Der Golfstrom – die Lebensader von Europa

Jeder kennt ihn, jeder liebt ihn und doch weiß kaum einer, wen ich meine. Die Rede ist vom Golfstrom. Viele haben schon mal von ihm gehört, bestimmt in der Grundschule oder in den weiterführenden Schulen. Bei mir ist es schon sehr lange her gewesen, doch jetzt im Zuge des Klimawandels kommt der Golfstrom als ein Kipppunkt wieder häufiger in den Nachrichten vor. Daher möchte ich meinen heutigen Kurzbeitrag dem Golfstrom widmen. Der Golfstrom ist eine schnell fließende Meeresströmung im Atlantik. Es gibt auf der Welt viele unterschiedliche Strömungssysteme, die alle ein globales Strömungssystem bilden. Der Golfstrom ist ein Teil der westlichen Randströmung und beeinflusst das Klima in ganz Nordeuropa. Durch den Golfstrom ist es bei uns im Schnitt fünf bis zehn Grad wärmer als ohne ihn. Er befördert etwa 30 Millionen Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Klingt nach viel und das ist es auch ist. Es ist mehr als einhundertmal so viel Wasser, wie über alle Flüsse der Welt zusammen ins Meer fließen. Das ist alles sehr schwer vorstellbar, das weiß ich. Aber nehmen wir mit, dass es verdammt viel Wasser ist. Ich möchte dir im Folgenden die Funktion des Golfstroms genau erklären. 

Nordsee (Büsum 2021)

Funktion

Der Golfstrom beginnt im Atlantik, westlich des afrikanischen Kontinents. Von dort fließt er zum Golf von Mexiko und tankt hier viel Wärme auf. Dort an der Küste vereinigt sich der Golf von Mexiko mit dem Florida- und dem Bahamasstrom. Gemeinsam bilden die drei Ströme den eigentlichen Golfstrom. Entlang der Küste Nordamerikas fließt der Strom nach Norden. Bei North Carolina, biegt er nach Nordosten ab. Vor Europa spaltet sich der Golfstrom wieder in drei Stromsysteme auf. In die Sargassoss östlich Floridas fließt ein Teil, ein anderer Teil fließt nach Osten in den Kanarenstrom und der dritte fließt weiter nach Nordwesteuropa als Nordatlantischer Strom. Du siehst, es ist nicht ganz so einfach, wie es uns früher in der Schule mal erklärt wurde. Einmal tief durchatmen, bevor ich dir erkläre, wie der Nordatlantikstrom fließt. 

Auf dem Weg in die Arktis kühlt sich das Wasser des Nordatlantikstroms immer mehr ab. Durch Verdunstung wird das Wasser außerdem salzreicher. Diese beiden Eigenschaften sind wichtig, denn durch die Kälte und den hohen Salzgehalt wird das Wasser dichter und damit schwerer. Dieses Wasser sinkt in die Tiefsee hinab. Zwischen Spitzbergen und Grönland entsteht durch dieses schwere Wasser der größte Wasserfall der Erde. So fallen 17 Millionen Kubikmeter Wasser pro Sekunde bis zu 4.000 Meter in 15 Kilometer breiten Säulen (Chimneys) hinunter. Auch hier möchte ich noch einmal anführen, dass es ca. fünfzehnmal so viel Wasser ist, wie alle Flüsse der Welt führen. Doch viel wichtiger ist, was dieser abrupter Wasserabfall bewirkt. Denn bei diesem Wasserabfall entsteht eine Sogwirkung, die den Nordatlantikstrom überhaupt in die Richtung von Europa zieht. Es ist die wichtigste Funktion des nordatlantischen Stroms. Dieser Wasserabfall ist das „globale Förderband“, das die Tiefseeströmung in Bewegung hält. So spannend war es in der Schule nicht. Kommen wir jetzt zum Eingemachten.

Golfstrom heute – Ein Kipppunkt im menschengemachten Klimawandel

Man kann es nicht anders sagen, aber seit einigen Jahren haben alle Wissenschaftler:innen diese globale Wasserpumpe verstärkt im Blick. Das Problem sind die seit Jahren schmelzenden Polarkappen. Du könntest denken, dass dies ja seit Jahren geschieht und damit doch kein Problem sei. Wo genau das Problem liegt, zeige ich dir jetzt. Das Eis am Nordpol besteht aus Süßwasser. Durch das schmelzende Eis gelangt also mehr Süßwasser ins Meer und damit auch in den Nordatlantischen Strom. Wie wir eben festgestellt haben, benötigt dieser eine gewisse Schwere, um den Wasserabfall zu meistern. Gelangt nun mehr Süßwasser in den Strom, könnte dieser nicht mehr schwer genug sein. Damit würde er nicht mehr im gewohnten Umfang absinken und der Golfstrom könnte im schlimmsten Fall zum Erliegen kommen. Damit ist er, global gesehen, ein Kipppunkt. Die Auswirkungen für Europa wären, dass sich das Klima drastisch ändert und es bis zu zehn Grad kälter wird. Keine schönen Aussichten für uns. 

Doch schauen wir uns mal an, was die Expert:innen dazu sagen: Diese schlagen Alarm. Denn der Golfstrom wird aktuell wärmer und langsamer. Jahrelange Messungen von Ozeanographen des IFM-Geomar im West- und Ostatlantik zeigen, dass Temperaturschwankungen der Strömungen vorkommen. Dennoch zeigen die Beobachtungsdaten und Modellsimulationen aus den Jahren 1900 bis 2008 auch, dass sich der Golfstrom im vergangenen Jahrhundert um etwa 1,2 Grad Celsius erwärmt hat. Der Atlantik hat sich um 0,4 Grad erwärmt. Dies hat Konsequenzen. In unseren Ozeanen ist viel Kohlendioxid gespeichert und die Ozeane binden immer neues Kohlendioxid. Durch die höhere Temperatur des Ozeans fällt die Aufnahme von Kohlendioxid geringer aus. 

Ebbe in der Nordsee (Büsum 2021)

Anfang des Jahres 2021 veröffentlichten die Forscher:innen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung eine Studie zum Golfstrom. Das Fazit: der Golfstrom ist in mehr als eintausend Jahren noch nie so schwach wie in den letzten Jahrzehnten gewesen. Die Daten wurden aus den „Klima-Archiven“ wie Ozeansedimenten und Eisbohrkernen gesammelt sowie ausgewertet. Diese „Archive“ können viele hundert Jahre zurückreichen. So konnten die Wissenschaftler:innen die Fließeigenschaften des Golfstroms in den vergangenen Jahrhunderten rekonstruieren. Auch diese Veränderung hat mit dem menschengemachten Klimawandel zu tun. 

Nicht nur Europa hätte mit kälteren Temperaturen zu kämpfen, wobei man sagen könnte, dass der Klimawandel diese vielleicht ausgleichen könnten. Sondern das Erliegen der Ringströmung hätte auch Folgen für die Ostküste der USA. Welche das sind, beschreibe ich dir jetzt. Die gewaltige Ringströmung beeinflusst die Höhe des Meeresspiegels an der Ostküste der USA. Dies passiert so: ein Teil des Golfstroms fließt nach Norden und führt zu einer Ablenkung der Wassermassen nach rechts, also von der US-Küste weg. Dies wird auf die Erdrotation zurückgeführt, die Strömung werden auf der Nordhalbkugel nach rechts und auf der Südhalbkugel nach links abgelenkt. Wenn sich also die Strömung verlangsamt, schwächt sich auch dieser Effekt ab. So kann sich an der Ostküste der USA mehr Wasser ansammeln. Das würde also zu einem stärkeren Anstieg des Meeresspiegels führt. Mit der Verlangsamung des Golfstroms steht ebenfalls ein Kältefleck (cold blob) im Nordatlantik in Verbindung. Dieser Kältefleck beschreibt ungewöhnlich kaltes Wasser in einer Meeresregion im subpolaren Atlantik südlich von Grönland. 

Die Verlangsamung des Golfstroms ist also kein erstrebenswertes Ziel für uns. Wissenschaftler:innen sind sich einig, dass dieser Kipppunkt nicht überschritten werden darf. Den Kipppunkt überschreiten würde bedeuten, dass die Strömung instabil wird und das System zusammenbricht. Es gibt auf der Welt noch ein weitere Kipppunkte, die durch den Klimawandel in Gefahr sind. Welche das sind und welche Auswirkungen das Überschreiten für uns hat, werde ich dir in einem weiteren Beitrag erzählen.