwünschte Vegetation stirbt durch den steigenden Wasserspielgel ab. Das mittelfristige Ziel ist die Wiederherstellung naturnaher Bedingungen. Hochmoorpflanzen sollen sich weiter ausbreiten. Ein langfristiges Ziel ist die vollständige Regeneration. Naturschutz ist jedoch kein Sprint, sondern ein Marathon. Wenn wir von einem langfristigen Ziel sprechen, sprechen wir von Jahrhunderten. Die vollständige Hochmoor-Regeneration ist erreicht, wenn die vernässte Moorfläche wieder zu einem lebenden und torfbildenden, also wachsenden Hochmoor geworden ist. 

Bei teilabgetorften Mooren kann immer noch eingegriffen und es so hergerichtet werden, dass eine erneute Hochmoorentwicklung bzw. -bildung möglich ist.  Hierfür muss zunächst die Torfabbaufläche, bei denen eine Resttorfmächtigkeit von mindestens 50 Zentimetern erhalten ist, planiert werden. Es werden sogenannte Polder errichtet, das sind Regenrückhaltebecken aus Torf. Auch hier wird auf der entwässerten Restmoorfläche eine Wiedervernässung veranlasst, damit eine Regeneration und möglicherweise auch eine Renaturierung eintritt. 

Die Phasen der Renaturierung eines Hochmoores habe ich noch einmal in einer Tabelle zusammengefasst. So hast du alle Phasen noch einmal auf einem Blick.

Phase1Wiedervernässung einige Jahre – kurzfristigDie abgetorfte Fläche wird in dieser Phase wiederhergerichtet und planiert. Auf diesen Frästorfflächen werden zur Niederschlagsrückhaltung große Becken, die Polder, angelegt. Bei einem ausreichend hohen Wasserstand bilden sich die ersten Torfmoose und andere Pflanzen siedeln sich an. Bei degenerierten Hochmoor-Resten genügt die Schließung der Entwässerungsgräben, um die weitere Austrocknung des Moorkörpers zu stoppen. Danach kann Regenwasser wieder gespeichert werden. Der steigende Wasserspiegel führt jedoch dazu, dass die unerwünschte Folgevegetation abstirbt. 
Phase2Renaturierung einige Jahrzehnte – mittelfristig Eine Renaturierung beinhaltet die Wiederherstellung naturnaher Bedingungen. Renaturierungsprozesse dauern einige Jahre, danach hat sich der Moorkörper mit Niederschlagswasser vollgesogen. Erst dann können sich Hochmoorflächen wieder ausbreiten.
Phase3Regeneration einige Jahrhunderte – langfristigEine Hochmoorregeneration ist erreicht, wenn die wiedervernässte Moorfläche zu einem lebenden und torfbildenden Hochmoor wird. Dies kann mehrere Jahrhunderte dauern. 
Phasen der Renaturierung

Machbarkeit der Renaturierung von verschiedenen Moorentypen  

Machbarkeit der Renaturierung von verschiedenen Moortypen (eigene Darstellung)

Fangen wir mit den einfacher zu renaturierenden Mooren an. Einfacher wiederherstellbar sind Verlandungsregime oder Versumpfungsregime durch einen Einstau oder Überstau der Gebiete, wenn eine dauernde Wassersättigung gewährleistet werden kann. Damit könnte eine Renaturierung gelingen. Auch bei Hangmooren oder Quellmooren ist die Wiederherstellung möglich. Ich habe dir einmal eine kleine Übersicht als Tabelle eingefügt. Hier kannst du ablesen, welche Moortypen einfacher und welche schwieriger zu renaturieren sind. Ein Punkt steht für „Es ist möglich“, zwei Punkte stehen für „schwer möglich“ und drei Punkte „langfristig eventuell möglich“. Die Fragezeichen stehen für die Faktoren, die schwer einzuschätzen sind, da sie eine Entwicklung unklar machen – wie die Klimaveränderungen und der Nährstoffeintrag. Dunkelgrün sind die ökologischen Moortypen hinterlegt und die hellgrünen sind die beigeordneten ökologischen Moortypen. Probleme bei der Renaturierung von Mooren sind die ursprünglichen hydrologischen Bedingungen der Moorentstehung. Diese lassen sich oft nicht oder nur schwer wiederherstellen. Für großflächig abgetorfte Regenmoore oder vernutzte Grundwassermoore müssen beispielweise je nach Ausgangslage neue Entwicklungsziele für die Renaturierung formuliert werden. Das schwierigste ist die Wiederherstellung des Torfwachstums bei Mooren, die als „selbstregulierende“ Ökosysteme ihren eigenen Moorwasserstand aufbauen können und ein autonomes Torfwachstum aufweisen. Dazu gehören Regenmoore (Hochmoore), Durchströmungsmoore oder Kesselmoore. Bei einer geringen Schädigung lässt sich das zugrunde liegende hydrologische Prinzip wiederherstellen. Bei einer starken Schädigung aber eher nicht. Kesselmoore lassen sich auf absehbare Zeit nur zu Verlandungs- oder Versumpfungsregime renaturieren. Intensiv genutzte Durchströmungsmoore können in vorflutnahen Bereichen je nach Grundwasserständen zu einem Überflutungs- oder Verlandungsregime initiiert werden. In Hanglagen würden sich Überrieselungsregime bilden. Ob sich aus letzterem wieder ein Durchströmungsregime entwickeln könnte und wann, ist nicht absehbar. Darüber hinaus ist bei Regenmooren (Hochmooren) eine ähnliche Entwicklung zu sehen, sodass in Handtorfstichen nur Zwischenmoorstadien durch eine Renaturierung möglich sein werden. Innerhalb des degradierten Regenmoorkomplexes ist aber eher nur ein Verlandungs- oder Versumpfungscharakter erreichbar. 

Ein weiterer, nicht kalkulierbarer Faktor ist die Eutrophie. Ich hatte euch erzählt, dass Moore eher nährstoffarm sind. Heute sind die Böden, Grund- und Oberflächenwasser eher nährstoffreich, was durch die Landwirtschaft kommt. Darüber hinaus haben wir Nährstoffeinträge über die Luft. So ist bei Mooren auf absehbare Zeit meist nur ein eutrophes Wachstum zu erreichen. In Deutschland ist die Chance, oligo- bis mesotrophe Moorwachstumsbedingungen wiederherzustellen, nur bei schwach geschädigten Mooren möglich. Ein weiteres Problem ist hierbei, dass in oligo- bis mesotrophen Mooren das autarke Torfwachstum und die Torfbildungsrate am höchsten sind. Daher muss die Wiederherstellung dieser Moore vorrangig betrieben werden. Der Schadstoffeintrag über die Luft führt zur Veränderung des Stickstoff- und Kohlenstoffmetabolismus torfbildender Arten, damit ebenfalls zu cmt: Hier fehlt etwas, oder?

Veränderungen der Stoffumsätze und zu schleichenden Veränderungen der Artenausstattung. Wie du siehst, ist der Prozess, ein Moor zu renaturieren, nicht gerade einfach. Man braucht neben der Maßnahmen zur Renaturierung auch weitgreifende Maßnahmen der Politik zur Luftreinhaltung. 

Warum Moore schützen, wie weit ist die Renaturierung vorangeschritten, was tut der Naturschutz? 

Bis heute kann noch nicht eindeutig gesagt werden, ob ein erneutes Moorwachstum bei Hochmooren möglich ist bzw. sein wird. Bisher gibt es kein Renaturierungsprojekt, welches bis zu einer Regeneration herangereift ist. Jetzt könntest du denken, wozu das Ganze, wenn es nichts bringt. Aber es hat sich gezeigt, dass die etlichen Renaturierungsmaßnahmen durchaus moorartige Bedingungen erreichen. Die positive Moorentwicklung kann aber durch die steigenden Umweltbelastungen und die Mineralsalzanreicherungen des Regenwassers zu einem deutlichen Gegenspieler werden – genauso wie ein sich veränderndes Klima. 

Dabei sind die Renaturierung und der Erhalt der Moorflächen so wichtig. Sie speichern riesige Mengen Kohlenstoff und wirken sich im Landschaftswasserhaushalt positiv aus, da sie als Filter und Rückhaltefläche fungieren. Um eine Einschätzung zu bekommen, wie viel Kohlenstoff Moore speichern, hier ein kleiner Exkurs: unsere Moore bedecken ca. drei Prozent der Landfläche der gesamten Erde. In diesen Mooren ist jedoch doppelt so viel Kohlenstoff gebunden wie in allen Wäldern weltweit. Ein Drittel der terrestrischen Kohlenstoffvorräte lagert in Mooren. Auf Deutschland bezogen enthält eine 15 Zentimeter dicke Torfschicht etwa so viel Kohlenstoff wie ein 100-jähriger Wald auf gleicher Fläche. Geht also eine ein Meter dicke Torfschicht verloren, muss zum Ausgleich mehr als das Sechsfache an Fläche aufgeforstet werden und 100 Jahre ungestört wachsen. Du siehst also, Moore sind unverzichtbar für uns. Dabei wurde erst in den letzten Jahrzehnten die Bedeutung der Hochmoore erkannt. Man hat beschlossen, die noch vorhandenen Hochmoore zu schonen und soweit wie möglich zu regenerieren. Für die verbleibenden, naturnahen Hochmoorreste ist der Schutz umso dringlicher, da sie aufgrund ihrer jahrtausendlangen Entwicklungszeit unersetzbar sind und nicht in absehbaren Zeiträumen in wiederherstellbare Lebensräume zu verwandeln sind. Heute sind Moore im weiteren Sinne auf nationaler und internationaler Ebene gegen Eingriffe und Beeinträchtigungen geschützt. Dennoch sollte ich dir nicht verschweigen, dass weiterhin die wirtschaftlichen Interessen im Vordergrund stehen und dass die letzten Regenmoore weiterhin akut von der völligen Zerstörung bedroht sind. 

Übersicht der Schutzprogramme in den moorreichen Bundesländern
(Moorflächen >1.000 km2)

Was bzw. wer schützt also unsere Moore? Auf internationaler Ebene schützt die Ramsar-Konvention auch Regenmoore. 1976 trat Deutschland der Ramsar-Konvention bei. Die Ramsar-Konvention ist ein internationaler völkerrechtlicher Vertrag zum Erhalt und Schutz der Feuchtgebiete. In Deutschland sind 32 Gebiete mit einer Gesamtfläche von 839.327 Hektar ausgewiesene Feuchtgebiete. Dazu gehören unter anderem das Wollmatinger Ried, die Diepholzer Moorniederung und das Elbe-Weser-Dreieck. Dennoch haben nicht alle Länder die Konvention unterzeichnet, bzw. die entsprechenden Schutzmaßnahmen und Ausweisung geeigneter Gebiete ergriffen. Die Ramsar-Konvention und deren Umsetzung wird mit einigen europäischen Richtlinien bestritten. In Deutschland finden wir diese im Bundesnaturschutzgesetz und in den Naturschutzgesetzen der Länder. Niedersachsen ist das hochmoorreichste Bundesland, jedenfalls war es das mal. Heute stehen rund 32.000 Hektar Regenmoorflächen unter Naturschutz. Das klingt erst einmal gut, jedoch sind davon nur 3.600 Hektar in einem natürlichen Zustand. 6.000 Hektar wurden bisher wiedervernässt. Ziel ist es, bis zum Jahr 2020 noch insgesamt 20.000 Hektar zu renaturieren. Spannend ist auch, dass es derzeit Bestrebungen gibt, das Wassjuganmoor in Westsibirien als UNESCO-Weltnaturerbegebiet auszuweisen. Das Wassjuganmoor ist mit über 5 Millionen Hektar das größte Moor der Erde und es zeichnet sich durch seine weltweit einmaligen Makrostrukturen aus. Diese können sich nur auf Flächen mit derart großen Mooren entwickeln. Für den Weltweiten Schutz von Mooren ist das der richtige Weg. Damit endet meine kleine Wochenserie über das Thema Moor. Das nächste Mal geht es mit einem anderen Thema weiter, womit genau, dass verrate ich dir ein anderes Mal.  

Mystisches Moor und seine Geschichte

Mystisches Moor und seine Geschichte

In meinem letzten Beitrag habe ich euch erklärt, wie ein Moor entsteht und was wir in Deutschland für unterschiedliche Moortypologien haben. Falls du dich fragst, wie die Unterschiede sind und wie einzigartig dieser Lebensraum ist, empfehle ich dir den Beitrag noch einmal zu lesen. Fakt ist, dass ursprünglich 1,5 Millionen Hektar, eine Fläche von 4,2 Prozent der gesamten Landfläche von Deutschland, mit Mooren bedeckt war. Heute sind sie leider zu 95 Prozent entwässert, abgetorft, bebaut und in den meisten Fällen landwirtschaftlich und forstwirtschaftlich genutzt. Heute möchte ich euch ein bisschen über die Geschichte des Moores erzählen und wie es passieren konnte, dass wir heute nur noch so wenige Moorflächen in Deutschland haben. 

Renaturierte Moorfläche (Simmerath 2020)

Geschichte und Nutzung von Mooren

Ich will nun nicht weit ausholen, aber selbst Jäger und Sammler nutzten während der Steinzeit schon Moore. In der Bronzezeit wurde Torf schon als Brennstoff für die Kupfer- und Zinnschmelze genutzt, aber man brauchte den Torf auch für die Bronzeherstellung. Vorteil von Torf als Brennmittel ist, dass die Brenntemperatur gut regulierbar und gleichbleibend ist. Damit war der Torf besser geeignet als Holz oder Kohle. In der Eisenzeit wurden vorwiegend Versumpfungsmoore für die Eisengewinnung genutzt. Die Römer nutzten den Wiesenkalk aus Moorniederungen für Branntkalk, welche für Feld- und Backsteinmauerwerk genutzt wurden. Bis heute wird Wiesenkalk zur Bodenverbesserung eingesetzt. In trockenen Jahren konnte man Moore schon immer zur Heugewinnung oder als Streuwiese nutzen – und das ohne Eingriff in die Hydrologie. 

Im 13. Jahrhundert wurden die ersten Moore entwässert und mit der Niedermoorschwarzkultur begonnen. Bei der Schwarzkultur wird das Moor entwässert, danach die natürliche Vegetation beseitigt und immer wieder durchgearbeitet. Der Boden wird dabei mit Kalk und Phosphat angereichert und mit speziellem Saatgut eingesät. Bei einer Schwarzkultur ist der Moorboden nach der Entwässerung ohne Veränderung kultivierbar, dies gelingt jedoch nur auf Niedermooren. An anderen Orten wurde das Moorwachstum durch Wasserstauung mit Wassermühlen gefördert und der regionale Wasserhaushalt verändert. Mit der Zeit wurden immer mehr Moorflächen nach und nach systematisch entwässert. Es werden künstliche Abflüsse eingerichtet wie Gräben, Rohrdränungen oder Vorflutgräben. Sie greifen auf unterschiedliche Weise in den Wasserhaushalt ein. 

Binnengräben senken den Wasserstand im Moor vergleichsweise geringfügig ab. Dabei wird der Wasserstand im Zentrum des Moores um einige Dezimeter abgesenkt. Bei der Renaturierung sollten daher die langen Gräben abschnittsweise unterbrochen werden.

Versickerungsgräben führen im Moor zu einem regelrechten „Ausbluten“. Sie durchbrechen die abdichtenden Schichten am Moorrand, sodass das Wasser aus dem Moor fließen kann. Bei einer Renaturierung müssen die Gräben am Rande des Moores unbedingt verschlossen werden.  

Offener Wassergraben (Simmerath 2020)

Die Abzugsgräben haben einen besonders starken Entwässerungseffekt. Sie beeinflussen nicht nur die Moore und deren Wasserhaushalt, sondern auch das gesamte Wassereinzugsgebiet. Nach und nach wachsen diese Gräben zu, da sie nicht immer gepflegt werden. Dies wird problematisch, da sie kaum erkennbar sind, jedoch immer noch eine deutliche Entwässerung verursachen. Will man das Moor im Zuge einer Renaturierung retten, muss man alle Gräben finden. 

Dabei ist es eigentlich egal, wie ein Moor entwässert wird, da sich jeder Wasserentzug auf die ökologische Funktion der Moore, ihre Artenzusammensetzung und ihre Artenvielfalt auswirkt. Fast jede Nutzung von Mooren dient der land- und forstwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Nutzung, aber auch die Torfgewinnung geht mir einer entsprechenden Wasserregulierung einher. Neben der Anlage von Gräben, Rohrdränungen und Vorflutgräben wirken sich auch die Fassungen von Quellen oder indirekte Flussregulierungen und die Entnahme von Trinkwasser auf die verbundene Grundwasserabsenkung in der Landschaft aus. Die Schäden der Entwässerung sind komplex und machen sich teilweise erst nach Jahren im gesamten Ausmaß bemerkbar.

Wie wirkt sich eine Entwässerung auf Moorböden aus? Im Gegensatz zu Mineralböden hat Torf ein vollständig wassergefülltes Porenvolumen und damit ein labiles Gefüge. Die Entwässerung bedeutet, dass eine Verringerung des Porenvolumens eintritt, da die Poren nicht mehr wassergefüllt sind und zusammensinken. Damit sackt der Moorboden ab und die Torfmächtigkeit nimmt ab.  Die natürliche Verdunstung des Porenwassers trägt zu einem weiteren Niveauverlust bei. Nach der Entwässerung und der Belüftung setzt eine sekundäre Bodenbildung ein. In der Abhängigkeit von der Zeit und der Trophie der Torfe entstehen unterschiedliche Gefügeformen. In Regionen, die niederschlagsreich sind, können die Böden vererden. Es entsteht über die Zeit ein dunkel- bis schwarzbraunes Krümelgefüge. In diesem Krümelgefüge sind die Pflanzenreste mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennen, jedoch noch mit dem Mikroskop nachweisbar. In trockenen Gebieten bilden sich bei fortdauernder, stärkerer Austrocknung eher humin- und aschereiche, schwer benetzbare und trockene Feinkorngefüge mit Rissen und Klüften im Boden. Das ist jedoch eine äußerst ungünstige Gefügeform. In der Fachwelt wird dieser Boden Mulm genannt, die Böden sind leicht erodierbar und irreversibel ausgetrocknet. Die Böden können nicht mehr wiederbefeuchtet werden und stellen heute den extremsten Moorstandort dar. Unter den vertrockneten Böden bleibt die mineralischen Bodensubstanz feucht bis nass. Es entsteht ein Horizont aus kohlengrusähnlichen, verbackenen Teilchen. Dieser wird Vermurschungshorizont genannt. Das Segregations- bzw. Absonderungsgefüge stellt das Endstadium der Vertrocknung der Niedermoore dar. Die Böden, die sich dadurch gebildet haben, sind schwer durchwurzelbar und haben einen sehr ungünstigen Wasser- und Nährstoffhaushalt. Es entstehen jedoch nicht nur physikalische und chemischen Schädigungen des Moores für die Entwässerung zur Verringerung der Evapotranspiration. Dies führt wiederum zu einer Reduzierung der Kühlung in der Landschaft. Die Torfe sind weniger wassergesättigt. Dies führt zu einer Veränderung der Artenzusammensetzung und geht bis hin zu weniger wasserliebenden Arten und einer starken Reduzierung der moortypischen Biodiversität. Mit der Entwässerung steigt die Gefahr von Bränden deutlich an. Wenn die trockenen Moore anfangen zu brennen, entstehen große Mengen an Treibhausgasen sowie umwelt- und gesundheitlichen Luftschadstoffen. Heute hört man selten von Moorbränden, jedoch brannten im Jahr 2018 über 12 Quadratkilometer Moorfläche. Während der Trockenheit im Sommer wurden Raketenerprobungen in der Nähe von Meppen durchgeführt. Dabei entstand der Großbrand im Moor. Auch im Mai 2020 brach ein Moorbrand aus, diesmal im Naturschutzgebiet „der Loben“ in Brandenburg. Hierbei brannte das Moor auf 100 Hektar. 

Unbefestigter Moorweg (Venner Moor 2020)

Ein anderes Verfahren zur Nutzung landwirtschaftlicher Moorflächen ist die Moorbrandkultur. Dabei wird das Moor im Winter oberflächlich entwässert und abgehackt. Im kommenden Frühjahr wird es dann in Brand gesteckt. In die Asche wird schließlich Buchweizen und Hafer gesät. Das Feuer reguliert sich durch die Windrichtung und die zu- oder abnehmende Feuchtigkeit im Boden. Ein Nachteil dieses Verfahrens ist, dass die Nährstoffreserven im Boden nach zehn Jahren erschöpft sind und das Land danach 30 Jahre brach liegen muss. 

Neben dem Moorbrand wird noch die Fehnkultur betrieben. Hierbei werden große Entwässerungsgräben angelegt, um den Schwarztorf abbauen zu können. Dabei dienen die großen Gräben ebenfalls zum Abtransport des Torfes. Auch Hochmoore bleiben vor den Eingriffen des Menschen nicht verschont. Hierbei wird die Hochmoorkultur bei den Mooren betrieben, wo die Torfmächtigkeit mehr als 1,3 Meter beträgt. Dabei werden die Moore nicht entwässert und abgetorft, sondern umgebrochen und gedüngt. Aus dem entstehenden Boden wird schließlich Grünlandwirtschaft. Ein anderes Verfahren ist, Sand aus einer Tiefe von ca. 3 Metern zu fördern und zu durchpflügen. Daraus entsteht eine Sand-Mischkultur und kann vielseitig eingesetzt werden. Bei Niedermooren wird die Tiefenpflug-Sanddeckkultur eingesetzt. Bei diesem Verfahren ist die Torfschicht nicht dicker als 80 cm. Es wird ein Tiefenpflug mit einer Arbeitstiefe von 1,6 Metern eingesetzt um etwa 135° gewendet und schräg gestellt. Dadurch wird das Bodenprofil stark verändert, dann wechseln sich Torf- und Sandbalken ab. Das Profil wird dann von einer 20 bis 30 Zentimeter dicken Sandschicht überlagert. Dabei ändern sich die Bodeneigenschaften grundlegend. Der Bodenwassergehalt und die Möglichkeit der Grundwasserregulierung werden viel ausgeglichener, was durch die stark steigende Wasserleitfähigkeit begünstigt wird. Danach ist ein intensiver Getreideanbau auf einem Niedermoor möglich. Wenn du dir jetzt die Frage stellst, warum der Mensch angefangen hat, die Moore so drastisch zu verändern, dann kommt jetzt die Antwort. 

Nutzung der entwässerten Moorböden

Wanderweg im Venner Moor (Venner Moor 2020)

Früher wurden Moorflächen extensiv genutzt. Das lag daran, dass man nicht über die Technik verfügte, Moore großflächig und tiefgründig zu erschließen. Jedoch eigneten sie sich als Viehweiden oder Streuobstwiesen. Dies lag besonders an ihrem feuchten Untergrund und der satten Pflanzenvielfalt. Dennoch gingen auch dadurch viele natürliche Moore verloren. Daraus entwickelten sich manche dieser nur wenig genutzten Wiesen zu einem wertvollen Lebensraum für mittlerweile stark gefährdete Arten. Diese Lebensräume „aus zweiter Hand“ sind oft die letzten Rückzugsräume für gefährdete Arten. Mit den Möglichkeiten der landwirtschaftlichen Technik des vergangenen Jahrhunderts, änderte sich auch die Nutzung des Moores. Dabei wurden große Moorflächen im Zuge der Erschließung und Flurgestaltung entwässert und intensiv genutzt. Ende des 20. Jahrhunderts ging die intensive Nutzung der Moorflächen mit verstärkter Entwässerung, Torfmineralisierung, Düngung und gestiegenem Nährstoffaustrag einher. Seit jeher schrumpfen die Torfköper, was bedeutet, dass Moore mit hohem technischen Aufwand – durch Schröpfwerke und regelmäßige Grabenvertiefungen – trocken gehalten werden müssen. Wenn Moore nicht landwirtschaftlich genutzt werden, droht ihnen noch eine ganz andere Gefahr. Die meisten Flächen in Deutschland werden landwirtschaftlich genutzt, sodass die Gefahr für Moorflächen auch von benachbarten Flächen ausgeht. Wenn diese landwirtschaftlich genutzt werden, werden übermäßig viele Nährstoffe auf die bewirtschaftete Fläche gebracht. Doch diese Nährstoffe bleiben nicht dort, wo sie aufgebracht werden, sondern verteilen sich im Boden. Das bedeutet für das angrenzende Moor, dass auch hier eine Eutrophierung stattfindet. 

Wenn du dir jetzt denkst, dass die Landwirtschaft das doch nicht tun kann, dann warte noch eine Sekunde und lese weiter. Denn nicht nur die Landwirtschaft nutzt Moore intensiv. Die Forstwirtschaft greift genauso in die Wasserhaushalte wie die Landwirtschaft ein. In unseren Wäldern gibt es nämlich ebenfalls Feuchtgebiete, die Mooren ähnlich sind. Die meisten Wälder in Deutschland bestehen aus Fichten- und Kiefernmonokulturen. In den meisten Gebieten würden diese Arten auf natürliche Art und Weise nicht vorkommen – zumindest nicht in Reinbeständen. Nadelbäume haben zwar eine kleinere Blattfläche als Laubbäume, verdunsten als immergrüne Art jedoch ganzjährig betrachtet mehr Wasser. Man muss leider sagen, dass diese standortfremden Bäume verglichen mit den ursprünglich dort wachsenden Waldgesellschaften mehr Wasser verdunsten. So versickert weniger Wasser in den Boden. Darüber hinaus beeinflussen Baumarten und Altersaufbau der Wälder die Neubildung von Grundwasser. Daher fördern nach dem Verschluss bestehender Entwässerungssysteme auch ein Waldumbau bis hin zu Waldgesellschaften, die einst auf den Standorten zu finden waren, die angrenzenden Moorlebensräume und die Artenvielfalt. Privatwald-Besitzer und die öffentliche Hand sollten ihre Nadelbaummonokulturen zu naturnahen Wäldern umbauen, um den Wasserhaushalt im Einzugsgebiet zu verbessern. Hierbei sollte generell auf Kahlschläge verzichtet werden. In kleinen Einzugsgebieten und besonders an Hängen kann es sonst zu vermehrter Erosion und verstärktem Oberflächenabfluss kommen. Damit würde nährstoffreicher Boden in tiefer gelegene Bereiche geschwemmt und die Entwicklung der Feuchtgebiete stark beeinträchtigt. Wie wir sehen, ist das Moor nicht nur dort gefährdet wo es selbst zu finden ist, sondern wird oft auch durch die angrenzenden Flächen beeinflusst. Das alles klingt jetzt nicht aufbauend und nicht sonderlich gut. Aber es gibt für unsere Moore eine kleine Hoffnung: und zwar sind die meisten geschützt und andere werden renaturiert. Wie das funktioniert und was hinter dem Schutz der Moore steht, erzähle ich euch in einem anderen Beitrag. 

Mystisches Moor und seine Typologien

Mystisches Moor und seine Typologien

Moore – zahlreiche Mythen und Sagen ranken sich um die Feuchtgebiete. Lange hielt sich der Volksglaube, dass die Geister tot geborener und nicht getaufter Kinder Reisende vom Weg abbringen und diese in Moorlöchern versinken. Damit steigen wir heute mal ganz anders in das Thema ein. Spannend ist auch, dass wir heute den ersten Teil einer dreiteiligen Serie bestreiten. In meinem Beitrag über die Naturräume habe ich Euch schon gesagt, wo man Moore in Deutschland finden kann. Günstige Bedingungen für Moore findet man vor allem in Nordamerika, Nordeuropa, Südamerika, Nord- und Südasien sowie im Amazonasbecken. In diesen Bereichen entstanden Moore aller Art und Torflagerstätten mit einer Fläche von insgesamt vier Millionen Quadratkilometern. Damit bedecken Moore eine Landfläche von drei Prozent der Erdoberfläche. Besonders viele Moore finden wir heute noch in Teilen Russlands, Alaskas und Kanadas. In Deutschland finden wir die größten Moore im Nordwesten, Nordosten und im Alpenvorland. 

Ehemaliges Hochmoor Venner Moor“ (2020)

Wie entstehen Moore? 

Für die Entstehung eines Moores müssen einige Bedingungen erfüllt sein: Das Gebiet muss niederschlagsreich sein und eine hohe Luftfeuchtigkeit aufweisen. Dabei staut sich im Boden eine Schicht Wasser. Dies kann nicht jeder Boden. Darüber hinaus muss die Produktion an Pflanzensubstanz deren Verlust durch Zersetzung übertreffen. Ökologisch unterscheidet man zwischen Hoch-, Nieder- und Zwischenmooren. Daher gibt es nicht die eine Entstehungsgeschichte des Moores. Schauen wir uns die unterschiedlichen Moore einmal genauer an. Beginnen wir mit den Hochmooren. 

Hochmoor

Schichtung, eines Hochmoores (Eigene Darstellung)

Hochmoore wachsen mit der Zeit über den Grundwasserstand hinaus oder haben sich in einem niederschlagsreichen Gebiet als wurzelechtes Hochmoor auf dem mineralischen Untergrund gebildet. Doch wie überleben diese Moore? Die Hochmoore werden durch Regenwasser (ombotroph) ernährt. Daher bezeichnet man Hochmoore auch als Regenmoore. Durch den Regen sind Hochmoore eher sauer und sehr nährstoffarm. Sie verfügen über einen geringen Gehalt an Stickstoff und andere Nährstoffe. Außerdem zeichnen sich Hochmoore durch einen hohen Kohlenstoffgehalt im Torf aus. Hochmoore wachsen jedes Jahr einen Millimeter in die Höhe. Das klingt erst einmal nach nicht viel, ist jedoch auf die Fläche gesehen eine ganze Menge. Die Hochmoorzentren sind in der Regel baumfrei, was nicht unbedingt einladend für Pflanzen klingt. Der Untergrund ist sauer, nährstoffarm und hat eine permanente Wassersättigung. Damit stellen sich die Pflanzen einer besonderen Herausforderung. Hinsichtlich der ökologischen Bedingungen lassen sich Hochmoore relativ klar von allen anderen Moortypen abgrenzen. Du fragst Dich sicherlich, wie hier Pflanzen überleben und welche Pflanzen in einem Hochmoor wachsen. Die Pflanzen- und Tierwelt der Hochmoore ist einzigartig, vielfältig und stark gefährdet. Pflanzen, die unter diesen extremen Bedingungen in einem Hochmoor zurechtkommen, sind echte Spezialisten und Hungerkünstler. In der Pflanzenwelt werden für solche speziellen Standorte besondere Anpassungen und Strategien entwickelt. So wachsen und gedeihen Hochmoorspezialisten ausschließlich in Hochmooren und auch auf keinen anderen Moorböden. Wer sind also diese Spezialisten? Dazu gehören zum Beispiel fleischfressende Pflanzen. Viele Arten fangen Insekten, verdauen sie und können dadurch zusätzlichen Stickstoff und Mineralsalze aufnehmen. Dazu gehören der Rundblättrige Sonnentau (Drosera rotundifolia) und die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula). Der Sonnentau fängt über die rundlichen Blätter mit rötlichen Drüsen, welche eine klebrige Flüssigkeit absondern, kleine Insekten. Die Venusfliegenfalle fängt die Insekten durch große Klappfallen. In Hochmooren findet man neben den fleischfressenden Pflanzen auch Zwergsträucher. Überwiegend alle Vertreter der Familie Ericaceen (Heidekrautgewächse). Bekannteste Vertreterin ist die Besenheide (Calluna vulgaris), die durch die Lüneburger Heide bekannt geworden ist. Andere Vertreterinnen sind die Rosmarinheide (Andromeda polifolia), die Moosbeere (Vaccinium oxycoccos) und die Glockenheide (Erica tetralix). Durch die Symbiose mit Pilzen wird die Nährstoffaufnahme der Zwergsträucher verbessert. Dickfleischige Blätter mit einer dicken Epidermis sind Merkmale für die speziellen Herausforderungen. Die Zwergsträucher sind durch viele kleine Tricks optimal an die extremen Temperaturschwankungen angepasst. Außerdem bilden einige von ihnen einen Stockwerkbau in den Wurzeln aus, damit Sauerstoffmangel durch das ständig höher wachsende Torfmoos vorgebeugt werden kann. Wo wir schon beim Thema der Torfmoose sind, kann ich noch ein paar Sätze dazu sagen. Zu den Torfmoosen gehören unter anderem Wollgräser (Eriophorum), Seggen (Carex) und Rasenbinsen (Trichophorum). Je nach Moor und Bedingungen im Moor werden unterschiedliche Gesellschaften von Torfmoosen gebildet. Die Art, welche am häufigsten vorkommt, ist namensgebend für die Torfmoorgesellschaften. Im Hochmoor findet man besonders an den stärker dränierten Randhängen und den Kolkrändern auch Bäume. Dazu gehören die Moorbirke (Betula pubescens), Fichten (Picea) und Kiefer (Pinus). Sie sind Arten, die mit extremen Verhältnissen und nährstoffärmeren Standorten gut klarkommen. Meist findet man nur vereinzelt Gehölze mit niedrigerem Wuchs, der aus dem besonderen Standort resultiert. Innerhalb eines sich entwickelnden Hochmoores können sich nur wenige Organismengruppen entfalten. Im Moor gibt es weder Fische noch Schnecken, Muscheln oder Krebse. Nur Spezialisten, wie schon bei den Pflanzen erwähnt, können hier überleben. Es gibt einige Einzeller wie die Wurzelfüßer (Rhizopoden). Diese kleinen Tierchen sind beschalte Amöben (Testaceen) und können in einer hohen Individuendichte auftreten. Gut, wir können die Einzeller nicht sehen, also kommen wir zu Tieren, die wir auch ohne Mikroskop sehen können. Im Sommer können wir zahlreiche Libellen bewundern. Libellen lieben feuchte Standorte, weshalb man sie Hoch- und Niedermooren findet. Eine der wenigen Libellenarten, die nur im Hochmoorgewässern mit Torfmoos-Schwingrasen zu finden sind, ist die Hochmoor-Mosaikjungfer (Aeshna subarctica). Von Juli bis September ist die Hochmoor-Mosaikjungfer aktiv, man kann die Männchen an sonnigen Tagen auf Baumstämmen sich sonnen sehen. Neben den Libellen findet man auch Schmetterlinge im Moor. Einer der Schmetterlinge, die auf Moore angewiesen sind, ist der Hochmoor-Perlmutterfalter (Boloria aquilonaris). Die Gewöhnliche Moosbeere ist die Futterpflanze für die Raupen des Falters. Später als Schmetterling ist die Glockenheide die wichtigste Nahrungsquelle. Es gibt ebenfalls auch einige Amphibien wie z.B. den Moorfrosch (Rana arvalis). Der Moorfrosch lebt und/oder laicht im Hochmoor. Neben dem Moorfrosch findet man die Mooreidechse (Lacerta vivipara) und die Kreuzotter (Vipera berus). Letztere wird auch als Moorotter bezeichnet. Neben den Amphibien und Reptilien findet man auch viele Vögel. Dazu gehören Krick- und Knäkente, das Birkhuhn, die Sumpfohreule, der Große Brachvogel, die Bruchwasserläufer, der Südliche Goldregenpfeifer und der Kranich, welche im offenen Bereich der Hochmoore leben. In den Randbereichen leben die Uferschnepfe, der Rotschenkel, die Feldlerche, das Braunkehlchen und etliche weitere Arten. Durch die Zerstörung der Moore sind viele dieser Arten drastisch zurückgegangen und damit vom Aussterben bedroht oder bereits verschwunden. Darauf werde ich später im Beitrag noch etwas genauer eingehen. Schauen wir uns jetzt die Zwischenmoore näher an. 

Zwischen- bzw. Übergangsmoor

Das Zwischen- bzw. Übergangsmoor ist kein dauerhafter Zustand. Das Zwischen- bzw. Übergangsmoor bezeichnet den Übergang von einem Niedermoor zu einem Hochmoor. Gekennzeichnet wird dieses Moor durch Kleinseggenriede und Binsenarten. Darüber hinaus findet man Mineralbodenwasserzeiger wie Fieberklee (Menyanthes trifoliata), das Sumpf-Blutauge (Potentilla palustris) sowie das Schweinsohr (Calla palustris) und viele mehr. Torfmoose findet man in sauren Zwischenmooren. In nährstoffreichen Ausprägungen findet man eher Braunmoos vor. Saure, mäßig nährstoffreiche (mesotrophe) Moore werden aus saurem Mineralbodenwasser gespeist und besitzen dadurch eine bessere Stickstoffversorgung. Grundsätzlich sind sie den Armmooren näher. Man findet sie in den nährstoff- und kalkarmen Gebieten der Jungmoränenlandschaften besonders in Durchströmungs- und Kesselmooren, in Dünengebieten, außerdem in den Kristallinbereichen der Mittelgebirge, vor allem in Hangmooren. Auch hier ist es wieder ein Mix aus Hoch- und Niedermoor. Neben den sauren Zwischenmooren findet man noch subneutrale, mäßig nährstoffreiche und kalkfreie Moore. Die Vegetation setzt sich aus braunmoorreichen Kleinseegenrieden, in welchen teilweise noch Torfmoose wachsen, zusammen. Man findet diese Moore im östlichen Mitteleuropa, diese sind jedoch durch die allgemeine Nährstoffbelastung besonders gefährdet. Sie entstehen aus Verlandungsmooren, Hangmooren, Quellmooren und Kesselmooren, am häufigsten entstehen sie aber aus Durchströmungsmooren. Jetzt habe ich Dir so viele unterschiedliche Moorarten genannt, dass Du bestimmt nicht mehr so recht weißt, wo oben und unten ist. Im Nachfolgenden wollen wir uns mit den Niedermooren und den unterschiedlichen Ausprägungen beschäftigen. 

Niedermoore

Niederungsquellmoor (eigene Darstellung)

Niedermoore bilden sich in Senken, Flussniederungen, Mulden, an Hängen bei Quellaustritten oder durch Verlandungen von Seeflächen. Meist wachsen sie nur wenig in die Höhe. Die Moorfläche wird von mehr oder weniger nährstoffreichen Grund-, Quell- oder Sickerwasser durchsetzt (topogen). Die meisten noch wachsenden Niedermoore finden wir heute noch in Mitteleuropa. Durch die nährstoffreichen Bedingungen werden Niedermoore als Reichmoore bezeichnet. Die Bezeichnung resultiert aus der zeitweiligen Überstauung mit Fremdwasser und phasenweiser Austrocknung. Im Gegensatz zum Hochmoor hat das Niedermoor ein hohes Stickstoffangebot. Der pH-Wert liegt zwischen 3,2 und 7,5 und wird fast bedeutungslos. Niedermoore entwickeln sich bei geeigneten Bedingungen über Zwischenmoorstadien weiter zu Hochmooren. Die Vegetation ist im Vergleich zum Hochmoor artenreichen und besteht hauptsächlich aus Schilfgräsern, Binsen, Sauergräsern und Moosen. Die Vegetation zeichnet sich durch dichten und hohen Bewuchs aus. Außerdem unterscheidet sich die Gestalt des Moores von der Art und Weise wie es gespeist wird.

Hangquellmoor (eigene Darstellung)

Es gibt Quellmoore, Hangmoore, Versumpfungsmoore, Verlandungsmoore, Überflutungsmoore, Druchströmungsmoore und Kesselmoore. Wenn aus dem Untergrund Quellwasser austritt, entstehen Quellmoore. Für die Torfbildung muss der Boden permanent mit Wasser gesättigt sein. Dies geschieht nur, wenn die Quellausschüttung ergiebig, dauerhaft und gleichmäßig ist. Besondere Kennzeichnung von Quelltorfe sind, dass sie meist stark zersetzt sind. Dies geschieht nur durch den hohen Sauerstoffgehalt der Quellwässer und kleinflächiger Austrocknung. Außerdem sind sie oft schlammig, was aus den Auswaschungen der Grundwasserleitern (Sand, Ton, Schluff) resultiert. Bei Quellmooren unterscheidet man noch in Niederungsquellmoore, welche sich in Tälern bilden, und in Hangquellmoore, welche sich an flachen Unterhängen bilden. Je nach Zusammensetzung des Wassers und der Gesteine, ändert sich die Form des Moors. Bspw. bildet sich durch einen hohen Eisengehalt Eisenockerschlamm an den Kuppen. In Gebieten mit anstehendem Kalkstein oder abgelagertem Geschiebemergel bilden sich Kuppen aus fast reinem Kalk (Quelltuff oder Wiesenkalk). Die Kuppen können bis zu zehn Meter hoch und rund 200 Meter breit werden. Trotz allem erreichen die Quellmoore meist nur eine geringe Mächtigkeit. Quellmoore gehen in Richtung des Wasserabflusses oft in hydrologische Moortypen über wie zum Beispiel in das Durchströmungsmoor. Hangmoore hingegen entstehen an flachen Hängen mit stauendem Untergrund.

Hangmoor (eigene Darstellung)

Hierbei wird das Moor durch oberhalb liegende Bäche oder Rinnsale beständig durch Wasser auf der Oberfläche und in den oberen Bodenhorizonten permanent wassergesättigt. Da sich das Wasser vor dem Eindringen in den Torfköper aufstaut, wachsen Hangmoore am oberen Ende hangaufwärts. Die Torfkörper sind nicht sehr dick, oft weniger als einen Meter, da bei einem stärkeren Höhenwachstum die Hangneigung so stark wird, dass eine natürliche Entwässerung einsetzt. Versumpfungsmoore entstehen in flachen Senken bei einer periodischen Vernässung auf stark verdichteten oder tonigen Böden. Wenn der Grundwasserspiegel ansteigt, könnten Versumpfungsböden auch auf Sandböden entstehen. Primär bilden sich solche Moore in flachen Landschaften, zum Beispiel in Flussauen außerhalb der Überflutungsgebieten oder in Urstromtälern.

Versumpfungsmoor (eigene Darstellung)

Versumpfungsmoore sind meistens sehr großflächig und die Mächtigkeit der Torfe sind eher gering, nur selten sind sie mehr als einen Meter dick. In diesen Bereichen schwankt der Grundwasserstand und sorgt damit für eine natürliche Durchlüftung des Torfkörpers. Der Torf ist daher üblicherweise eher stark zersetzt und damit nährstoffreich. Verlandungsmoore hingegen entstehen, wenn Seen durch Verlandung und Zuwachsen von Stillgewässern, durch Ablagerungen von Mudden auf dem Gewässergrund und durch das Hineinwachsen von Ufervegetation in das Gewässer. Bei dieser Verlandung von Seen entstehen besondere Torfe (Sinktorfe), sie sinken allmählich auf den Gewässergrund ab. Wenn der komplette See verlandet ist, hört das Torfwachstum auf und der Torf wird durch Wasserstandschwankungen in der Regel oberflächlich stark zersetzt. In einem Verlandungsmoor findet man neben Torf häufig mächtige Muddenschichten. In Deutschland sind ca. 15 Prozent aller Moore Verlandungsmoore. Eine weitere Besonderheit ist, dass der Nährstoffgehalt sich an den verlandeten Seen orientiert und kann daher stark schwanken. Heute sind die Nährstoffschwankungen eher eutroph, also durch den Menschen gemacht.

Verlandungsmoor (eigene Darstellung)

Es gibt unterschiedliche Überflutungsmoore, die Küstenüberflutungsmoore (entlang von Meeresküsten) und die Auenüberflutungsmoore (entlang von Flüssen). Dieser Moortyp entsteht durch periodisch oder episodisch stark schwankende Wasserstände. Das bedeutet aber auch, dass bei einem niedrigen Wasserstand das Moor trockenfallen kann. Ein weiterer Faktor ist, dass die Landschaft, in der es entsteht, gering reliefiert ist. Das Überflutungsmoor ist großflächig, hat aber eine geringe Mächtigkeit des Torfkörpers. Die Verzahnung oder Wechsellagerung von Torf und mineralischen Materialien (Schluff oder Sand), welches mit der Überflutung ins Moor eingetragen wird, ist typisch für diesen Moortypus. Das Durchströmungsmoor beschreibt die Tatsache, dass der Torfkörper von einem Grundwasserstrom infiltriert wird. Wichtig ist, dass dieses Grundwasser im Moorkörper verbleibt und nicht als Quelle zutage tritt. Oft ist das Durchströmungsmoor ein nachgelagertes Moor. Es schließt sich zum Beispiel an ein Quellmoor an. So, das letzte Moor dieses ersten Teils ist das Kesselmoor.

Überflutungsmoor (eigene Darstellung)

Sie sind vorwiegend in Jungmoränenlandschaften oder in Vulkanlandschaften verbreitet und entstehen aus Geländehohlformen ohne natürlichen Abfluss. Diese Voraussetzungen findet man in Senken oder in Toteislöchern (Söllen), in der Mitte liegt zuweilen noch ein Restsee. Kesselmoore sind kleinflächig (meist unter einem Hektar) und haben eine große Torfmächtigkeit ohne einen natürlichen Zu- und Abfluss.

Wie der Mensch die Moore genutzt hat und wie der Rückgang der Moore in Deutschland Zustande gekommen ist, werde ich dir in der nächsten Woche erzählen.

Der Zauber der Landschaft

Der Zauber der Landschaft

In meinem heutigen Beitrag wird es um das Thema Landschaft gehen. Die Grundlage unseres Lebens und des Lebens aller Tiere und Pflanzen ist die Landschaft. Du siehst also, der Begriff Landschaft ist schon sehr weit gefasst. Wollen wir uns dem gesamten Thema kurz von der sachlichen Seite aus nähern. Definiert wird der Landschaftsbegriff wie folgt: Landschaft beschreibt ein Gebiet, dass sich durch naturwissenschaftlich ermessbare Merkmale von einem anderen Gebiet abgrenzt. Ich muss jedoch gestehen, dass es keine einheitliche Definition vom Landschaftsbegriff gibt. So beschreibt der philosophisch-kulturwissenschaftliche Landschaftsbegriff die Landschaft als kulturell geprägte, subjektive Wahrnehmung einer Gegend als ästhetische Ganzheit. In der Landschaftsökologie, mit der wir uns heute ein bisschen näher beschäftigen wollen, wird der Begriff Naturraum dem Landschaftsbegriff vorgezogen. Ich möchte Euch heute einen kleinen Einblick in die deutschen naturräumlichen Einheiten geben und wie sie sich entwickelt haben. Wie wird die Gliederung der Naturräume vorgenommen? Welche Kriterien stehen hinter dieser Einordnung? 

Naturräumliche Großregionen Deutschlands (Eigene Darstellung)

In erster Linie werden geomorphologische, geologische, hydrologische, biogeographische und bodenkundliche Kriterien berücksichtigt. Keine Rolle spielen dabei politische Grenzen. Die Landschaftsräume beziehen stärker die Nutzung der Regionen durch den Menschen mit ein und entsprechen deutlich anderen Grenzen. Wollen wir uns nun einmal die grobe Einteilung von Norden nach Süden ansehen. 

Im Norden finden wir die Naturräume der Nord- und Ostsee, daran schließt südlich das Norddeutsche Tiefland an, in der Mitte von Deutschland liegt der Naturraum der Mittelgebirge und das Südwestdeutsche (Schicht-) Stufenland. Ganz im Süden von Deutschland liegen die Naturräume des Alpenvorlands und der Alpen. 

Nord- und Ostsee

Großregion Nord- und Ostsee (eigene Darstellung)

Die Nord- und Ostsee haben ihr ganz eigenes Ökosystem. Man könnte nun denken, es ist doch nur ein Meer, soviel kann dort nicht passieren. Doch dieser jemand irrt sich. Unterteilt wird die Nord- und Ostsee noch in zwei kleinräumigere Naturräume. Die Nordsee unterscheidet sich in die Deutsche Bucht und die Doggerbank. Die Ostsee unterteilt sich in die westliche und die östliche Ostsee. Mehr zum Meer wird es in einem weiteren Beitrag geben. 

Norddeutsches Tiefland 

Das Norddeutsche Tiefland erstreckt sich von den Küsten der Nord- und Ostsee bis hin zu den Mittelgebirgen in der Mitte von Deutschland. Im Westen erstreckt sich das niedersächsische Bergland mit dem Teutoburger Wald, dem Wiehen- und Wesergebirge diese grenzen die, noch zum Tiefland gehörende, Westfälische Bucht teilweise ab. Im Süden wirken der Sauerländische Norden zusammen mit der Eifel im Westen abgrenzend. Zum Norddeutschen Tiefland gehören auch die Landstriche der Kölner Bucht und der Niederrhein. Im Nordosten liegt die norddeutsche Seenplatte und im Südosten findet man die sächsischen Lößgefilde, welche durch das Erzgebirge begrenzt werden. 

Betrachten wir das Norddeutsche Tiefland einmal aus der Sicht der Geologie, der Landschaft, der Böden und der Entstehung. Geologisch gesehen gehört das Norddeutsche Tiefland zum Norddeutschen Becken. Geprägt wird dieser Bereich durch die oberen, unverfestigten Sedimente, diese wurden abgelagert und geformt durch die wiederholte Abfolge von Kalt- und Warmzeiten. Im Norddeutschen Tiefland kann man Bodenschätze wie Salz, Erdgas und Erdöl finden. 

Großregion Norddeutsches Tiefland (eigene Darstellung)

Das Norddeutsche Tiefland ist eine reliefarme Landschaft, welche sich von Westen bis hin zum Osten erstreckt. Die Landschaft entstand während der letzten Eiszeit. Die Eismassen erstreckten sich vom Norden bis hin zur Mitte von Deutschland. Die glaziale Serie besteht aus Grundmoräne, Endmoräne, Sander und Urstromtal. Vielleicht erinnerst Du dich an die Begriffe aus dem Erdkundeunterricht, wenn nicht, dann ist es auch nicht schlimm. Es folgt eine kleine Auffrischung: Die Grundmoräne entsteht durch das Überfahren eines Gletschers über die ursprüngliche Landschaft. Ein Gletscher transportiert dabei üblicherweise viel Geröll und Schutt, in diesem speziellen Fall, waren es Granite aus Skandinavien, welche sich im Bereich der Grundmoräne ablagerten. An der Stirn des Gletschers schiebt sich die Endmoräne auf. Sie zeigt sich heute noch in Erhebungen in der eher flachen Landschaft.  Durch das Abschmelzen des Gletschers, bildeten sich vor der Endmoräne Abflussrinnen. Diese Abflussrinnen münden in das Aller-Urstromtal. Die Aller mündet in der Nordsee. Beim Abschmelzen des Gletschers entstehen durch abgelagerte Sande, Kiese und Gerölle sogenannte Sander, welche vor der Endmoräne liegen. Die Lüneburger Heide entsteht auf einer solchen Sanderfläche. Über die Zeit wird aus der Moränenlandschaft Lössstaub ausgeblasen, welcher sich im Vorland der Mittelgebirge ablagern. Hier liegen stellenweise meterdicke Lössböden. Lössböden sind äußerst fruchtbare Böden und erkennt man heute teilweise schon am Namen, z.B. Magdeburger Börde. Börde ist immer ein Hinweis auf fruchtbare Böden. 

Direkt hinter der Nordsee dehnen sich weite Marsch- und Geestgebiete aus. Die Marsch besteht aus Feinsand und Schlick. Das Material wird von Küstenabschnitten abgeschwemmt und durch die Gezeitenströme wieder an die Küste gespült. Die tiefsten Punkte im Norddeutschen Tiefland findet man in den Niedermooren und im Marschland. Die Geestlandschaften liegen etwas höher und schließen sich als flachwelliges Altmoränenland unmittelbar hinter der Marsch an. Hinter der Ostseeküste erstreckt sich eine hügelige Jungmoränenlandschaft. Der nördliche Landrücken und das nordöstlich liegende Hügelland entstanden während der Weichseleiszeit. Die nördlichen und südlichen Landrücken werden durch Urstromtäler voneinander getrennt und von Nord nach Süd verlaufenden Flüssen durchkreuzt. Vor den Urstromtälern liegen breite Sanderflächen, außerdem die Mecklenburgische Seenplatte. Im Süden findet man mehrere Buchten, die weit in die Mittelgebirgsregion hineinragen. Die wichtigsten Flüsse im Norddeutschen Tiefland sind der Rhein, die Ems, die Weser, die Elbe und die Havel, alle münden in der Nordsee. Besonders sind die Au- und Bruchwälder, welche in den Niederungen von Flüssen entstehen, z.B. der Spreewald. Das Einzugsgebiet der Oder und der Neiße gehören zu dem kleinen Flächenanteil, welcher in die Ostsee mündet. 

Mittel-Gebirgs-Schwelle

Großregion der Mittel-Gebirgs-Schwelle (eigene Darstellung)

Die Mittel-Gebirgs-Schwelle ist gezeichnet von Mittelgebirgen, Hügelländern mit dazwischen liegenden Talsenken. Die Mittel-Gebirgs-Schwelle schließt sich südlich an die Norddeutsche Tiefebene an. Die Trennlinie verläuft vergleichsweise scharf. Die höchste Erhebung, welche wir in der Mittel-Gebirgs-Schwelle finden sind der 1493 Meter hohe Feldberg im Schwarzwald und der 1456 Meter hohe Große Arber im Bayrischen Wald. Die tiefsten Punkte in dieser Region finden sich im Thüringer Becken, welches zwischen Harz und Thüringer Wald liegt. Die wichtigsten Gebirge sind im Westen das Rheinische Schiefergebirge, welches aus der Eifel, dem Hunsrück, dem Taunus, dem Westerwald, dem Bergischen Land und dem Sauerland auf. Im Süden wird die Region durch die Schwäbische Alb, Fränkische Alb und dem Bayerischen Wald begrenzt. Weitere Gebirgszüge sind der Harz, die Rhön, der Thüringer Wald und das Erzgebirge. 

Was viele nicht wissen ist, dass wir in Deutschland ebenfalls Vulkane haben. Besonders in der Eifel findet man noch Spuren des Vulkanismus. Durch vulkanische Explosionen entstanden die bekannten Maare. Maare entstehen durch eine Wasserdampf-Eruption. Dabei trifft das aufsteigende Magma auf wasserführende Gesteinsschichten, wodurch es zu einer gewaltigen Explosion kommt. Das umgebende Gestein wird zusammen mit dem Magma in kleinste Bestandteile zerfetzt und aus dem Explosionstrichter geschleudert. Es entsteht ein Hohlraum, der zusammenbricht und wodurch ein Einsturz- oder Maartrichter entsteht. Nach dem Abklingen der vulkanischen Tätigkeiten füllen sich die Trichter anschließend mit Wasser. In der Eifel gibt es ca. 70 Maarvulkane. Davon sind heute nur noch zwölf Maare noch mit Wasser gefüllt, die restlichen sind bereits verlandet. Viele der großen Flüsse in Deutschland entspringen in der Mittel-Gebirgs-Schwelle. 

Südwestdeutsches (Schicht-) Stufenland 

Großregion Südwestdeutsches (Schicht-) Stufenland (eigene Darstellung)

Das Südwestdeutsche (Schicht-) und Stufenland liegt im Südwesten von Deutschland an der Grenze zu Frankreich. Die Landschaft wird von unterschiedlichen Gebirgen geprägt. Die Schwäbische Alb und die Fränkische Alb bilden eine Schichtstufenlandschaft mit markanten Schichtstufenkanten. Die beiden Schichtgebirge sind namensgebend für den gesamten Naturraum. Die Geomorphologie bzw. die Reliefform im Schichtstufenlandschaft zeigt sich aus leicht geneigten, fast parallel übereinander liegenden Gesteinsschichte. Die Ausprägung und Steilheit hängt im Wesentlichen von der Verwitterungsbeständigkeit und Lage der aufgebauten Gesteinsschichten ab. Gesteine verwittern unterschiedlich schnell und stark und prägen das gesamte Landschaftsbild. Eine Besonderheit in diesem Naturraum ist das langgestreckte Oberrheinische Tiefland im Südwesten. Das Oberrheinische Tiefland ist ein Becken, das während der Aufwölbung der Vogesen und des Schwarzwaldes entstanden sind. Begrenzt wird es im Westen vom Pfälzer Wald und den Vogesen, im Osten vom Odenwald und dem Schwarzwald. Das Oberrheinische Tiefland wird von mächtigen jungen Sedimenten, insbesondere Rheinschotter, bedeckt. Eine weitere Besonderheit ist der Oberrheingraben, dessen Untergrund durch zahlreiche Verwerfungen zerbrochen ist und dem vulkanischen Material die Möglichkeit gibt, entlang der Verwerfungen nach oben zu gelangen. Durch solche Vorgänge wurde der Kaiserstuhl geformt. Eine weitere Besonderheit ist das Nördlinger Ries. Vor rund 15 Millionen Jahren entstand das nahezu kreisrunde Nördlinger Ries. Die ca. 25 Kilometer große Vertiefung entstand durch einen Einschlag eines Meteoriten und ist heute noch in der Landschaft zu erkennen. 

Alpenvorland

Großregion Alpenvorland (eigene Darstellung)

Als Alpenvorland wird das nördlich der Alpen gelegene Hochland. Die Alpen haben mehrere unterschiedliche Vorländer. Südlich der Alpen liegt das südliche Alpenvorland in Italien, östlich finden wir das Alpenvorland in Österreich und auch in Frankreich gibt es ein Alpenvorland. Schauen wir uns erst einmal das nördliche Alpenvorland, welches in Deutschland liegt, genauer an. Das nördliche Alpenvorland beschreibt einen Bogen und wird zum Osten hin schmaler und zieht sich vom Schwarzwald über Württemberg und Bayern bis hin nach Österreich. Das Alpenvorland ist eine Endmoränenlandschaft, die ich in der Beschreibung zum Norddeutschen Tiefland schon näher erklärt habe. Hier gibt es viele Seen, die teilweise ins Gebirge hineinragen. Die Seen entstanden im Zuge der Riß- und Würmkaltzeit, die Eismassen breiten sich Richtung Norden aus und ebneten das Land vor den Alpen ein. Durch Ausschürfungen der Eiszungen – auch Zungenbecken genannt – sind sie heute noch mit Wasser gefüllt. Viele der bekannten Seen gehören dazu, wie z.B. der Bodensee, der Tegernsee, der Starnberger See, der Chiemsee, der Attersee, der Mondsee und der Traunsee etc. Einige Seen sind mit der Zeit verlandet oder vermoort. Zu den Seenlandschaften gehört ebenfalls das Moränenland, welches sich durch kuppige Grundmoränen mit Becken auszeichnen und werden durch Randmoränen und bewaldete Endmoränen getrennt. Eine weitere Besonderheit der Landschaft sind die Drumlinschwärme (kleine Hügel). Im Nordwesten wird die Landschaft durch die Schwäbische Alb und im weiteren Verlauf durch die Donau begrenzt. Früher war das Alpenvorland eine Mulde, die sich im Laufe der Jahrhunderte mit Ablagerungen füllte. Entlang der Flüsse entstand in den Zwischeneiszeiten durch das Abschmelzen der Eismassen eine Schotterebene. Geschiebe wie Steine, Schotter und anderes mitgeführtes Material lagerte sich durch die geringen Transportkräfte der Flüsse ab. Die gesamte Landschaft ist geprägt durch ebene Flächen mit Schotterterrassen entlang der Flüsse. Im Tertiär gab es keine Vereisung, angewehtes feines Gesteinsmaterial aus den Schotterebenen formten die Landschaft in ein flachwelliges und hügeliges Land. Mit der Zeit entstanden Anhebungen aus groben und feinen Sedimenten und werden Tertiärhügelland genannt. 

Alpen

Die Alpen sind nicht nur in Deutschland das größte Gebirge, sondern in ganz Europa. Der höchste Gipfel ist der Montblanc, in Deutschland hingegen ist die Zugspitze der höchste Berg. Die Alpen sind ein junges Faltengebirge und dies gliedert sich in die nördlichen Kalkalpen, die Zentralalpen und die stark verkarsten südlichen Kalkalpen. Relikte der Eiszeiten findet man in Gletschern im Gebirge. Die Gletscher haben seit jeher die Gestalt der Alpen geprägt. 

Großregion Alpen (eigene Darstellung)

Wie sind die Alpen entstanden? Im Vergleich zur gesamten Erdgeschichte ist es ein junges System. Es handelt sich dabei um ein Faltengebirge. Vor 175 Millionen Jahren befand sich an der Stelle der heutigen Alpen und des Mittelmeeres ein einziger großer Ozean. Der Grund des Ozeans bestand aus Granit, Gneis und Schiefer. Auf diesen Gesteinen lagerten sich Kalk- und Tonschichten ab. Über Millionen von Jahren entstanden durch diese Ablagerungen mehrere tausend Meter mächtige Gesteinspakete. Während der Kreidezeit vor rund 100 Millionen Jahren und im anschließenden Tertiär erhielten die Alpen die typischen Faltenstruktur. Durch besonders starke tektonische Vorgänge im Erduntergrund mit vulkanischen Aktivitäten, veränderte sich die Gestalt der Alpen. Die Alpen liegen im Bereich der Kollisionszone zwischen den Afrikanischen und Europäischen Platten. Durch das Arbeiten der Platten, entstanden die Alpen durch Faltungen und Deckenüberschiebungen. Durch die Heraushebung der Alpen, setzte gleichzeitig die Abtragung der Gesteinspakte durch die Witterung ein. Sprich, die Alpen schrumpfen irgendwann. In den Zentralalpen, sind die Hebungen und Abtragungen am stärksten. Die überlagerten Kalk- und Tonschichten sind komplett abgetragen und dadurch liegt hier das Grundgebirge frei. Die nördlichen und südlichen Alpen sind nicht ganz so hoch und sind noch aus Kalkgestein aufgebaut. Hierbei ist eine stärkere Verkarstung eingetreten. Verkarstung meint im geomorphologischen Sinne die Korrosionsprozesse. Diese Prozesse führen zum Landschaftstyp Karst mit den charakteristischen Karstformen. Ein wesentliches Merkmal der Verkarstung ist ein deutlicher Anteil unterirdischer Entwässerung an der Gesamtentwässerung. In der verallgemeinerten Form wird das Freilegen des Gesteins durch die Vegetationsentfernung und Bodenerosion. Dies finden wir besonders in mediterranen Karstgebieten. 

Die Alpen sind aber weitestgehend das Ergebnis des Eiszeitalters. Darüber hinaus zeichnen sich die Alpen durch ihren Formenreichtum aus. Die Eiszeiten weiteten Täler und Pässe durch die mächtigen Gletscherströme auf. Charakteristisch ist der Stufenbau der Hochtäler mit dem Wechsel von engen Klammen und breiten Becken, sowie den Wasserfällen an der Einmündung von Nebentälern ins Haupttal. Steilwandige Hangnischen, die Kare, treffen auf kleine Seen im Gipfelbezirk. Die Vegetation in den Alpen ist ebenfalls sehr abwechslungsreich. Es gibt eine natürliche Laubwaldstufe zwischen 800 und 1000 Metern Höhe. Danach folgt die Nadelwaldstufe. Oberhalb der Waldgrenze schließt sich die Zone des Krummholzes und der Almen an. Auch heute findet man in den Alpen noch Gletscher, die sich bis in die besiedelten Gebiete herabragen. Die Gletscher gehen jedoch immer weiter zurück. Die Auswirkungen des Klimawandels sind in den Alpen auch heute schon spürbar. 

Wie die einzelnen Landschaften sich gebildet haben, wie der Mensch auf sie gewirkt hat oder noch wirkt und wie sie zur Milderung des Klimawandels beitragen können, erzähle ich Euch in weiteren Beiträgen.