Wüsten, eine Krankheit oder einzigartiges Ökosystem?

Heute kommt wieder ein neuer kleiner Beitrag online. Du begleitest mich heute nach Marokko. Marokko ist ein Staat im Nordwesten Afrikas und ist durch die Straße von Gibraltar vom europäischen Kontinent getrennt. Normalerweise geht es in meinen Beiträgen um die Natur bzw. Landschaft in Deutschland, heute zeige ich dir erst etwas anderes. Ob man so eine Besonderheit auch in Deutschland findet, findest du am Ende dieses Beitrages heraus. Stell dir vor, du reist ohne Handy, ohne Pass und ohne Geld durch die Wüste. Du hast dich einer Karawane in der Sahara angeschlossen. Klingt für die meisten nach einer Horrorvorstellung, für manche jedoch nicht. Heute erzähle ich euch von zwei Frauen, die versuchen die Wüste zu begrünen. Viele Reisen haben sie zum Handeln bewegt. Denn nicht nur in Deutschland macht sich der Klimawandel bemerkbar, sondern ebenfalls in den Wüsten dieses Planeten. Wie kann es helfen, die Wüste begrünen? Das Projekt, welches von zwei Frauen ins Leben gerufen wurde, verbindet ökologische, bildungspolitische, ökonomische und soziale Aspekte. So sollen die Lebensbedingungen in der marokkanischen Wüstenregionen verbessert werden. Auf einer großen Fläche auf dem Gelände Boutious oberhalb der Sandwüste entsteht nun etwas Neues. Unter dem steinigen Oberboden befindet sich eine fruchtbare Bodenschicht und in tieferen Schichten findet sich sogar Süßwasser. Beste Voraussetzungen für die Entwicklung von Palmenhainen mit Mischkulturen. Die Planung der Palmenhaine erfolgt nach nachhaltigen und ökologisch sinnvollen Aspekten. Es werden weder Kunstdünger noch Pestizide verwendet. Als Dünger wird der Ziegenmist verwendet. Für eine geeignete Verschattungen wird durch die richtige Pflanzkombination gesorgt, was gleichzeitig die Austrocknung des Bodens verhindert. Jetzt kennst du die Rahmenbedingungen für das Projekt. Im Frühjahr 2020 haben Frauen und Männer aus Deutschland zusammen mit Berbern 320 Dattelpalmen und 300 Moringabäume auf die Fläche gepflanzt. In den nächsten Jahren sollen weitere Aufforstungen stattfinden. Nach etwa 3 Jahren sollen die Moringabäume die ersten Ernteerträge aufweisen, diese können auf dem Markt verkauft werden. Mit der ersten Dattelernte kann nach 6 Jahren gerechnet werden. Durch die Einkünfte von der Ernte können auch gewünschte Fördereinrichtungen für Mädchen, Frauen und Männer finanziert werden. So wird durch das Projekt in Marokko Hilfe für Selbsthilfe geboten. 

Lage der Sahara in Afrika (eigene Darstellung)

Doch wie sieht es denn im restlichen Land aus? Marokko ist im Vergleich zu den anderen afrikanischen Staaten eher klein. Im Norden des Landes findet man an der Mittelmeerküste das Atlasgebirge mit dem Riffgebirge. Die atlantische Region wird geprägt durch die marokkanische Meseta. Im nordöstlichen Grenzgebiet findet sich die transmontane Region mit den Plateaus, woran sich das Antiatlas mit den Beckenlandschaften im Randbereich der Sahara anschließt. Jetzt kennst du die grobe Einordnung der Naturräume, allerdings fehlt noch eine kurze Beschreibung des Klimas, der Flora und Fauna. Fangen wir mit dem Klima an. 

Das Klima im Land Marokko hat trockenheiße Sommer mit mittleren Temperaturen von ca. 23°C und einem Temperaturmaximum von 26°C (Casablanca) bis 29°C (Tanger). Die Winter sind eher mild und regenreich, wobei die Niederschlagsmenge nach Süden hin geringer wird. Der mildere Einfluss des Meeres nimmt Landeinwärts rasch ab, in der zentralen Meseta und im Atlasgebirge herrscht ein ausgeprägtes Kontinentalklima. Die Vegetation ist genauso abwechslungsreich wie das Klima. Nordwestlich des Gebirges überwiegt der mediterrane Bewuchs und südöstlich davon findet man Wüstensteppe. In regenreichen Gebirgszonen und in den westlichen Ebenen findet man noch geschlossene Waldbestände mit Stein- und Korkeichen, Thujen, Atlas-Zedern und Aleppokiefern. Jahrhundertelang wurde in Marokko im Raum der Mittelmeervegetation Raubbau betrieben, so wie es in allen übrigen Ländern ebenfalls der Fall ist. Hier ist die Vegetation auf Baumheiden, Erdbeerbäume, Pistazien, Wacholderarten und Zwergpalmen reduziert. Ab 3100 m, oberhalb der Waldgrenze, gibt es eine kleine Stufe mit Polsterpflanzen. Hinter des Atlasgebirges wird die Vegetation von Trockensteppen mit Büschelgräsern und Dornsträuchern geprägt. In der nordöstlichen Hochsteppe wächst widerstandsfähiges Halfagras. Dattelpalmen kann man in den wenigen Oasen finden. Die Tierwelt von Marokko ist genauso abwechslungsreich wie die Vegetation. Einige Arten sind jedoch auch hier vom Aussterben bedroht – wie etwa der Leopard und der Wüstenluchs. Weitere Säugetiere, die in Marokko leben, sind Berberaffen, Gazellen, Hyänen, Schakale und Wüstenfüchse. Zahlreiche Reptilien wie Eidechsen, Chamäleons, Schildkröten und Schlangen sind gut an die Vegetation angepasst und kommen zahlreich vor. Neben Reptilien und Säugetieren leben auch die verschiedensten Vogelarten in Marokko. Unter anderem Störche, Adler, Geier, Bussarde und Milane. Um die Vegetation und die Tierwelt zu schützen, wurde das Gebiet um den Jabal Toubkal im Hohen Atlas bereits 1942 durch die Ernennung als Nationalpark geschützt. Die ausgedehnten Zedernwälder, in denen die Berberaffen leben, werden durch den Ifrane-Nationalpark geschützt. 

Das klingt nun erst einmal gut. Sehr abwechslungsreich und ausgewogen, aber in Marokko bekommt man auch immer mehr Probleme mit der Sahara. Die Sahara ist mit über neun Millionen Quadratkilometern die größte Trockenwüste der Erde. Das klingt zwar groß, aber um eine Einschätzung zu bekommen, wie groß das ist: Deutschland würde 26-mal in die Sahara passen. Was beunruhigend ist, ist, dass die Sahara wächst. Im letzten Jahrhundert wuchs die Fläche um 10 Prozent an. Die treibenden Faktoren bei der Verwüstung von Landstrichen ist der Klimawandel, die Abholzung von Vegetation und die übermäßig landwirtschaftliche Nutzung von Land. Die größte Folge ist, dass der Boden erodiert. Oberboden wird bei Bodenerosion weggeweht oder weggespült und geht damit für immer verloren. So wachsen Wüsten immer weiter. Besonders betroffen ist die Sahelzone. Die Sahelzone ist eine Übergangszone zwischen der Sahara im Norden und der Feuchtsavanne im Süden. Es klingt jetzt alles düster und schmerzhaft, als seien Wüsten eine Art Krankheit, die sich auf umliegende Gebiete und Ökosysteme ausbreitet. So ist es jedoch nicht, denn eine Wüste ist eher ein eigenes gesundes und wertvolles Ökosystem, welches zur Vielfalt und zum Reichtum der Erde beiträgt. Seit Jahren gibt es schon Bestrebungen, die Wüste wieder in fruchtbares Land zu verwandeln. Viele Wissenschaftler:innen raten jedoch davon ab. Besonders wird davon abgeraten, die gleichen Techniken in allen Ländern umzusetzen. Das führt zu neuen Monokulturen, welche den äußeren Einflüssen kaum gewachsen sind. Besser ist es, flexibel auf die Gegebenheiten vor Ort zu reagieren und auf das Know-how bereits erfolgreicher örtlicher Initiativen zurückzugreifen. Eines solcher kleinen innovativen und integrierten Initiativen haben ich dir am Anfang vorgestellt.

Lage der Lieberoser Heide (Eigene Darstellung)

Wenn ich dir heute auch von Wüsten in fernen Ländern berichtet habe und was es für tolle Projekte und Landschaften in diesen Ländern gibt, wollen wir Deutschland nicht aus den Augen verlieren. Was meinst du? Gibt es auch in Deutschland eine Wüste? Wenn du jetzt denkst, nein, auf gar keinen Fall, dann liegst du leider falsch. Auch in Deutschland findest du ein Wüstengebiet. Das Areal liegt in Brandenburg und umfasst eine Gesamtfläche von 550 Hektar. Die Lieberoser Heide ist durch einen Großbrand und die anschließende Nutzung als Panzer-Übungsplatz entstanden. Deutschlands größte Wüste ist mittlerweile ein Eldorado für Forscher:innen geworden. Das gesamte Gebiet ist nur teilweise begehbar, durch den Naturschutz geschützt und kann sich ohne den Einfluss vom Menschen erholen. Wie genau die Lieberoser Heide entstanden ist und ob eine Verwüstung von Landstrichen in Deutschland droht, erfahrt in einem meiner nächsten Beiträge. 

Wenn du mehr zu dem Projekt Wüste begrünen in Marokko lesen möchtest, folge einfach dem Link: https://die-wueste-begruenen.org

Deutschland und sein Naturschutz

Heute melde ich mich mit einem Kurzbeitrag zu einem aktuellen Thema bei dir. Krass, der erste Kurzbeitrag, wie spannend. Ich möchte euch ein bisschen über den Naturschutz in Deutschland erzählen. Die langläufige Meinung ist, dass Deutschland Vorreiter in Sachen Naturschutz ist, da Deutschland ein gut funktionierendes System hat und zu den aufgeklärtesten Nationen auf der Welt gehört. In Europa funktioniert der Naturschutz auf zwei Ebenen. Es gibt Schutzgebiete, die für Europa grenzübergreifend Bedeutung haben und daher auf europäischer Ebene geschützt werden. Die Schutzgebiete der Natura-2000 sollen über die Ländergrenzen hinaus ein großes zusammenhängendes Verbundsystem aus Naturschutzgebieten ergeben. Auf der anderen Seite formuliert jedes europäische Land die eigenen Ziele für den Naturschutz mit eigenen Schutzgebieten, die lokal auf die Grenzen begrenzt sind. Vor ein paar Tagen kam der Hammer: die Europäische Kommission verklagt Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof. Doch warum geht die Europäische Kommission jetzt so drastisch gegen Deutschland vor? Die europäische Kommission wirft dem Bund und den Ländern vor, Schutzgebiete unzureichend rechtlich zu sichern und keine ausreichend konkreten Schutzziele zu formulieren. Ich habe dir die unterschiedlichen Schutzgebiete, die es in Deutschland gibt, zusammengefasst. Die wesentlichen Ziele, die die Schutzgebiete verfolgen ebenfalls. 

Dinkel bei Epe (2021)

Leider muss ich dir mitteilen, dass die Klage vor dem europäischen Gerichtshof nicht unerwartet kommt. Bereits vor Jahren hat die EU-Kommission einen Warnschuss abgegeben. In der begründeten Stellungnahme wurde auf die Missstände bei der Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie und damit dem Schutz von Natura-2000-Gebieten hingewiesen. Dieser Warnschuss scheint jedoch von Bund und Ländern nicht gehört worden zu sein. Wie sah dieser Warnschuss denn aus? Vor sieben Jahren wurde ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet. Bei diesem Vertragsverletzungsverfahren ging es um die unzulängliche Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. Diese Richtlinie trat schon vor etwa drei Jahrzehnten in Kraft. 1992 hat sich Deutschland verpflichtet, die Vorgaben umzusetzen. Hierbei ging es nicht vorrangig um die Ausweisung von neuen Schutzgebieten. Bei der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie geht es vorwiegend um den Erhalt natürlicher Lebensräume sowie um den besonderen Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen. Alle Mitgliedsstaaten müssen gemäß dieser Richtlinie besondere Schutzgebiete ausweisen und gebietsspezifische Erhaltungsziele mit entsprechenden Erhaltungsmaßnahmen festlegen. Dabei geht es darum, den Bestand von Arten zu schützen oder wiederherzustellen. Diesen Zielen ist Deutschland den letzten Jahren nicht nachgekommen Auch konnten der Bund und die Länder nach der Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens die Bedenken der EU-Kommission nicht ausräumen. Durch die unzureichende Zielfestlegung einzelner Schutzgebiete können keine messbaren Erfolge eintreten und nachverfolgt werden. Die EU-Kommission unterstreicht mit dieser Klage die hohe Priorität, welche auf diesen Schutzgebieten liegt. Diese sind die Grundlage für die kürzlich angenommene EU-Biodiversitätsstrategie für 2030 mit der die Durchsetzung der bestehenden EU-Umweltvorschriften verbessert werden sollen. Eine der Konsequenzen der mangelhaften Natura-2000-Maßnahmen können Wissenschaftler in der Nord- und Ostsee beobachten. Hier wird der Rückgang der streng geschützten Schweinswale in seiner Kinderstube (Sylter Außenriff) dokumentiert. Hierbei werden die Schutzgebiete und die wichtigen Wanderkorridore durch die Fischerei, Schifffahrt oder Offshorewindparks massiv gestört.  Heute droht eine Verurteilung durch die Richter*innen in Luxemburg, bei weiterem Nichtstun unter Umständen sogar Strafzahlungen. Doch was muss jetzt passieren? Vorrangig sind jetzt vor allem die Bundesländer am Zug. Diese müssen die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie besser im Blick haben und die Vorgaben der Richtlinie systematisch umsetzen. Darüber hinaus muss die Bundesregierung für die marinen Gebiete die Vorgaben durchsetzen, besonders in der Wirtschaftszone von Nord- und Ostsee. Man könnte mit Verboten und Geboten arbeiten, will man dies jedoch nicht tun, so müssen finanzielle Anreize gesetzt werden. Die derzeitigen Pläne des Bundeslandwirtschaftsministeriums gehen auf die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie allerdings nicht ein. So droht Deutschland ein empfindliches Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Jetzt wirst du dir mit Sicherheit denken, es wird bestimmt auch noch andere Länder geben, die gegen Europäisches Recht verstoßen. Das ist richtig. Gegen folgende Länder laufen ebenfalls Vertragsverletzungsverfahren im Bereich der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie: Spanien und Rumänien. Rumänien beispielsweise hat bislang keine besonderen Schutzgebiete ausgewiesen. Darüber hinaus hat Rumänien versäumt, gebietsspezifische detaillierte Erhaltungsziele und -maßnahmen festzulegen. In Spanien wurde die Ausweisung aller Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung in alpinen, atlantischen und mediterranen Regionen als besonderes Schutzgebiet verschlafen. So wie Rumänien verbummelte auch Spanien für einen erheblichen Teil dieser besonderen Schutzgebiete die Formulierung gebietsspezifischer detaillierter Erhaltungsziele und -maßnahmen. In den nächsten Kurzbeiträgen möchte ich dir zeigen, wie Deutschland seine Natur schützt, also sei gespannt.

Mystisches Moor und seine Renaturierung

Mystisches Moor und seine Renaturierung

In meinem letzten Beitrag zum Moor habe ich euch die Geschichte des Moores ein bisschen nähergebracht, außerdem wie die Nutzung des Moores entstanden ist. Du fragst dich, weswegen wir Moore trockengelegt oder abgebrannt haben? Dann schau doch noch einmal in den letzten Beitrag. Heute möchte ich dir erzählen, warum es sich lohnt Moore wieder zu vernässen und zu renaturieren. Was bedeutet Renaturierung überhaupt? Renaturierung ist ein geläufiger Begriff im Naturschutz und in der Landschaftsökologie. Die Renaturierung bezeichnet die Wiederherstellung von naturnahen Lebensräumen aus kultivierten, genutzten Bodenoberflächen. Ziel ist es, ein Ökosystem zu erstellen, welches sich auf lange Sicht weitestgehend ohne menschliche Hilfe regeneriert und selbst erhält. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Wiederherstellung eines Zustandes, der dem Ausgangszustand nahekommt.  Vor allem im Bereich von Flüssen und Mooren wird renaturiert. Und Schwupps, da sind wir schon mitten im Thema. Nur bei einigen gestörten Moorökosystemen ist eine Renaturierung möglich. Besonders in stark gestörten Moorökosystemen ist aufgrund des Torfverlustes, der vollkommen veränderten Torfbeschaffenheit und der Hydrologie der Ursprungszustand nicht mehr wiederherstellbar. In solchen Bereichen kann nur dann von Renaturierung gesprochen werden, wenn etwa die Wiederherstellung des Torfwachstums, torfbildender Biotoptypen oder eines hydrologischen Torfbildungsprinzip gemeint ist und nicht das ursprüngliche Ökosystem. 

Wanderweg Moor-Route bei Simmerath (2020)

Zustand der Moorflächen in Deutschland 

Deutschland hatte zu Beginn des 18. Jahrhunderts etwa 1,67 Millionen Hektar intakte Moorflächen zu bieten. Heute sind nur noch etwa 1,41 Millionen Hektar übrig und diese sind in einem stark degradierten Zustand. Trotzdem bedecken sie knapp 4 Prozent der deutschen Landfläche. Die Flächengrößen und -verluste werden jedoch nur geschätzt, da es keine einheitliche und verlässliche Bilanzierung der Moorflächen gibt. Woher die Torfverluste im 20. Jahrhundert kommen, habe ich in einem früheren Beitrag beschrieben. Auf die letzten 250 Jahren nur bei den Moorbodenflächen gerechnet beträgt der Flächenverlust mindestens 19 Prozent. Wahrscheinlich liegt die Dunkelziffer deutlich höher. Die meisten Flächen haben wir während der umfangreichen Entwässerung zur Intensivierung der Landwirtschaft ab den Jahr 1950 verzeichnen können. Vor allem flachgründige Moore, wie zum Beispiel Versumpfungsmoore, haben darunter gelitten. Ein kleiner Teil der verbliebenen Moorflächen sind intakt geblieben. Wir haben in Deutschland etwa 360.000 Hektar Regenmoorgebiete, diese zeigen auf ca. 69.000 Hektar naturnahe oder in Renaturierung befindliche Regenmoorbiotope. Weniger als drei Prozent der Regenmoore werden bei der Biotoptypenkartierung als mehr oder weniger intakter Biotoptyp Hochmoor ausgewiesen. Die minimal verbliebenen Restbestände der Regenmoore sind aber auch heute noch akut von Entwässerung und zunehmender Schadstoffeintragung bedroht. Es bedarf immer mehr Anstrengungen, um diese Rückzugsorte zu erhalten. So ist es kein Garant mehr, Moorflächen unter Schutz zustellen. Niedersachsen verliert trotz umfangreichen Bemühungen und trotz der Unterschutzstellung durch das Moorschutzprogramm seit den 80er Jahren immer noch intakte Regenmoorflächen. Neben der Bilanz der Regenmoore sieht die Bilanz der Grundwassermoore nicht besser aus. Die verbleibenden eutrophen Röhrichte, Seggenriede oder Bruchgehölze sind kein adäquater Ersatz für die an diesen Standorten ursprünglichen, oligo- bis mesotrophen Moore. 

Wie kann ein Moor renaturiert werden?

Grundsätzlich bedarf es keiner großen Maßnahmen Moore zu renaturieren. Im Normalfall überlässt man die Lebensräume, sich selbst. 

Regeneration von Niedermooren 

Die Regeneration von einem Niedermoor ist nicht so aufwändig wie die eines Hochmoores. Niedermoore werden durch Grundwasser versorgt, wie wir im ersten Beitrag gelesen haben. Hierbei werden die angelegten Entwässerungsgräben wieder verschlossen. Danach kann sich ein Niedermoor erholen. 

Anders sieht das bei Niedermooren aus, die jahrelang landwirtschaftlich genutzt wurden. Aufgrund der Düngung und extremen Bodenbearbeitungen sind sie nicht mehr für die Renaturierung geeignet. Sie können jedoch als Pufferzone gegenüber der landwirtschaftlichen Nutzung oder als Feuchtwiese genutzt werden. Dies bietet ebenfalls Vorteile für die Tierwelt. 

Typische Moorheiden (Venner Moor 2020)

Regeneration von Hochmooren 

Der wichtigste Schritt bei der Renaturierung von Hochmooren ist die Wiedervernässung. Hierbei wird mit mineralsalzarmem Wasser, in den meisten Fällen ist es Regenwasser, das Hochmoor wiedervernässt. Zunächst werden die Entwässerungsgräben mit Hilfe von Dämmen wieder verschlossen. Weiterhin müssen einige Gehölze auf der Fläche beseitigt werden, da sie Moore verschatten, zur Verdunstung und damit zum Verlust großer Mengen an Wasser beitragen. Die Wiedervernässung geht jedoch nicht von heute auf morgen, sondern dauert in der Regel einige Jahre. Die unerwünschte Vegetation stirbt durch den steigenden Wasserspielgel ab. Das mittelfristige Ziel ist die Wiederherstellung naturnaher Bedingungen. Hochmoorpflanzen sollen sich weiter ausbreiten. Ein langfristiges Ziel ist die vollständige Regeneration. Naturschutz ist jedoch kein Sprint, sondern ein Marathon. Wenn wir von einem langfristigen Ziel sprechen, sprechen wir von Jahrhunderten. Die vollständige Hochmoor-Regeneration ist erreicht, wenn die vernässte Moorfläche wieder zu einem lebenden und torfbildenden, also wachsenden Hochmoor geworden ist. 

Bei teilabgetorften Mooren kann immer noch eingegriffen und es so hergerichtet werden, dass eine erneute Hochmoorentwicklung bzw. -bildung möglich ist.  Hierfür muss zunächst die Torfabbaufläche, bei denen eine Resttorfmächtigkeit von mindestens 50 Zentimetern erhalten ist, planiert werden. Es werden sogenannte Polder errichtet, das sind Regenrückhaltebecken aus Torf. Auch hier wird auf der entwässerten Restmoorfläche eine Wiedervernässung veranlasst, damit eine Regeneration und möglicherweise auch eine Renaturierung eintritt. 

Die Phasen der Renaturierung eines Hochmoores habe ich noch einmal in einer Tabelle zusammengefasst. So hast du alle Phasen noch einmal auf einem Blick.

Phase1Wiedervernässung einige Jahre – kurzfristigDie abgetorfte Fläche wird in dieser Phase wiederhergerichtet und planiert. Auf diesen Frästorfflächen werden zur Niederschlagsrückhaltung große Becken, die Polder, angelegt. Bei einem ausreichend hohen Wasserstand bilden sich die ersten Torfmoose und andere Pflanzen siedeln sich an. Bei degenerierten Hochmoor-Resten genügt die Schließung der Entwässerungsgräben, um die weitere Austrocknung des Moorkörpers zu stoppen. Danach kann Regenwasser wieder gespeichert werden. Der steigende Wasserspiegel führt jedoch dazu, dass die unerwünschte Folgevegetation abstirbt. 
Phase2Renaturierung einige Jahrzehnte – mittelfristig Eine Renaturierung beinhaltet die Wiederherstellung naturnaher Bedingungen. Renaturierungsprozesse dauern einige Jahre, danach hat sich der Moorkörper mit Niederschlagswasser vollgesogen. Erst dann können sich Hochmoorflächen wieder ausbreiten.
Phase3Regeneration einige Jahrhunderte – langfristigEine Hochmoorregeneration ist erreicht, wenn die wiedervernässte Moorfläche zu einem lebenden und torfbildenden Hochmoor wird. Dies kann mehrere Jahrhunderte dauern. 
Phasen der Renaturierung

Machbarkeit der Renaturierung von verschiedenen Moorentypen  

Machbarkeit der Renaturierung von verschiedenen Moortypen (eigene Darstellung)

Fangen wir mit den einfacher zu renaturierenden Mooren an. Einfacher wiederherstellbar sind Verlandungsregime oder Versumpfungsregime durch einen Einstau oder Überstau der Gebiete, wenn eine dauernde Wassersättigung gewährleistet werden kann. Damit könnte eine Renaturierung gelingen. Auch bei Hangmooren oder Quellmooren ist die Wiederherstellung möglich. Ich habe dir einmal eine kleine Übersicht als Tabelle eingefügt. Hier kannst du ablesen, welche Moortypen einfacher und welche schwieriger zu renaturieren sind. Ein Punkt steht für „Es ist möglich“, zwei Punkte stehen für „schwer möglich“ und drei Punkte „langfristig eventuell möglich“. Die Fragezeichen stehen für die Faktoren, die schwer einzuschätzen sind, da sie eine Entwicklung unklar machen – wie die Klimaveränderungen und der Nährstoffeintrag. Dunkelgrün sind die ökologischen Moortypen hinterlegt und die hellgrünen sind die beigeordneten ökologischen Moortypen. Probleme bei der Renaturierung von Mooren sind die ursprünglichen hydrologischen Bedingungen der Moorentstehung. Diese lassen sich oft nicht oder nur schwer wiederherstellen. Für großflächig abgetorfte Regenmoore oder vernutzte Grundwassermoore müssen beispielweise je nach Ausgangslage neue Entwicklungsziele für die Renaturierung formuliert werden. Das schwierigste ist die Wiederherstellung des Torfwachstums bei Mooren, die als „selbstregulierende“ Ökosysteme ihren eigenen Moorwasserstand aufbauen können und ein autonomes Torfwachstum aufweisen. Dazu gehören Regenmoore (Hochmoore), Durchströmungsmoore oder Kesselmoore. Bei einer geringen Schädigung lässt sich das zugrunde liegende hydrologische Prinzip wiederherstellen. Bei einer starken Schädigung aber eher nicht. Kesselmoore lassen sich auf absehbare Zeit nur zu Verlandungs- oder Versumpfungsregime renaturieren. Intensiv genutzte Durchströmungsmoore können in vorflutnahen Bereichen je nach Grundwasserständen zu einem Überflutungs- oder Verlandungsregime initiiert werden. In Hanglagen würden sich Überrieselungsregime bilden. Ob sich aus letzterem wieder ein Durchströmungsregime entwickeln könnte und wann, ist nicht absehbar. Darüber hinaus ist bei Regenmooren (Hochmooren) eine ähnliche Entwicklung zu sehen, sodass in Handtorfstichen nur Zwischenmoorstadien durch eine Renaturierung möglich sein werden. Innerhalb des degradierten Regenmoorkomplexes ist aber eher nur ein Verlandungs- oder Versumpfungscharakter erreichbar. 

Ein weiterer, nicht kalkulierbarer Faktor ist die Eutrophie. Ich hatte euch erzählt, dass Moore eher nährstoffarm sind. Heute sind die Böden, Grund- und Oberflächenwasser eher nährstoffreich, was durch die Landwirtschaft kommt. Darüber hinaus haben wir Nährstoffeinträge über die Luft. So ist bei Mooren auf absehbare Zeit meist nur ein eutrophes Wachstum zu erreichen. In Deutschland ist die Chance, oligo- bis mesotrophe Moorwachstumsbedingungen wiederherzustellen, nur bei schwach geschädigten Mooren möglich. Ein weiteres Problem ist hierbei, dass in oligo- bis mesotrophen Mooren das autarke Torfwachstum und die Torfbildungsrate am höchsten sind. Daher muss die Wiederherstellung dieser Moore vorrangig betrieben werden. Der Schadstoffeintrag über die Luft führt zur Veränderung des Stickstoff- und Kohlenstoffmetabolismus torfbildender Arten, damit ebenfalls zu cmt: Hier fehlt etwas, oder?

Veränderungen der Stoffumsätze und zu schleichenden Veränderungen der Artenausstattung. Wie du siehst, ist der Prozess, ein Moor zu renaturieren, nicht gerade einfach. Man braucht neben der Maßnahmen zur Renaturierung auch weitgreifende Maßnahmen der Politik zur Luftreinhaltung. 

Warum Moore schützen, wie weit ist die Renaturierung vorangeschritten, was tut der Naturschutz? 

Bis heute kann noch nicht eindeutig gesagt werden, ob ein erneutes Moorwachstum bei Hochmooren möglich ist bzw. sein wird. Bisher gibt es kein Renaturierungsprojekt, welches bis zu einer Regeneration herangereift ist. Jetzt könntest du denken, wozu das Ganze, wenn es nichts bringt. Aber es hat sich gezeigt, dass die etlichen Renaturierungsmaßnahmen durchaus moorartige Bedingungen erreichen. Die positive Moorentwicklung kann aber durch die steigenden Umweltbelastungen und die Mineralsalzanreicherungen des Regenwassers zu einem deutlichen Gegenspieler werden – genauso wie ein sich veränderndes Klima. 

Dabei sind die Renaturierung und der Erhalt der Moorflächen so wichtig. Sie speichern riesige Mengen Kohlenstoff und wirken sich im Landschaftswasserhaushalt positiv aus, da sie als Filter und Rückhaltefläche fungieren. Um eine Einschätzung zu bekommen, wie viel Kohlenstoff Moore speichern, hier ein kleiner Exkurs: unsere Moore bedecken ca. drei Prozent der Landfläche der gesamten Erde. In diesen Mooren ist jedoch doppelt so viel Kohlenstoff gebunden wie in allen Wäldern weltweit. Ein Drittel der terrestrischen Kohlenstoffvorräte lagert in Mooren. Auf Deutschland bezogen enthält eine 15 Zentimeter dicke Torfschicht etwa so viel Kohlenstoff wie ein 100-jähriger Wald auf gleicher Fläche. Geht also eine ein Meter dicke Torfschicht verloren, muss zum Ausgleich mehr als das Sechsfache an Fläche aufgeforstet werden und 100 Jahre ungestört wachsen. Du siehst also, Moore sind unverzichtbar für uns. Dabei wurde erst in den letzten Jahrzehnten die Bedeutung der Hochmoore erkannt. Man hat beschlossen, die noch vorhandenen Hochmoore zu schonen und soweit wie möglich zu regenerieren. Für die verbleibenden, naturnahen Hochmoorreste ist der Schutz umso dringlicher, da sie aufgrund ihrer jahrtausendlangen Entwicklungszeit unersetzbar sind und nicht in absehbaren Zeiträumen in wiederherstellbare Lebensräume zu verwandeln sind. Heute sind Moore im weiteren Sinne auf nationaler und internationaler Ebene gegen Eingriffe und Beeinträchtigungen geschützt. Dennoch sollte ich dir nicht verschweigen, dass weiterhin die wirtschaftlichen Interessen im Vordergrund stehen und dass die letzten Regenmoore weiterhin akut von der völligen Zerstörung bedroht sind. 

Übersicht der Schutzprogramme in den moorreichen Bundesländern
(Moorflächen >1.000 km2)

Was bzw. wer schützt also unsere Moore? Auf internationaler Ebene schützt die Ramsar-Konvention auch Regenmoore. 1976 trat Deutschland der Ramsar-Konvention bei. Die Ramsar-Konvention ist ein internationaler völkerrechtlicher Vertrag zum Erhalt und Schutz der Feuchtgebiete. In Deutschland sind 32 Gebiete mit einer Gesamtfläche von 839.327 Hektar ausgewiesene Feuchtgebiete. Dazu gehören unter anderem das Wollmatinger Ried, die Diepholzer Moorniederung und das Elbe-Weser-Dreieck. Dennoch haben nicht alle Länder die Konvention unterzeichnet, bzw. die entsprechenden Schutzmaßnahmen und Ausweisung geeigneter Gebiete ergriffen. Die Ramsar-Konvention und deren Umsetzung wird mit einigen europäischen Richtlinien bestritten. In Deutschland finden wir diese im Bundesnaturschutzgesetz und in den Naturschutzgesetzen der Länder. Niedersachsen ist das hochmoorreichste Bundesland, jedenfalls war es das mal. Heute stehen rund 32.000 Hektar Regenmoorflächen unter Naturschutz. Das klingt erst einmal gut, jedoch sind davon nur 3.600 Hektar in einem natürlichen Zustand. 6.000 Hektar wurden bisher wiedervernässt. Ziel ist es, bis zum Jahr 2020 noch insgesamt 20.000 Hektar zu renaturieren. Spannend ist auch, dass es derzeit Bestrebungen gibt, das Wassjuganmoor in Westsibirien als UNESCO-Weltnaturerbegebiet auszuweisen. Das Wassjuganmoor ist mit über 5 Millionen Hektar das größte Moor der Erde und es zeichnet sich durch seine weltweit einmaligen Makrostrukturen aus. Diese können sich nur auf Flächen mit derart großen Mooren entwickeln. Für den Weltweiten Schutz von Mooren ist das der richtige Weg. Damit endet meine kleine Wochenserie über das Thema Moor. Das nächste Mal geht es mit einem anderen Thema weiter, womit genau, dass verrate ich dir ein anderes Mal.