Glyphosat und der sorglose Umgang mit Pflanzenschutzmitteln

Glyphosat und der sorglose Umgang mit Pflanzenschutzmitteln

Glyphosat ist ein sogenanntes „Pflanzenschutzmittel“, welche sehr häufig in der Land- und Forstwirtschaft verwendet werden. Dabei handelt es sich bei den „Pflanzenschutzmitteln“ um Pestizide. Sie sind giftig für Pflanzen, Insekten oder Pilze – je nach Zusammensetzung. Glyphosat ist dabei eines der bekanntesten Pestizide. Tonnenweise werden Pestizide auf Felder, in Schutzgebieten und direkt vor der Haustür versprüht. Sie sind überall erhältlich und gehören in vielen Bereichen zu dem anerkannten Stand der Technik. Doch sind Pestizide eine echte Gefahr für unsere Umwelt. Sie zerstören unsere Ökosysteme und verunreinigen das Grundwasser. Einige giftige Chemikalien, welche in Pestiziden enthalten sind, können Krebs erzeugen. Ihr seht schon: das Wort „Pflanzenschutzmittel“ ist hier falsch eingesetzt. Doch warum werden immer noch tonnenweise Pestizide eingesetzt? Vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. Bei Kommunen und im privaten Garten liegen die Motive jedoch anders. Hier werden Pestizide vor allem aus ästhetisch motivierten Anliegen wie unkrautfreie Beete, Wege und Straßen eingesetzt. 

Weizenfeld im Herbst (Dortmund 2023)

Glyphosat ist das meistverkaufte Pestizid, jeder kennt es und derzeit ist es wieder in aller Munde. Bei Glyphosat werden alle Pflanzen getötet, welche nicht gentechnisch so verändert wurden, dass sie den Einsatz überleben. Maßgeblich trägt Glyphosat zum Artensterben bei und ist laut WHO wahrscheinlich krebserregend. Durch Glyphosat können das Nervensystem geschädigt und das Mikrobiom im Darm beeinflusst werden. Außerdem wurden Glyphosat-Rückstände in zahlreichen Lebensmitteln, im Wasser, in der Luft und sogar im menschlichen Körper nachgewiesen. Darüber hinaus steht Glyphosat ebenfalls im Verdacht, oxidativen Stress zu verursachen. 

Glyphosat in der Umwelt 

Wird Glyphosat in der Umwelt verteilt, werden viele Nützlinge wie Insekten, Spinnen, Amphibien und Bodenlebewesen geschädigt. Da sich das giftige Mittel nicht nur auf Lebewesen auswirkt, werden die Böden und die Luft mitbelastet. Wie oben schon beschrieben, müssen die Nutzpflanzen entsprechend gentechnisch angepasst werden, um nicht abgetötet zu werden. Viele Wildpflanzen werden durch Glyphosat abgetötet. Durch Regen und Wind gelang das Glyphosat auch auf die benachbarten Flächen. Sogar in Gebieten, welche fern der Einsatzorte von Glyphosat liegen, kann das Gift nachgewiesen werden. Weniger Wildpflanzen bedeutet, weniger Nahrung und weniger Lebensräume für Insekten. Die Insekten dienen wiederum als Nahrungsquelle für Vögel, Fische und Säugetiere. Somit führt der Artenschwund bei den Insekten zu einem Artenschwund bei allen anderen Tieren. Ebenfalls betroffen sind Amphibien, da Glyphosat giftig für Wasserorganismen ist und langfristig auf diese einwirkt. Durch Glyphosat sind nicht nur die Organismen im Wasser betroffen, sonder auch das Grund- und Oberflächenwasser (wie z.B.: Seen und Flüsse). 

Doch warum wird derzeit wieder darüber diskutiert? 

Der Einsatz von Glyphosat war nur noch bis Mitte Dezember 2023 EU-weit zugelassen. Jedoch gab es in den letzten Monaten von den EU-Staaten Abstimmungen zum Einsatz von Glyphosat. Im Oktober und im November gab es keine Entscheidung der Mitgliedstaaten zur Verlängerung von Glyphosat um zehn Jahre. Am 16.11.2023 wurde die Entscheidung, das umstrittene Mittel bis 2033 weiterhin zuzulassen, von der EU-Kommission im Alleingang beschlossen. Der Einsatz soll jedoch künftig an Bedingungen geknüpft werden. Landwirte sollen unter anderem mindestens fünf Meter breite Pufferstreifen einhalten. Außerdem soll die Menge und die Häufigkeit für den Einsatz des Mittels durch die Mitgliedsstaaten beschränkt werden können. 

Geschichte der Waldnutzung

Geschichte der Waldnutzung

Den Deutschen wird nachgesagt, dass wir eine ganz besondere Beziehung zum Wald haben. In Deutschland hat jeder seine eigene Meinung zum Wald. Und wenn ich „jeder“ sage, meine ich auch wirklich jeden. Darunter natürlich die Forstfachleute und die Holz verarbeitende Wirtschaft aber auch Umweltverbände, Bürgerinitiativen und die Zivilgesellschaft diskutieren mit. Darüber hinaus haben Wissenschaft und Politik ein berechtigtes Interesse am Wald. So entsteht bei vielen der Eindruck, dass wir ein Volk von lauter Waldexperten sind. Wie falsch wir mit dieser Einschätzung liegen und wie falsch diese Außenwirkung ist, werde ich dir heute in meinem Beitrag erzählen, denn es wird das Thema Forstwirtschaft betrachtet. Es wird um unsere Expert:innen in Sachen Wäldern gehen und was sie mit unserem Wald anstellen. Bevor wir zu der aktuellen Situation kommen, fangen wir bei der Vergangenheit an. Denn unser Wald wird schon immer bewirtschaftet. 

Buchenwald bei Schloss Lichtenstein (Lichtenstein 2021)

Die Anfänge der Waldnutzung

Die Wälder, die wir heute vor der Haustür haben, sind größtenteils Wirtschaftswälder. Das bedeutet, dass wir in Mitteleuropa ausschließlich Ersatzgesellschaften als Wald haben. Wir beginnen unsere heutige Geschichte in der keltischen Zeit. Mit der Ausbreitung der Landwirtschaft und der Metallverhüttung wurde eine erste intensivere Waldnutzung betrieben. Besonders in der römisch-germanischen Periode und vor allem in den dichten besiedelten südwestlichen Teilen nahm die Waldnutzung weiter zu. 

Das freie Germanien wurde im 1. Jahrhundert von Publius Cornelus Tacitus als ein Land, bedeckt von schrecklichen Wäldern und abscheulichen Sümpfen beschrieben. Tacitus lebte im Süden, dort war die Landschaft schon seit Jahrhunderten vom Menschen überprägt. Im freien Germanien fanden sich die Eingriffe in dem Wald im Bereich des direkten Siedlungsbaus vor. Hier wurden die Wälder für den Ackerbau und das Weideland gerodet. Außerdem wurde das Holz für die Feuerstellen aus dem Wald geholt. Dies führte im Bereich der Siedlung zur weiteren Ausdünnung des Waldes. Teile des Waldes, welche durch Rotbuche (Fagus sylvatica) und Eichen (Quercus in Arten) geprägt waren, wurden als Waldweiden genutzt. Später im Beitrag gehe ich noch einmal im Detail auf Waldweiden ein. Dadurch, dass die Siedlungen meistens nach einiger Zeit aufgegeben wurden, konnte in diesen Bereichen eine natürliche Sukzession eine naturähnliche Vegetation entwickeln. Im römisch besetzten Teil sah das anders aus. Der Wald wurde in diesem Teil intensiver genutzt. Allein für den Städtebau wurden entsprechende Holzmengen benötigt. Besonders für den Hausbrand (Feuerstelle), den Betrieb der Bäder mit ihren aufwändigen Bodenheizungen und Warmwasserbecken mussten stetig große Holzmengen bereitgestellt werden. Durch die Niederlage gegen die Germanen musste die Strategie der Römer verändert werden. Die defensive Strategie erforderte jedoch den Bau des Limes, dieser war 500 km lang und wurde überwiegend aus Holz und Stein gebaut. Außerdem schlug man für den Limes eine Schneise in die Wälder. Auf den fruchtbaren Böden wurden die Flächen für die Land- und Weidewirtschaft entwaldet. Die Römer brachten aber auch einige vertraute Baumarten aus dem Mittelmeerraum mit, wie die Esskastanie (Castanea sativa) und Walnuss (Juglans regia). Du siehst, die römische Kolonisierung war ein einschneidender Eingriff in die Waldgesellschaften in Mitteleuropa. Verblieben sind viele waldfreie Zonen, die sich von der intensiven Beweidung nicht mehr erholt haben. Aber auch das Artengefüge in vielen Waldgesellschaften war durch die selektive Nutzung gestört, die eingeschleppten Arten wurden hingegen Bestandteil der Vegetation. Nach den Römern folge die Phase der Völkerwanderung. In dieser Zeit waren halbsesshafte Siedlungsformen hoch im Kurs. Dies verschaffte dem Wald die Möglichkeit, sich wieder auszubreiten. 

Waldnutzungen im Mittelalter 

Im Mittelalter nahm die Besiedlungsfläche wieder zu. Hier standen vor allem die Böden im Fokus, auf denen man Ackerbau betreiben konnte. Im frühen und hohen Mittelalter wurde dann begonnen, den Wald großflächig zu roden. Einerseits benötigte man die Fläche, um neue Siedlungsflächen zu erschließen. Auf der anderen Seite benötigte man den Wald für die Gewinnung von Bau- und Brennholz. Diese Periode hat die Landschaften in großen Teilen Mitteleuropas bis heute geprägt. Durch Seuchen und Einfall fremder Völker stockte die Rodung, da die Bevölkerungszahlen nicht wesentlich anstiegen. Auch im Mittelalter gab es Bereiche, die menschenleer blieben, wie zum Beispiel die hohen Mittelgebirgszüge. Die ersten Siedlungen, die sich im Schwarzwald oder auch im Harz nachweisen lassen, gab es erst ab dem Jahr 1000. Die zweite große Rodungsperiode setzte ab dem Jahr 1100 ein. Dabei drangen die Menschen in entlegene Täler der Mittelgebirge vor. Spannend ist hier zu erwähnen, dass diese zweite Rodungsperiode damals das Verhältnis zwischen Kultur- und Waldfläche geschaffen hat, die dem heutigen Verhältnis entspricht. Diesen Umstand kann man bis heute in der Landschaft ablesen. Bis zum Jahr 1300 wurden viele Wälder gerodet und landwirtschaftlich so intensiv genutzt, dass sie ihren Waldcharakter verloren haben. Die massiven Rodungen hatten damals schon dramatische Folgen. Es wurden viele geschlossene Waldgesellschaften zerstört. Zurück blieben kahle Bergrücken und Heidelandschaften. Die Baumartenverteilung änderte sich. Aufgrund der verschwindenden und sich nicht regenerierenden Wälder kam es zu massiver Erosion der Böden. Daraufhin wurden Felder und Siedlungen aufgegeben. Versorgungsengpässe waren besonders in Kriegszeigen eine Folge des Raubbaus. Eine Verschnaufpause gab es für den Wald während des dreißigjährigen Krieges. Die Bevölkerung wurde langfristig dezimiert, diese erholte sich erst nach 200 Jahren vom Krieg. Verlassene Landstriche mit vormals landwirtschaftlicher Nutzung verwaldeten nach und nach. 

Buchenwald bei Castrop-Rauxel (Castrop-Rauxel 2021)

Im Mittelalter benötigte man Holz für die Herstellung von Glas, in der Gerberei oder im Bergbau beim Grubenausbau. Seit dem 16. Jahrhundert bis ins frühe 19. Jahrhundert wurde regelmäßig über Holznot geklagt. Im Schwarzwald wurden riesige Mengen Holz zu Flößen gebunden und in die Niederlande für den Schiffsbau exportiert. In der Zeit war oft unklar, wie die Besitzverhältnisse der Wälder waren, wodurch der Raubbau weiter befeuert wurde. Um 1800 waren in Deutschland kaum noch geschlossene Wälder vorhanden. In der Winterzeit war das Holz teilweise so knapp, dass alles verbrannt wurde, was man aus Holz hatte. Das waren die dunkelsten Zeiten des Waldes. Zu der Zeit wurde der Wald sehr vielseitig genutzt. Wie wir dieser Phase entkamen, erkläre ich dir gleich. Erst einmal schauen wir uns die Nutzung noch genauer an. 

Hutewald oder auch Waldweide ist eine frühe historische landwirtschaftliche Form der Waldnutzung. Hierbei wurde das Vieh in den Wald getrieben. Je nach Intensität der Nutzung lichteten sich die Wälder auf oder starben ab. Gehölze, die nicht gerne gefressen wurden, breiten sich aus, wie z.B. der Wacholder. Heute kannst du sowas noch in den parkartigen Landschaften der Wacholderheiden sehen. Zeidelweiden dienten der Bienenzucht. Honig war im Mittelalter die einzige Art, Speisen zu süßen. Bienenwachs wurde darüber hinaus für die Herstellung von Kerzen zur Beleuchtung von Kirchen genutzt. In den Zeidelweiden hat man insbesondere Baumarten wie Linde, Salweide, Tanne oder Kiefer gefunden. Harznutzung ist die älteste Nutzungsform im Waldgewerbe. Nadelbäume wie Fichte und Kiefer sind hierbei die bevorzugten Baumarten. Ganze Bestände beklagten Zuwachsverluste und Schwächung der Vitalität. Harz war jedoch ein beliebter Grundstoff, daher wurde überall Harz gewonnen, wo man nur konnte. Brennholz ist leicht erklärt. Holz ist auch heute noch ein wichtiger Energieträger des Menschen. Im 19. Jahrhundert wurde das Holz durch Kohle ersetzt. Siedlungsnah wurde Feuerholz und Hausbrand gewonnen. Holz wurde teilweise auch von Aschenbrennern einfach verbrannt, um Pottasche zu gewinnen. Dies war die einzige Kaliumquelle für die mittelalterlichen Gewerbe. In allen Waldungen wurden Köhlereien betrieben und Holzkohle hergestellt. Siedlungsnah verwendete man wegen des Brandschutzes minderwertiges Holz. Nutzholz wurde schon immer aus verschiedenen Teilen Europas importiert. Dieses nutzte man für den Bau oder die Konstruktion. Beliebte Hölzer dafür waren Eiche und Nadelhölzer. Eine besondere Stellung hatte die Eibe, welche bei der Waffenherstellung sehr beliebt war. Die Flößerei wurde immer im Zusammenhang mit Im- oder Export von Holz betrieben. Dabei wurden Bäume oder Baumteile als Floß über Flüsse oder einzeln über Bäche von a nach b transportiert. 

Kommen wir nun zu der ersten Aufforstungswelle in Deutschland. Um die Holznot abzuwenden, wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts devastierte Wälder und Kahlflächen mit Fichten und Kiefern aufgeforstet. Auf besseren Böden wurde vielfach die Gemeine Fichte (Picea) gepflanzt und auf ärmeren Böden fand man die Waldkiefer (Pinus). Diese Baumarten wachsen schneller als Rotbuchen oder Weiß-Tannen auf und führten zu hohen Holzerträgen. Zeitgleich entstanden die ersten staatlichen Forstverwaltungen in Mitteleuropa. Diese sollten die Holznutzung sicherstellen. Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Brennholz von der Kohle in den Haushalten, in der Industrie- und den Gewerbebetriebe abgelöst. Dies sorgte für eine deutliche Entlastung der Wälder. Nach den Weltkriegen sorgte der Wiederaufbau wiederrum für große Kahlflächen, auf denen häufig Reinbestände aus Fichte und Kiefer gepflanzt wurden. In den 1990er Jahren wurde vermehrt auf Mischwälder gesetzt. Doch durch den Druck der Holzindustrie wurden diese Projekte wieder eingestampft. Womit wir einen schnellen Ritt durch die Zeit gemacht haben und wieder in der heutigen Zeit angekommen sind. Die deutsche Waldlandschaft ist geprägt von Reinbeständen aus Kiefer und Fichte. Einige wenige Buchenwälder haben die Zeit überdauert und sind besonders geschützt. Die Reinbestände kämpfen mit den Folgen der schweren Stürme aus den Jahren 1990, 1999, 2007 und 2008 und dem Borkenkäfer, der in den letzten Jahren durch den Klimawandel ein leichtes Spiel in den Plantagen hatte. Fakt ist, dass Deutschland zu etwa einem Drittel mit Wald bedeckt ist. Fast alle Wälder, die wir haben, sind Wirtschaftswälder. Wie die heutige Forstwirtschaft den Wald verändert, erzähle ich dir jetzt. 

Forstwirtschaft und wie sie den Wald verändert

In Deutschland sind Waldbesitzer angehalten, nach dem Bundes- und Landeswaldgesetzen zu bewirtschaften. Sie sind verpflichtet, „ordnungsgemäß und nachhaltig“ zu bewirtschaften (§11 Bundeswaldgesetz). Hierbei soll der Wald nicht nur als Rohstoffquelle, sondern auch als Grundlage für den Arten-, Boden-, Klima- und Wasserschutz sowie für Freizeit und Erholung der Bevölkerung berücksichtig werden. Die moderne Forstwirtschaft muss ständig zwischen den wirtschaftlichen und ökologischen Interessen abwägen. Wir haben aus den katastrophalen Rodungen des Mittelalters scheinbar gelernt und wollen den nachfolgenden Generationen mindestens vergleichbare Nutzungsmöglichkeiten überlassen. Daher gibt es die Zertifizierung Forest Stewardship Council (FSC) und Program for the Endorsement of Forest Certification Schemes (PEFC). Diese sollen für mehr Nachhaltigkeit sorgen. Welche Grundsätze die Wälder haben müssen, um eine Zertifizierung erhalten zu können, hatte ich einem vorherigen Beitrag schon aufgezeigt. Die waldbauliche Tätigkeit umfasst dabei zielorientiertes Planen, Entscheiden und Umsetzen im Bereich der Erneuerung, Pflege und Sanierung von Waldökosystemen. Gleichzeitig müssen immer ökologische, sozioökonomische und technische Erkenntnisse betrachtet werden. Dennoch lass dir gesagt sein, dass jede holzwirtschaftliche Nutzung ein Eingriff in den Wald beinhaltet und damit dem Wald permanent Biomasse entzieht. Diese würde ohne Eingriff von Natur aus zur Bodenbildung im Wald verbleiben. 

Plantage (Hollenstedt 2021)

In den letzten Jahren wurde die Kritik an der Forstwirtschaft aus dem Bereich der Naturverbände lauter. Zum einem haben sich die Umtriebszeiten der Forstwirtschaft verkürzt, womit das Ökosystem immer mehr gefährdet wird. Zur Erklärung: in der Forstwirtschaft bezeichnet man mit „Umtriebszeit“ den zu erwartenden Zeitraum von Bestandsbegrünung bis zur Endnutzung durch den Holzeinschlag. Die Perioden zwischen Aufwuchs und Einschlag haben sich also verringert. Dies wird besonders durch den Bedarf des Menschen nach Bau- und Brennholz vorangetrieben. Doch warum ist das problematisch? Ich werde es dir anhand von Vögeln erklären. Alte Bäume gibt es in unseren Wäldern kaum noch. Doch alte Bäume werden als Lebensraum für Höhlenbrüter benötigt, da diese bestes Baumaterial für ihre Nisthöhlen darstellen. Ein weiteres Problem ist, dass viel Totholz aus den Wäldern entnommen wird, obwohl es für Vögel ein wahres Buffet ist. 

Die Forstwirtschaft setzt noch immer auf ihren Brotbaum: die Fichte. Auch wenn sich in den letzten Jahren schon herauskristallisiert hat, dass die Fichte nicht das Allheilmittel ist. Die Fichte bildet monokulturartige, extrem artenarme Stangengärten. Mittlerweile nimmt der Holzeinschlag überhand und gleichzeitig wird es uns als nachhaltige Forstwirtschaft verkauft. Das sind Maßnahmen und Schäden, die unsere Wälder jetzt schwächen. Doch auch in der Vergangenheit wurden Maßnahmen getroffen, die wir aktuell als Spätfolgen noch immer wahrnehmen können. Dazu gehört das Entwässern von Waldmooren sowie die Aufforstung von Heiden und Waldwiesen. 

Wie vieles in unserer Welt hat der Wald eine starke Strukturverarmung erlebt – und zwar nicht nur in der Fläche, sondern auch im stufigen Aufbau. Jetzt haben wir über die Geschichte des Waldes an sich sowie die Aufgaben und einen Teil der Probleme der Forstwirtschaft gesprochen. Wir wissen, dass die Forstwirtschaft alle unsere Wälder bewirtschaftet. 

Aber welche Probleme sie noch in den Wald bringt, möchte ich dir jetzt erzählen: den Harvester. Eine Höllenmaschine, die Bäume „erntet“. Ein Wald ist nicht nur von Wegen sondern auch durch Rüttelgassen durchzogen. Diese durchziehen einen Wald und dienen der Baumernte. Sie werden massiv von Harvestern befahren. Diese sägen einen Baum oberhalb der Wurzel ab und entasten ihn im gleichen Zug. Nach der Entastung wird der Baum in Stücke gesägt, damit er besser aus dem Wald transportiert werden kann. Diese Harvester nehmen keine Rücksicht auf den Unterwuchs, die Waldrandhecken oder z.B. auch auf Ameisenhaufen. All das wird einfach plattgefahren. Zurück bleiben tiefe Gräben, als hätte gerade eine große Schlacht in diesem Wald gewütet. Das sind die Schäden, die man sofort sehen kann. Doch viel schlimmer sind die Schäden, die im Verborgenen bleiben. Schäden an Wurzeln und an den Pilzmyzelien. Bei Regen bleibt das Wasser infolge der Verdichtung in den Gräben stehen. Der natürliche Schutz des Bodens ist dahin und er wird für Erosion besonders angreifbar. So geht mit jeder Überfahrt kostbarer Waldboden verloren. Dabei ist der Boden so unfassbar wichtig für alles Leben auf der Welt. 

Geräumter Forst (Castrop-Rauxel 2021)

Also du siehst, es gibt durchaus Probleme in unseren Wäldern. In den Nadelholzplantagen werden die Probleme immer größer – auch angetrieben vom Klimawandel. So sterben immer mehr Plantagen ab. Die Fichte ist nicht für die Trockenheit ausgelegt. Darüber hinaus befällt der Buchdrucker (Borkenkäfer) viele geschwächte Fichtenplantagen. Welche wichtigen Funktionen der Wald hat, kannst du in meinem Beitrag „Das Ökosystem Wald und prägende Faktoren“ nachlesen. Wie nachhaltige Forstwirtschaft aussehen müsste und wie unsere Wälder fit in den Klimawandel gehen können, werde ich dir ein einem weiteren Beitrag erzählen. 

Todeszonen in den Weltmeeren und ihre Ursachen

In den letzten Jahren wird immer wieder vom menschengemachten Klimawandel gesprochen. Welche Auswirkungen die Menschheit auf die Natur hat, können wir uns jedoch meist nicht vorstellen. Heute möchte ich dir jedoch zeigen, wie gravierend der Eingriff der Menschen in die Ökosysteme ist und was es für den Klimawandel bedeutet.

Hast du schon mal etwas über Todeszonen gehört? Der Begriff könnte dir im Zuge von Wüsten mal über den Weg gelaufen sein. Wüsten sind der Inbegriff von lebensfeindlichen Lebensräumen. Doch ist das Image der Wüste meistens schlechter als der Lebensraum eigentlich ist. Einen kleinen Einblick in den Lebensraum Wüste erhältst du in meinem Beitrag „Wüsten, eine Krankheit oder einzigartiges Ökosystem?“. Heute möchte ich dir weitere Todeszonen vorstellen. Diese liegen jedoch nicht an Land, daher haben wir sie meistens nicht auf dem Schirm. Sie liegen im Meer und haben Ausmaße, die wir uns bildlich nicht vorstellen können. Beginnen wir mit ein paar Fakten aus dem „World Ocean Assessment II“-Bericht aus dem Jahr 2021. 

World Ocean Assessment II – Bericht

70 Prozent des Planetens wird durch die Weltmeere bedeckt. Etwa 40 Prozent der Weltbevölkerung lebt in den Küstenregionen. Als Küstenregion bezeichnet man den Bereich von etwa 100 Kilometern vor der Küste. Dieser Anteil steigt stetig an. Etwa 90 Prozent des internationalen Handelsvolumens wird von der Schifffahrt getragen. Die Schifffahrt ist damit einer der grundlegenden Pfeiler der Weltwirtschaft. Auch wenn sie sich derzeit noch von der Wirtschaftskrise der Jahre 2008 bis 2011 erholt. Die Ozeane dieser Welt unterstützen eine breite Palette von wirtschaftlichen Aktivitäten. Zum einem gehören die Gewinnung von Nahrungsmitteln, Gewinnung von Süßwasser durch Entsalzung, die Produktion von Salz, die angesprochene Schifffahrt, aber zum anderen auch der Meeresbodenbergbau, Offshore-Kohlenwasserstoffexploration und -ausbeutung sowie Tourismus und Erholung dazu. Die wirtschaftliche Aktivität nimmt stetig an Umfang zu. Dabei übernehmen unsere Weltmeere wichtige Funktionen – insbesondere auf das Weltklima gesehen. Dies können die Weltmeere jedoch nur leisten, wenn ihre Biodiversität bewahrt und die Ökosysteme nicht durch menschliche Aktivitäten zerstört werden. Wie groß der menschliche Einfluss auf die Weltmeere ist, wird im „World Ocean Assessment“ der Vereinten Nationen (UN) untersucht. In diesem Bericht wird der Zustand der Weltmeere bewertet. Der Bericht wurde von hunderten internationalen Wissenschaftler:innen in den Jahren 2017 bis 2020 erstellt.  Er ist der zweite seiner Art und stellt detailliert den Zustand der Weltmeere dar. Die Faktoren, die den größten Einfluss auf die Meeresumwelt und ihre Nachhaltigkeit haben sind: Das Bevölkerungswachstum und die damit eingehenden demographischen Veränderungen, die wirtschaftlichen Tätigkeiten in den Meeren, der technologische Fortschritt, die sich ändernden Regierungsstrukturen und geopolitische Instabilität sowie der Klimawandel. Die Beziehung zwischen den Triebkräften und der Belastung sowie deren Auswirkungen sind komplex und dynamisch. Der Bericht umfasst mehr 1000 Seiten. Ich habe dir den Bericht unten noch einmal verlinkt. 

Ursachen

Entstehung einer Todeszone (Eigene Darstellung)
1 Nährstoffreiches Wasser strömt ein
2 Algen wachsen unnatürlich stark und sterben
wieder ab.
3 Zooplankton ernährt sich von den Algen.
4 Bakterien ernähren sich vom Kot des Zooplanktons und von den abgestorbenen Algen.
5 Bakterien verbrauchen den Sauerstoff im Wasser beim Abbau des Kots und der abgestorbenen Algen.
6 Sinkt der Sauerstoffgehalt des Wassers unter ein bestimmtes Niveau, fliehen die Meerestiere oder sterben.

Kommen wir nun zu den Todeszonen, die ich oben schon einmal angesprochen habe. Die Belastungen durch die vielen menschlichen Aktivitäten strapazieren die Ozeane und zerstören wichtige Lebensräume. Dazu gehören z.B. Mangrovenwälder und Korallenriffe. Dadurch werden deren Fähigkeiten, die Auswirkungen des Klimawandels zu bewältigen behindert. Die Weltmeere sind verschmutzt, nicht nur durch die Unmengen an Plastikmüll, sondern auch durch die teils giftigen Substanzen, die eingeleitet werden. Aber nicht nur der Müll spielt bei der Zerstörung der Weltmeere eine Rolle, sondern auch der Lärm, der bei der Gewinnung von Erdöl und Gas oder durch Schiffe entsteht. Laut UN-Bericht sind die Todeszonen von 2008 bis 2019 von mehr als 400 auf etwa 700 Gebiete angestiegen.

Doch was sind überhaupt Todeszonen im Meer? Bei den Todeszonen handelt es sich um sehr sauerstoffarme Gebiete im Meer. In diesen Bereichen ist kaum noch Leben möglich, denn Sauerstoff ist die Grundlage für jedes Leben auf der Welt. In den letzten Jahrzehnten wurde die Sauerstoffbeobachtung ausgebaut. Heute ermöglichen diese Beobachtungen eine robuste Trendanalyse. Langzeitmessungen haben für viele Ozeanregionen eine Abnahme der Konzentration an gelöstem Sauerstoff ergeben. Daher dehnen sich die sauerstoffarmen Zonen weiter aus. Die temperaturbedingte Abnahme der Löslichkeit ist für oberflächennahen Sauerstoffverlust verantwortlich. Doch leider beschränkt sich die Sauerstoffabnahme nicht nur auf den oberen Ozean. Besonders in den Todeszonen ist die Sauerstoffabnahme in der gesamten Wassersäule vorhanden. Wenn du dich jetzt fragst, wo wir solche Todeszonen finden, will ich dir noch ein paar nennen und beschreiben. 

Todeszonen 

Im Golf von Mexiko an der Küste der US-Bundesstaaten Louisiana und Texas ist das Meer quasi sauerstofffrei. Aktuell erstreckt sich die Todeszone über eine Fläche von ca. 16.405 Quadratkilometern und ist damit größer als Thüringen. Nach neuen Daten der NOAA (US-amerikanische Behörde für Wetter und Ozeanografie) wird diese Todeszone immer größer. Das Ziel der USA ist es, die Ausdehnung des sauerstofffreien Gebietes bis 2035 auf weniger als 5.000 Quadratkilometer im Fünfjahresdurchschnitt zu begrenzen.

Sonnenuntergang im Wattenmeer (Büsum 2021)

Die Ursache dieser Todeszone in den USA ist der Mensch. Doch wie schafft es der Mensch, den Ozean sauerstofffrei zu bekommen? Überschüssige Nährstoffe aus städtischen Gebieten, wobei es sich überwiegend um Abwässer handelt, und landwirtschaftlichen Gebieten fließen in den Mississippi. Besonders die Rückstände der Düngemittel und Gülle der Viehzucht von großen Agrarkonzernen im Mittleren Westen sind problematisch. Der Mississippi ist der längste Fluss in den USA und spült diese überschüssigen Nährstoffe in den Golf. Dort wirken die entstandenen Nitrate und Phosphate als Dünger für Algen. Damit wachsen zum einen viel mehr Algen und zum anderen wachsen sie übermäßig schnell. Dies wird als Algenblüte bezeichnet. Diese ist jedoch nicht das eigentliche Problem. Da Algen Fotosynthese betreiben, produzieren sie Sauerstoff. Jetzt denkst du bestimmt, dass das doch eigentlich gut für eine solche Region sei. Doch das Problem zeigt sich erst später, wenn diese absterben und auf den Grund sinken. Hier werden sie von Bakterien zersetzt und bei diesem Prozess wird der Sauerstoff verbraucht. Je mehr Algen also sterben, desto weniger Sauerstoff steht den übrigen Meereslebewesen zur Verfügung. In diesem Zusammenhang spricht man von Eutrophierung (Überdüngung) des Meeres. Das führt dazu, dass Lebewesen, die sich frei bewegen können, abwandern. Organismen wie Muscheln haben diese Möglichkeiten nicht und sterben daher in diesem Gebiet aus. Forscherteams haben ein Modell zur Eindämmung des Stickstoffgehalts entwickelt. In diesem Modell lassen sich Szenarien errechnen, welche die Reduzierung des Stickstoffgehalts von 25, 75 und 100 Prozent durchspielen. Die Schlussfolgerungen der Forscher:innen zeigen jedoch, dass selbst wenn der Stickstoffgehalt aus der Landwirtschaft um 100 Prozent gesenkt werden könnte, der Stickstoff, welcher sich über die Jahre im Becken des Mississippi angesammelt hat, weiter auf die Todeszone einwirken und die Todeszone weiterhin bestehen bleiben würde. Wer jetzt jedoch denkt, dass wir ganz machtlos den Todeszonen gegen Überstehen, irrt. Durch kreative Ideen und durch einen geänderten Ablauf von Produktion und Ernte, könnte der Stickstoffgehalt, der durch Felder verursacht wird, eingedämmt werden. Das erste Ziel muss also ein reduziertes Wachstum der Todeszonen sein, bis durch neue Technologien eine Rückführung zu einem Lebensraum stattfinden kann.

Grobe Darstellung der Todeszonen auf der Welt, Fokus Europa (Eigene Darstellung)

Wenn du denkst, dass es wieder nur ein Problem der anderen Länder ist, irrst du dich. Auch in Deutschland gelangen jährlich Hunderttausend Tonnen zusätzliche Nährstoffe in die Nord- und Ostsee. Besonders gefährdet ist die Ostsee: durch den eingeschränkteren Wasseraustausch sind die Zonen tiefer und größer als in der Nordsee. Die Nordsee kann solche Zonen durch Ebbe und Flut ausgleichen. Darüber hinaus findet noch ein Austausch mit dem Nord-Ost-Atlantik und dem Ärmelkanal statt. Die Todeszonen der Ostsee findest du besonders im Bereich zwischen der schwedischen Küste und den Küsten von Estland, Lettland und Litauen. Oben in der Karte kannst du die Todeszonen mit Fokus auf Europa sehen, hier sind nicht alle Todeszonen dargestellt. Bei 700 ist dies auch ein bisschen schwierig. Dennoch schafft die Karte einen kleinen Einblick auf die Situation der Küstenregionen.
Wenn dich das Thema jetzt mehr interessiert und du doch mal in den World Ocean Assessment Bericht schauen willst, kannst du auf den folgenden Link klicken und weiterlesen.

World Ocean Assessment II – Bericht: https://www.un.org/regularprocess/woa2launch

Vogelwelten in der Landschaft

Vogelwelten in der Landschaft

Heute kommen wir zum letzten Beitrag in meiner kleinen Vogelreihe. Gemeinsam waren wir schon im Wald und am Wasser. Heute stellen wir uns einmal auf einen Feldweg. Wenn du dich gerade „warum auf einen Feldweg?“ fragst, dann möchte ich dir das gleich erklären. 50 Prozent der Landesfläche von Deutschland wird landwirtschaftlich genutzt. Daher hat die Landwirtschaft wie kaum ein anderer wirtschaftlicher Bereich einen großen Einfluss auf die Natur und unsere Schutzgüter Boden, Wasser und Luft. Ich möchte dir heute ein paar Vögel vorstellen, die in der freien Landschaft zu finden sind. Die freie Landschaft ist ein Mosaik aus unterschiedlichen Lebensräumen. Es gibt besondere Landstriche, die ich dir schon in dem Beitrag „Zauber der Landschaft“ erläutert habe. Heute möchte ich dir Lebensräume vorstellen, die man in jeder Landschaft findet. Ich gehe dabei auf Felder, Wiesen und Hecken ein. Also fangen wir an!

Wie sieht es in der freien Landschaft aus? 

Blick auf Weizenfeld (Niederbonsfeld 2021)

Das landwirtschaftlich genutzte Feld sieht zunächst nach keinem besonders geeigneten Lebensraum aus. Meistens sind es Monokulturen von Weizen- oder Maisfeldern, die allenfalls für Parasiten der jeweilig angebauten Pflanze ein wahres Schlaraffenland sind. Doch auch hier leben andere Tiere, sodass der Anschein trügt. Viele Tiere und Pflanzen haben es geschafft, auch diesen eintönigen Lebensraum in Anspruch zu nehmen. Auch hierbei spielt die Intensität der Bewirtschaftung eine Rolle. Je intensiver das Feld genutzt wird und je mehr Chemie zum Einsatz kommt, desto weniger lebt auf einem Feld. Man kann auf Feldern in der Morgen- oder Abenddämmerung oftmals Rehe beobachten, die auf den Feldern Getreide fressen. In Maisfeldern kann sich auch mal eine Rotte Wildschweine verstecken und der Feldhase, der Feldhamster und die Feldmaus tragen in ihrem Namen schon den Bezug auf ihren Lebensraum. Der Feldhamster ist ein kleiner Profiteur der Landwirtschaft, denn er wurde in Mitteleuropa erst mit dem Einzug der Landwirtschaft heimisch. Ursprünglich kommt das possierliche Tierchen aus den Steppengebieten Osteuropas und Asiens. Auch der Fuchs besucht oft Felder, allerdings um zu jagen. Wie du siehst, kann man einiges entdecken. Was das Problem mit unseren Feldern ist, erkläre ich dir später in diesem Beitrag genauer. 

Blick auf Grünländer (Tostedt 2019)

Neben den Feldern gibt es auch noch die Wiesen bzw. Grünländer. Wiesen und Weiden machen einen Großteil der landwirtschaftlich genutzten Flächen aus. Sie sind schön und nützlich zugleich. Wildkräuter und Wildblumen, die hier wachsen, liefern gesundes Futter für die Milch- und Fleischindustrie. Darüber hinaus sind Wiesen ein Lebensraum für viele Insekten und andere Tiere. Die Wiesen in Deutschland bestehen überwiegend aus Mähwiesen, sprich sie werden in regelmäßigen Abständen gemäht. Der kleinere Teil der Wiesen sind klassische Weiden und werden durch Tiere gestutzt. Würde der Mensch die Wiesen und Weiden nicht nutzen, würden sich über kurz oder lang Sträucher und Bäume ansiedeln. So würden die Wiesen in die Sukzession übergehen und neue Wälder entstehen. Wiesen haben nicht nur eine hohe Artenvielfalt, sondern bieten mit ihrer zeitlich gestaffelten Blütenabfolge auch für uns immer wieder etwas Neues. Zwischen Flora und Fauna besteht außerdem eine enge Wechselbeziehung. Käfer, Bienenarten und Schmetterlinge erfreuen sich an dem Arten- und Blütenreichtum und finden so immer etwas zu fressen. Durch ihre Vielfalt und Strukturen in der Landschaft bieten Wiesen oder auch Weiden vielen unterschiedlichen Tierarten einen Lebensraum. Dazu gehören neben Vögeln auch Amphibien und Insekten. Je nach Lage der Wiese unterscheidet man in Blumenwiese, Magerrasen, Fettwiese, Trockenrasen, Feuchtwiese und Salzwiese. Blumenwiesen sind artenreiche Wiesen, die viele blühende, krautige Pflanzen aufweisen. Magerrasen sind extensiv genutzte Grünländer an besonders nährstoffarmen, „mageren“ Standorten. In Deutschland findet man sie eher selten und sie stehen daher unter Schutz. Trockenrasen sind den Magerrasen ähnlich, unterscheiden sich jedoch dadurch, dass sich die Biotope an trockenen Standorten bilden. Feuchtwiesen zeichnen sich dadurch aus, dass die Böden in den oberen Horizonten von Grundwasser beeinflusst oder zeitweise überschwemmt sind. Salzwiesen findet man in Deutschland nur an der See, da sie nur dort entstehen, wo das Meer periodisch oder unregelmäßig die Wiesen überflutet. Fettwiesen sind eine Folge der intensiven Bewirtschaftung des Menschen. Was genau dahinter steckt, werde ich dir später im Beitrag verraten. Wie du aber siehst, sind Wiesen oft durch den Menschen entstanden, bieten aber vielen Arten einen Rückzugsraum. Jetzt möchte ich dir noch den Einblick in eine Hecke geben, da sie ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der freien Landschaft ist. 

Feldgehlöze (Düsseldorf 2020)

Hecken sind in der freien Landschaft immer gern gesehen. Unter einer Hecke kannst du dir eine Ansammlung von niedrigen Bäumen, Sträuchern und Kräutern vorstellen, die meistens gradlinig angeordnet sind. Das resultiert daraus, dass eine Hecke typischerweise als Abgrenzung zwischen Feldern oder zwischen Feld und Weg fungiert. Die meisten Hecken wurden von Menschen angelegt und als „lebende Zäune“ benutzt, manche sind aber auch natürlichen Ursprungs. Diese findest du meist an Böschungen und Geländestufen. Hier können natürliche Hecken entstehen: durch Samenanflug bilden sich allmählich kleine Gemeinschaften aus niedrigen Kräutern, Sträuchern und kleinen Bäumen. Doch auch unsere Kulturlandschaft ist immer noch im Wandel und daher werden die meisten Hecken künstlich erhalten, indem ein regelmäßiger Schnitt erfolgt. Früher entstanden die Hecken durch die ausgedehnten Rodungsmaßnahmen. Hecken bieten Schutz vor Wind und verhindern so eine Erosion auf den Feldern. Die Felder waren während des Mittelalters noch sehr klein und deshalb gab es viele Hecken. In diesen Hecken findest du, ähnlich wie bei Wiesen, einen ausgeprägten Stockwerkaufbau. Die Krautschicht ist eher in Bodennähe, darüber bildet sich die Strauchschicht und schließlich kommt die Baumschicht. Diesen Aufbau findet man nicht nur in der Vertikalen. Eine Hecke ist auch in der Horizontalen deutlich gegliedert. Im Herzen einer Hecke liegt das Heckenzentrum. Daran anschließend liegt der Saumbereich, welcher am Boden ausläuft. Die unterschiedlichen Regionen einer Hecke werden von unterschiedlichen Pflanzen geprägt. Daher bietet die Hecke viele verschiedene Lebensräume für Tiere. Diese Artenvielfalt im Bereich Flora und Fauna macht die Hecken ökologisch sehr wertvoll. Für viele Tiere bietet die Hecke in der offenen Fläche einen Rückzugsraum. Außerdem können intakte Heckensysteme als „Verbindungsstraße“ zwischen unterschiedlichen Lebensräumen dienen. Die genaue Pflanzengesellschaft der Hecke hängt immer stark davon ab, wo sich der Standort der Hecke befindet. In der Kernzone der Hecken findet man oft Feld-Ahorn oder Hainbuchen. In der Mantelzone der Hecke kann man Gemeinschaften von Hartriegeln, Heckenrosen, Schlehen oder Weißdorn entdecken. Der Saum einer Hecke wird oft durch Johanniskraut oder Brennnesseln gebildet. Diese Arten kann man ebenfalls an einem Waldrand entdecken. Im Sommer sind Hecken oft kühler und feuchter als die umgebene offene Landschaft, im Winter hingegen werden die extremen Temperaturschwankungen abgemildert. Welche Tiere kannst du in einer solchen Hecke entdecken? Fuchs, Hermelin, Igel und Feldhasen, aber auch Kröten und Eidechsen. Darüber hinaus findet man unzählige wirbellose Kleintiere wie Insekten oder Spinnen in den Hecken. Ein Fünftel der heimischen Singvogelarten leben hier. Welche das sind, schauen wir uns jetzt einmal an. 

Welche Vögel kannst du in der freien Landschaft entdecken? 

Jetzt, wo du einen kleinen Einblick in die freie Landschaft erhalten hast, wollen wir uns anschauen, welche Vögel es hier so gibt. 

Eine typische Feldbewohnerin ist die Feldlerche. Sie ist vielen sehr geläufig. Die Feldlerche bevorzugt offene Lebensräume mit abwechslungsreicher Vegetation. Seit den Achtzigern musste die Feldlerche jedoch dramatische Bestandsverluste hinnehmen. Der Bestand in Deutschland hat sich bis heute halbiert. Eine Besonderheit der Feldlerche ist, dass sie typischerweise im Flug singt. Seltener kann man sie auch in Bäumen singen hören. Oft kann man sie auch auf Feldern und Wegen entdecken. Wenn Gefahr droht, duckt sie sich zunächst und fliegt dann katapultartig auf. Der Speiseplan der Feldlerche unterscheidet sich im Winter von dem im Sommer. Im Sommer stehen besonders Insekten auf dem Speiseplan, im Winter frisst sie eher Samen der verschiedenen Getreidesorten, Gräser und Kräuter. Eine der kleinsten Hühnervögel in Deutschland ist die Wachtel. Sie ist ungefähr so groß wie eine Amsel. Jeder, der eine Wachtel zu sehen bekommt, kann sich glücklich schätzen, da sie immer seltener wird und sich sehr gut verstecken kann. Wachteln fühlen sich an warmen, vegetationsreichen Orten wohl. Sie mögen Sandbäder in der Sonne und leben oft auf Getreidefeldern und brachen Wiesen mit Klee oder Luzernen. Wachteln sieht man kaum fliegen, auch wenn sie nicht gerade flugfaul sind: im Winter ziehen sie klammheimlich bis Afrika. Wie viele Vögel der freien Landschaft ist die Wachtel ebenfalls auf der Vorwarnliste der gefährdeten Vögel. Neben der intensiven Landwirtschaft, welche der Wachtel keinen Platz lässt, ist auch die Jagd auf dem Zugweg ein großes Problem. 

Detail einer Wiese (Dortmund 2020)

Auf Wiesen findet man oftmals Wiesenbrüter. In intakten Feuchtwiesen sind es bspw. der große Brachvogel, der Kiebitz, das Braunkehlchen, die Bekassine, der Wiesenpieper, die Grauammer und der Wachtelkönig. Das Braunkehlchen ist in Deutschland stark gefährdet. Man kann es erst ab April beobachten, da Braunkehlchen zu den Langstreckenziehern gehören. Sie überwintern in den tropischen Regionen Afrikas. Tagsüber suchen sie nach Nahrung, wozu Insekten, Würmer und Spinnen gehören. Im Herbst greifen sie auch auf Beeren zurück. Sie suchen sich überwiegend blütenreiche Wiesen und Brachen aus, um ihre Bodennester zu bauen. Nicht zuletzt ist der Bestand durch den Rückgang dieser Wiesen und Brachen bedroht. Viele kennen den Kiebitz als eine weit verbreitete Art. Vielen ist er aufgrund des auffälligen Aussehens und Verhaltens bekannt. Sie leben ebenfalls überwiegend in Feuchtwiesen. Sie bevorzugen Flächen mit kurzer Vegetation und ohne dichte Gehölzstruktur in der Nähe. Früher hat man Kiebitze auch oft in Mooren angetroffen. Heute trifft man sie auch schon mal auf Äckern und Wiesen an. Auf dem Speiseplan des Kiebitzes stehen besonders Insekten und deren Larven. Daneben werden auch Regenwürmer, Getreidekörner, Samen und Früchte von Wiesenpflanzen verspeist. Auch er gehört in Deutschland zu den bedrohten Arten. Eine der wohl am häufigsten vorkommenden Pieperarten ist der Wiesenpieper. Der kleine Geselle ist mit seiner braunen Farbe gut an seinen Lebensraum angepasst. Beobachten kann man ihn gut, wenn er mal wieder seine erhöhte Warte auf einem Strauch oder Zaunpfahl einnimmt, da man ihn sonst in der Vegetation kaum entdecken kann. Er ist derzeit nicht bedroht. Jedoch ist der Bestand sinkend, da Brutgebiete durch die intensive Bewirtschaftung verlorengehen. Der Wiesenpieper lebt größtenteils auf dem Boden, wo er in dichter Vegetation sein napfförmiges Nest baut. 

Wenn du an Hecken vorbei gehst, welche viele Dornsträucher wie Weißdorn oder Schlehe besitzen, kannst du über merkwürdig aufgespießte Insekten und Raupen stolpern. Wenn du so etwas entdeckst, betrachtest du eventuell das Werk eines Neuntöters. Der hübsche Vogel mit dem komischen Namen legt dort seine Vorräte an. Er lagert – oft zum Schreck des Beobachters – auf diese Weise auch kleine Mäuse. Der Neuntöter gehört zu der Familie der Würger und ist hierzulande einer der häufigsten Vertreter. Er bevorzugt offen strukturierte Landschaften mit Plätzen zum Sonnen- und Staubbaden. Neben Äckern und Waldrändern, wo er Nahrung finden kann, liebt er viele Hecken mit Dornensträuchern. Ein besonderer Offenlandbewohner ist außerdem der Wendehals. Er liebt offene, strukturreiche Flächen wie Waldlichtungen, Windwurfflächen, Obstwiesen oder Parks. Dort bewohnt er meist Baumhöhlen oder Nistkästen. Der Wendehals gehört zur Familie der Spechtvögel. In seiner Optik und seinem Verhalten erinnert er jedoch in keiner Art und Weise an einen Specht. Er trommelt nicht, er baut keine Höhlen und läuft auch nicht senkrecht am Stamm entlang. Der Wendehals hüpft über den Boden und spürt Ameisen auf, die er dann mit seiner langen, klebrigen Zunge aufnimmt.

Mohn am Weizenfeld (Niederbonsfeld 2021)

Viele der Vögel, die ich dir vorgestellt habe, lieben strukturreiche Landschaften und sind heute bedroht. Wie es dazu kommen konnte, möchte ich dir auch erklären. 

Welche Probleme gibt es? 

Die größte Artenvielfalt gab es in Deutschland nach der Kleinen Eiszeit vor dem Jahr 1800. Die Menschen schufen eine vielseitige und mosaikartige Landschaft. Nach 1800 wurde mehr und mehr auf Erträge geachtet und die Bewirtschaftung intensiviert. Schon um 1849 wurde über die Ausmerzung von störenden Hindernissen in der Landwirtschaft geklagt. Damals wurden schon feuchte Mulden aufgefüllt, Tümpel zugeschüttet und störende Hecken und Feldgehölze beseitigt. Vor dem zweiten Weltkrieg wurden unerwünschte Beikräuter mit der Hacke von den Äckern beseitigt. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde jedoch mehr und mehr auf Chemikalien gesetzt. In den letzten Jahrzehnten wurde die Intensivierung der Landbewirtschaftung mit hohem Nährstoffeintrag und Pestizideinsatz vorangetrieben. Dieser Einsatz hat leider gravierende Auswirkungen auf die Artenvielfalt und die Umwelt. Die Folgen daraus sind dramatisch: Insekten- und Vogelsterben, zu hohe Nitratwerte im Grundwasser, tote Böden und klimaschädliche Emissionen. Schlussendlich wurde durch Fungizide, Insektizide, Herbizide oder Rodentizide ein Vernichtungsfeldzug gegen Nager, Pilze, Insekten und unerwünschte „Unkräuter“ eingeleitet. Außerdem wurden die Böden von jeglichen Insekten befreit und durch Drainagen leitete man die Verödung und Trockenlegung riesiger Gebiete ein. Übrig geblieben sind fast reine Monokulturen, die weitestgehend frei von Wildtieren und -pflanzen sind. Überleben werden in dieser Wüste nur die hartnäckigen „Schädlinge“.

Du wunderst dich, dass es nicht mehr so viele Hecken gibt? Das hat einen einfachen Grund: zu Beginn der Neuzeit, liefen große Flurbereinigungsmaßnahmen. Diese dienten ausschließlich der Ökonomie und nicht der Ökologie. Bei diesen Flurbereinigungsmaßnahmen wurden viele kleine Flächen zusammengelegt. Daher gibt es heute eher riesige Ackerflächen. Die Hecken störten bei der Bewirtschaftung der kleinen Flächen, sodass sie zunehmend aus dem Landschaftsbild verschwanden. Viele Heckenbewohner verloren ihren Lebensraum und ihre Lebensgrundlage. Nicht nur die Hecken leiden unter der zunehmenden Bewirtschaftung. Auch die klassischen Wildblumenwiesen findet man heutzutage immer seltener. Durch die regelmäßige Mahd von vier- bis sechsmal im Jahr und das intensive Düngen der Wiesen gehen die Wildblumenwiesen verloren. Viele der Wildblumen kommen mit der intensiven Bewirtschaftung nicht zurecht und so verschwinden nach und nach viele der Wiesenkräuter mit der Nährstoffflut. Die Folge aus der Bewirtschaftung ist eine Einheitsfettwiese, die oft aus weniger als 20 Pflanzenarten besteht. Dazu gehören überwiegend Grasarten und einige wenige stickstoffliebende Gewächse. In Einheitsfettwiesen blüht oft der Löwenzahn, welcher mit seinen gelben Blüten nett anzusehen ist, jedoch nichts Gutes bedeutet. Das Merkmal solcher Fettwiesen ist eine extreme Düngung und die daraus folgende Artenarmut. Ganz am Ende einer solchen Übernutzung stehen monotone Grasäcker mit Wiesenfuchsschwanz oder Weidelgras. Eine überaus positive Gegenbewegung hat in den letzten Jahren an Fahrt aufgenommen: Biologische Landwirtschaft. Wie genau die Unterschiede zur konventionellen Landwirtschaft sind und was vielleicht noch besser wäre, erzähle ich dir in einem ausführlichen Beitrag zur Landwirtschaft. 

Vogelwelten am Wasser

Vogelwelten am Wasser

In meinem letzten Beitrag über Vögel habe ich dich mit in den Wald genommen. Da es so langsam wärmer wird und wir ein bisschen Sonne tanken können, dachte ich, dich heute mit ans Wasser zu nehmen. Ich hoffe, du hast Lust, ein etwas über Wasservögel zu lernen. Wie du weißt, bin ich in einem Ort südlich vor Hamburg groß geworden. Wann immer sich die Möglichkeit bot, waren wir natürlich alle in Hamburg. Dort kann man neben den gewohnten Stadttauben auch viele Möwen beobachten. Wie du jetzt schon merkst, muss man nicht unbedingt weit reisen, um Wasservögel zu treffen. Manchmal reicht schon ein Teich im Stadtpark oder ein innerstädtischer Fluss- oder Bachabschnitt, um eine Vielzahl an Wasservogelarten zu entdecken. Falls du in der nächsten Zeit Wasservögel beobachten möchtest, schlage ich dir Dorf- oder Parkteiche, Binnenseen unterschiedlichster Größe, Brücken, Landungsstege, Hafenanlagen oder Uferwege als Beobachtungspunkte vor. Manchmal kannst du aber auch keine Beobachtungsstände finden, wo man Wasservögel gut beobachten kann. Noch ein kleiner Tipp: Wasservögel in der Stadt zu beobachten ist besonders gut im Winter möglich. Da Vögel meistens dann von Menschen gefüttert werden, kann man sie aus nächster Nähe beobachten. Wenn man Glück hat, kann man im Frühling Wasservögel beim Brüten oder der Jungenaufzucht beobachten. Wichtig ist, nicht nur auf die offenen Wasserflächen zu achten, sondern ebenfalls auf die Uferzonen und Randbereiche der Gewässer zu blicken. Bevor ich dir nun ein paar der üblichen Wasservögel vorstelle, möchte ich dir erst zeigen, wie es typischerweise am Wasser aussieht. 

Stockentenweibchen mit ihren Küken (Phönix See Dortmund 2020)

Ich nehme dich mit an die Elbe, genauer gesagt in den Leipziger Auwald. Hier wird’s spannend. Ein Auwald ist eine natürliche Pflanzengesellschaft entlang von Bächen oder Flüssen, eben wie hier in Leipzig an der Elbe. Auwälder werden von Überschwemmungen und hohem Grundwasserstand stark beeinflusst. Auwälder sind jedoch nicht vergleichbar mit nassen, sumpfigen Bruchwäldern oder von zuweilen trockenfallenden Sumpfwäldern. 

Doch wie sieht jetzt so eine Aue aus? 

Man untergliedert Flüsse entlang ihres Verlaufs, also starten wir bei der Quelle. Ein Fluss entspringt oft im Gebirge und im Quellbereich ist der Fluss meistens wegen der hohen Dynamik vegetationsfrei in Schotterbänke gebettet. Neben Weiden können sich hier manchmal niederwüchsige Gebüsche niederlassen. Im Mittelgebirge und im Tiefland sind die Auen der Quellen meistens so schmal, dass sich kein eigenständiger Au- oder Uferwald bilden kann. Oftmals werden diese Quellen vom angrenzenden Waldbestand mit überschirmt. In der Krautschicht kannst du jedoch durch besondere Arten Hinweise auf „Quellwälder“ finden. Der Auwald am Oberlauf ist meist ein schmales, flussbegleitendes Band. Typisch für diese Auwälder sind Erlen und Eschen. Am Mittellauf nimmt die Fließgeschwindigkeit eines Flusses deutlich ab. Hier überwiegt die Sedimentation und nährstoffreiches Feinmaterial (Auenlehms) nimmt zu und überwiegt. Die Vegetation verändert sich und es bilden sich Weichholz- und Hartholzauen. Am Unterlauf des Flusslaufes, ändert sich die Situation erneut. Der Fluss mäandert stark und das Gefälle im Flussbett nimmt ab. Daraus resultiert, dass die Fließgeschwindigkeit sinkt und mit ihr ebenfalls die kleinsten Schwebteilchen (Ton und Schluff). Ein Fluss kennzeichnet sich durch periodische oder zeitweise Überschwemmungen. Durch diese Überschwemmungen entstehen in Abhängigkeit vom Ausgangsgestein oder -substrat nährstoffreiche Böden. Charakteristische Bodentypen in Auen sind Braune Auenböden oder Vega, in den Alpen kann man aber auch häufiger Schwarze Auenböden finden. Außerdem findest du hier oft ein Mosaik aus Altarmen, Brüchen, Uferzonen und Weichholz- bzw. Hartholzauen. Am Mündungslauf entwickelt sich die Vegetation in Abhängigkeit der Gezeiten und wie sehr der Wasserstand des Flusses dadurch beeinflusst wird. Hier können sich besonders oft Röhrichte ausbilden, darüber hinaus sind diese Standorte von Salz beeinflusst. Dadurch sind Flussmündungen von Natur aus waldfrei. Jeder Fluss hat eine eigene Entstehungsgeschichte und ich habe dir jetzt auch nur den optimalen Zustand aufgezeigt. Durch den Einfluss des Menschen hat sich die Gestalt vieler Flüsse stark verändert. Wie, kannst du später in diesem Beitrag lesen. Jetzt, wo du ein bisschen mehr über Flüsse weißt und welche Lebensräume es hier gibt, wollen wir uns den Vögeln widmen. 

Kanadagans am See (Dortmund 2020)

Welche Vögel man also überwiegend beobachten kann sind Enten, Gänse und Möwen. Die bekanntesten Enten sind sicherlich die Stockenten. Durch lautes Quaken kündigen sie sich schon an und sind uns wohl am vertrautesten. Früher wurden sie auch Wildenten genannt. Da dies jedoch sehr ungenau war, einigte man sich auf Stockente. Der Name lässt Rückschlüsse auf den Bau ihrer Nester zu, da die Stockenten ihre Nester auf den auf den Stock gesetzten Weiden, Knicks und Röhrichten bauen. Im Frühling können wir uns am Ententeich über die flauschigen Küken erfreuen, wenn diese das erste Mal das Gewässer erobern. Auch wenn die langläufige Meinung vorherrscht, dass Stockenten sehr gerne altes Brot essen, erfreuen sich die Stockenten eher an leichterer Kost. Wie beispielsweise Pflanzen, die am Ufer oder an Land wachsen, Wasserpflanzen, Sämereien, Beeren und Früchte aber ihnen schmecken auch Frösche, Schnecken, Würmer, Laich, Larven und sogar kleine Fische. An den Gewässern kann man auch andere Enten oder Taucher beobachten, wie zum Beispiel: Zwergtaucher, Krickente, Teichhuhn, Blässhuhn, Haubentaucher, Löffel- und Mandarinente, um nur ein paar zu nennen. Durch ausgesetzte fremdländische Arten gibt es mittlerweile bei den Enten viele Bastradierungen mit den ausgesetzten Arten. Bastradierung beschreibt Kreuzungen zwischen zwei unterschiedlichen Arten.

Schauen wir uns mal eine andere Familie an, die du vielleicht schon lange kennst: die Möwen. Wenn man im Binnenland mal Fernweh bekommt, dann kann es am Ruf der Lachmöwe liegen. Die Lachmöwe kann man leicht an ihrem Hochzeitskleid und ihrem dunklen Kopf erkennen. Den Namen verdankt die kleine Möwe vermutlich ihrem heiseren Geschrei, welches in großen Gruppen an spöttisches Gelächter erinnert. Sie bevorzugen große Süßgewässer im Binnenland, man kann sie aber auch an Flussmündungen, Feuchtgebieten und an der Küste antreffen. Ihre Nahrung beziehen sie oft von frisch gepflügten Feldern und Weiden. Neben den Lachmöwen findest du manchmal auch die Zwergmöwe, Steppenmöwe, Schwarzkopfmöwe und die Mittelmeermöwe an Gewässern. Ein sehr bekannter Reiher ist der Graureiher. Der Graureiher ist die häufigste Reiherart in Mitteleuropa. Mittlerweile findet man ihn in den verschiedensten Lebensräumen. Am häufigsten wirst du ihn in der Flachwasserzone von Seen oder auf Wiesen treffen, wo er seiner Beute auflauert. Manch ein Fischteichbesitzer klagt schon über den Besuch des Graureihers. Im Flug kann man den Graureiher durch den eingezogenen Kopf vom Kranich und vom Storch unterscheiden. Der Graureiher hat neben der typischen Flugsilhouette auch sein Gefieder als durchaus auffälliges Merkmal, da die Scheitelfedern leicht verlängert sind. Doch neben diesem Vertreter der Reiher gibt es auch den Silber- und Seidenreiher. Ein besonderer Zugvogel, den man in Deutschland beobachten kann, ist außerdem der Kranich. Er ist der bekannteste Zugvogel am europäischen Himmel. Der Kranichzug ist jedes Jahr ein besonderes Naturschauspiel. Mit lauten Rufen ziehen sie in Keilformationen am Himmel entlang. Sie versammeln sich mit mehreren tausend Tieren an Rastplätzen. In Deutschland findet man solche Rastplätze im Norden und Nordosten. Neben dem Zug der Vögel besticht der Kranich durch seine spektakuläre Balz und sein Aussehen. Der Kranich ist größer als ein Weißstorch (96-116 Zentimeter). Das Gefieder ist in einem hellen Blaugrau und auffallend sind die langen, schwarz zulaufenden Schirmfedern, welche buschig über den Bürzel hinausragen. Kopf und Hals sind schwarz-weiß gefärbt und auf dem Kopf zeichnet sich eine unbefiederte rote Kappe ab. Während der Brutzeit ist der Mantel des Kranichs rostbraun gefärbt.

Eine bekannte Vertreterin in unseren Gärten ist die Amsel, die du mit Sicherheit kennen wirst. Am Wasser kannst du die Wasseramsel treffen. Der Vogel ist stark an Gewässer gebunden und der einzige heimische Singvogel, der auch tauchen und schwimmen kann. Das Gefieder der Wasseramsel ist überwiegend braun und sehr dicht. Mit diesem Gefieder sind die Vögel perfekt an die aquatische Lebensweise angepasst. Die Kehle und die Brust sind weiß gefärbt. Wenn du sie beobachten willst, dann findest du sie in Mittel- und Süddeutschland in der Nähe von geröllreichen, schnell fließenden Bächen und Flüssen im Wald- und Bergland. Wie du siehst, kann man auch bekanntere Arten an Gewässern beobachten. Daher gibt es natürlich auch Meisen am Wasser. Dazu gehören zum Beispiel die Bartmeise und die Beutelmeise. Auch wenn die Bartmeise eher mit der Lerche verwandt ist, ähnelt sie äußerlich dennoch eher den Meisen. Den Namen hat sie durch ihren markanten schwarzen „Bart“ am sonst grau gefärbten Kopf des Männchens. In Deutschland findet man Bartmeisen eher im Norden, aber du kannst sie auch woanders in Deutschland finden. Die Bartmeisen leben ausschließlich in dichtem Schilf in ausgedehnten Schilfflächen. Solche Lebensräume kannst du in den Uferbereichen verschiedenster Binnengewässer finden.

Die kleine Beutelmeise ist eine wahre Meisterin im Nestbau. Sie baut das Nest an herabhängende Zweige einer Birke, Erle oder Weide. Das Nest wird aus unterschiedlichen Naturmaterialien wie Bastfasern, Tierhaaren oder Samenhaaren von Pappeln oder Weiden gebaut, sodass sich ein flauschiges, beutelartiges Nest ergibt. Der Beutel ist abgesehen von der Einschlupfröhre fast komplett geschlossen. Eine Beutelmeise kannst du ausschließlich an Gewässern und Sumpfgebieten finden. Außerhalb der Brutzeit ist sie vor allem in Röhrichten und Büschen anzutreffen. 

Stockente auf dem Wasser (Dortmund 2020)

Bekanntere Vertreter am Wasser und besonders in den Städten sind die Gänse. Bei mir in Dortmund zum Beispiel sind die Nilgänse und die Kanadagänse die Arten, die man am häufigsten antreffen kann. Die beiden Vertreter sind jedoch keine einheimischen Arten. Die Kanadagans ist eine der wenigen Neozoen, was bedeutet, dass sie sich in Deutschland sehr erfolgreich eingebürgert hat. Ursprünglich kommt sie aus dem Norden Amerikas. Mittlerweile ist sie bei uns nach der Graugans die zweithäufigste Art. Sie ist sehr ruffreudig. Sie wurde wohl bei uns in die Freiheit entlassen, das teils versehentlich passiert, teils aber auch vorsätzlich. Seitdem vergrößert sie ihre Zahl kontinuierlich. Eine weitere Einwanderin ist die Nilgans. Im Gegensatz zu der Kanadagans zählt sie zu den invasiven Arten. Sie lebt oft in Parks auf Wiesen und in der Nähe von Seen. Mit ihrem exotischen Aussehen ist sie ein Hingucker in jedem Stadtpark, obwohl sie keine echte Gans ist, sondern nur zu den Halbgänsen gehört. Die typischste Gans auf unseren Feldern und Wiesen ist die Graugans. Auch in unseren Parks und Teichen fühlt sie sich heute wohl. Wenn Graugänse über uns hinweg fliegen, hört man sie gut an ihrem lauten, langgezogen Rufen. Die Graugänse warnen sich gegenseitig, vor vorbeikommenden Spaziergängern, welche dann von allen Vögeln aus dem Trupp skeptisch beobachtet werden. Sie ist die Vorfahrin unserer Hausgänse. Auf einigen Wasserflächen in der Stadt kann man auch Schwäne sehen. Manche sind über die Stadtgrenzen hinaus bekannt. Wie zum Beispiel die Alsterschwäne in Hamburg. Sie sind zum echten Wahrzeichen der Stadt geworden. Sie stehen besonders unter Schutz. Es ist bei Strafe verboten zu beleidigen, zu verletzten oder zu töten. Die Schwäne haben sogar einen sogenannten Schwanenvater, dessen Aufgaben die Überwachung des Lebensraums, die Notfallrettung verunglückter Wassertiere sowie die Aufzucht und Pflege verwaister Jungtiere sind. Darüber hinaus führt er Beratungen und Fortbildungen durch und verfolgt die Straftaten bei Gewässerverschmutzung, Tierquälerei und Wilderei. Ein spannender Job, der wohl so in Deutschland einzigartig ist. 

Natürlich bieten Gewässer auch für Räuber einen Lebensraum. Seeadler, Schwarzmilane, Rohrweihe oder Fischadler sind einige, die am Wasser Nahrung finden. Der Schwarzmilan ist sehr eng mit dem Rotmilan verwandt. Daher ähneln sich die beiden von ihrem Äußeren und in ihrer Lebensweise sehr. Der Schwanz ist schwarz, etwas kürzer und weniger stark gegabelt. Das Gefieder hat eine eher dunkelbraune Grundfarbe. Vorzugsweise lebt er in der Nähe von Gewässern und in Auenlandschaften. In Deutschland kommt er vor allem in den östlichen und südlichen Bundesländern vor, in den Wintermonaten zieht er nach Afrika. Eine weitere Gruppe, die mich immer wieder fasziniert, ist die Gruppe der Schwalben. Die kleinste Vertreterin der Schwalben ist die Uferschwalbe. Sie besiedelt schnell neue Lebensräume an Steilhängen und ist die kleinste europäische Art. Ihre Bruthöhlen gräbt sie 70 Zentimeter tief in die Steilhänge und sucht dafür bewusst vegetationsfreie Steilhänge aus. Die Leistung für die Bruthöhle ist für den sperlingsgroßen Vogel enorm. In Deutschland steht sie auf der Vorwarnliste, da ihr Bestand derzeit stabil ist. Doch der Lebensraum der Schwalbe ist bedroht. Ursprünglich kam sie nur an der Küste oder an Flussläufen mit natürlicher Dynamik vor. Nach und nach musste sie sich jedoch andere Lebensräume suchen, da viele der ursprünglichen Lebensräume verbaut wurden. Daher findet man sie jetzt auch an Abgrabungsstellen für Ton- und Sandgruben. Das nächste Problem taucht jetzt für die kleine Schwalbe auf: der Lebensraum, den sie zum Ausweichen genutzt hat, wird jetzt wieder knapper. Daher kann die stabile Population einbrechen. Am Wasser findest du insgesamt 115 unterschiedliche Arten wie den Bruchwasserläufer, den Drosselrohrsänger, den Eisvogel und den Kibitzregenpfeifer, aber auch den Kormoran, den Kuckuck, die Rohrammer, den Schwarzstorch und den Stelzenläufer. Da es so viele Arten sind, kann ich dir nur empfehlen, dich über einzelne Arten beim Nabu weiterzubilden. Der Lebensraum am Gewässer ist vielseitig und abwechslungsreich. Warum einige Arten bedroht sind und wieso wir immer weniger Vögel am Wasser beobachten können, will ich dir folgend kurz erklären. 

Welche Probleme gibt es am Wasser? 

Für viele Vögel haben sich die Bedingungen durch das Eingreifen des Menschen geändert. Viele nasse und feuchte Biotope wurden durch den Menschen trockengelegt und entwässert. Diese Maßnahmen wurden bundesweit durchgeführt und reichen bis etwa 1800 zurück. Ähnlich schlimm wie diese Trockenlegungen wirkten sich die Begradigungen von Flüssen aus. Dabei spielen jedoch nicht nur die Begradigungen von Flüssen eine Rolle, sondern die Eindeichungen und die Befestigungen von Ufern wirken sich ähnlich schlimm aus. In meinem letzten Beitrag zum Thema Wasser habe ich schon von der Begradigung des Rheins erzählt. Besonders bei großen Flüssen wurden solche Begradigungen vorgenommen. Aber der Mensch hat nicht nur in große Flusssysteme eingegriffen, sondern ebenfalls in kleine Bäche, weshalb diese oft verdolt wurden. Verdolt bedeutet überdeckt. Damit einhergehend wurden die meisten Auwälder und Altwasser vernichtet. In Deutschland sind es die artenreichsten Biotope, die wir überhaupt hatten. Von den Auwäldern ist etwa ein Drittel übriggeblieben. Das sind weniger als 4000 Quadratkilometer. Besonders kritisch ist dies für Tierarten, die im Wasser leben. Sie werden durch die Aufstauung von Fließgewässern stark beeinträchtigt. Fließgewässer werden heute noch zur Energiegewinnung aufgestaut. Darüber hinaus werden Vögel und andere Lebewesen durch unmäßige Grabenräumungen gestört und Biotope zerstört. Bei einer Grabenräumung geht es darum, vorhandene Gräben auszuräumen und von Schlick zu befreien. Doch schauen wir noch einmal gemeinsam in die Vergangenheit. Während des Wirtschaftswunders wurden Abwässer Großteils ungeklärt in Bäche und Flüsse eingeleitet. Diese Einleitung von Abwässern aller Art haben vorrübergehend ganze aquatische Ökosysteme zerstört. Diese Zerstörung ist bis heute noch spürbar, auch wenn heute fast überall Kläranlagen im Einsatz sind. Die Flüsse und Bäche werden zum Teil renaturiert und trockengelegte Flächen werden in manchen Naturschutzgebieten wieder vernässt. Wenn dich das Thema Renaturierung von Feuchtgebieten interessiert, dann schau doch gerne mal bei meinem Beitrag „Mystisches Moor und Renaturierung“ vorbei. Das Traurige ist jedoch, dass viele Schäden die früher durch den Menschen entstanden sind, bis heute noch stark nachhallen und zu einem Großteil sogar irreparabel geschädigt sind. Nicht nur für die Menschen sind die Wasserwelten ein wertvolles und schützenswertes Gut, sondern auch für die Vögel. Je kleiner Ihre Lebensräume werden, desto mehr Vögel müssen sich neue Lebensräume suchen. Wie du Wasservögel unterstützen kannst, erzähle ich zu einem späteren Zeitpunkt.

Mystisches Moor und seine Renaturierung

Mystisches Moor und seine Renaturierung

In meinem letzten Beitrag zum Moor habe ich euch die Geschichte des Moores ein bisschen nähergebracht, außerdem wie die Nutzung des Moores entstanden ist. Du fragst dich, weswegen wir Moore trockengelegt oder abgebrannt haben? Dann schau doch noch einmal in den letzten Beitrag. Heute möchte ich dir erzählen, warum es sich lohnt Moore wieder zu vernässen und zu renaturieren. Was bedeutet Renaturierung überhaupt? Renaturierung ist ein geläufiger Begriff im Naturschutz und in der Landschaftsökologie. Die Renaturierung bezeichnet die Wiederherstellung von naturnahen Lebensräumen aus kultivierten, genutzten Bodenoberflächen. Ziel ist es, ein Ökosystem zu erstellen, welches sich auf lange Sicht weitestgehend ohne menschliche Hilfe regeneriert und selbst erhält. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Wiederherstellung eines Zustandes, der dem Ausgangszustand nahekommt.  Vor allem im Bereich von Flüssen und Mooren wird renaturiert. Und Schwupps, da sind wir schon mitten im Thema. Nur bei einigen gestörten Moorökosystemen ist eine Renaturierung möglich. Besonders in stark gestörten Moorökosystemen ist aufgrund des Torfverlustes, der vollkommen veränderten Torfbeschaffenheit und der Hydrologie der Ursprungszustand nicht mehr wiederherstellbar. In solchen Bereichen kann nur dann von Renaturierung gesprochen werden, wenn etwa die Wiederherstellung des Torfwachstums, torfbildender Biotoptypen oder eines hydrologischen Torfbildungsprinzip gemeint ist und nicht das ursprüngliche Ökosystem. 

Wanderweg Moor-Route bei Simmerath (2020)

Zustand der Moorflächen in Deutschland 

Deutschland hatte zu Beginn des 18. Jahrhunderts etwa 1,67 Millionen Hektar intakte Moorflächen zu bieten. Heute sind nur noch etwa 1,41 Millionen Hektar übrig und diese sind in einem stark degradierten Zustand. Trotzdem bedecken sie knapp 4 Prozent der deutschen Landfläche. Die Flächengrößen und -verluste werden jedoch nur geschätzt, da es keine einheitliche und verlässliche Bilanzierung der Moorflächen gibt. Woher die Torfverluste im 20. Jahrhundert kommen, habe ich in einem früheren Beitrag beschrieben. Auf die letzten 250 Jahren nur bei den Moorbodenflächen gerechnet beträgt der Flächenverlust mindestens 19 Prozent. Wahrscheinlich liegt die Dunkelziffer deutlich höher. Die meisten Flächen haben wir während der umfangreichen Entwässerung zur Intensivierung der Landwirtschaft ab den Jahr 1950 verzeichnen können. Vor allem flachgründige Moore, wie zum Beispiel Versumpfungsmoore, haben darunter gelitten. Ein kleiner Teil der verbliebenen Moorflächen sind intakt geblieben. Wir haben in Deutschland etwa 360.000 Hektar Regenmoorgebiete, diese zeigen auf ca. 69.000 Hektar naturnahe oder in Renaturierung befindliche Regenmoorbiotope. Weniger als drei Prozent der Regenmoore werden bei der Biotoptypenkartierung als mehr oder weniger intakter Biotoptyp Hochmoor ausgewiesen. Die minimal verbliebenen Restbestände der Regenmoore sind aber auch heute noch akut von Entwässerung und zunehmender Schadstoffeintragung bedroht. Es bedarf immer mehr Anstrengungen, um diese Rückzugsorte zu erhalten. So ist es kein Garant mehr, Moorflächen unter Schutz zustellen. Niedersachsen verliert trotz umfangreichen Bemühungen und trotz der Unterschutzstellung durch das Moorschutzprogramm seit den 80er Jahren immer noch intakte Regenmoorflächen. Neben der Bilanz der Regenmoore sieht die Bilanz der Grundwassermoore nicht besser aus. Die verbleibenden eutrophen Röhrichte, Seggenriede oder Bruchgehölze sind kein adäquater Ersatz für die an diesen Standorten ursprünglichen, oligo- bis mesotrophen Moore. 

Wie kann ein Moor renaturiert werden?

Grundsätzlich bedarf es keiner großen Maßnahmen Moore zu renaturieren. Im Normalfall überlässt man die Lebensräume, sich selbst. 

Regeneration von Niedermooren 

Die Regeneration von einem Niedermoor ist nicht so aufwändig wie die eines Hochmoores. Niedermoore werden durch Grundwasser versorgt, wie wir im ersten Beitrag gelesen haben. Hierbei werden die angelegten Entwässerungsgräben wieder verschlossen. Danach kann sich ein Niedermoor erholen. 

Anders sieht das bei Niedermooren aus, die jahrelang landwirtschaftlich genutzt wurden. Aufgrund der Düngung und extremen Bodenbearbeitungen sind sie nicht mehr für die Renaturierung geeignet. Sie können jedoch als Pufferzone gegenüber der landwirtschaftlichen Nutzung oder als Feuchtwiese genutzt werden. Dies bietet ebenfalls Vorteile für die Tierwelt. 

Typische Moorheiden (Venner Moor 2020)

Regeneration von Hochmooren 

Der wichtigste Schritt bei der Renaturierung von Hochmooren ist die Wiedervernässung. Hierbei wird mit mineralsalzarmem Wasser, in den meisten Fällen ist es Regenwasser, das Hochmoor wiedervernässt. Zunächst werden die Entwässerungsgräben mit Hilfe von Dämmen wieder verschlossen. Weiterhin müssen einige Gehölze auf der Fläche beseitigt werden, da sie Moore verschatten, zur Verdunstung und damit zum Verlust großer Mengen an Wasser beitragen. Die Wiedervernässung geht jedoch nicht von heute auf morgen, sondern dauert in der Regel einige Jahre. Die unerwünschte Vegetation stirbt durch den steigenden Wasserspielgel ab. Das mittelfristige Ziel ist die Wiederherstellung naturnaher Bedingungen. Hochmoorpflanzen sollen sich weiter ausbreiten. Ein langfristiges Ziel ist die vollständige Regeneration. Naturschutz ist jedoch kein Sprint, sondern ein Marathon. Wenn wir von einem langfristigen Ziel sprechen, sprechen wir von Jahrhunderten. Die vollständige Hochmoor-Regeneration ist erreicht, wenn die vernässte Moorfläche wieder zu einem lebenden und torfbildenden, also wachsenden Hochmoor geworden ist. 

Bei teilabgetorften Mooren kann immer noch eingegriffen und es so hergerichtet werden, dass eine erneute Hochmoorentwicklung bzw. -bildung möglich ist.  Hierfür muss zunächst die Torfabbaufläche, bei denen eine Resttorfmächtigkeit von mindestens 50 Zentimetern erhalten ist, planiert werden. Es werden sogenannte Polder errichtet, das sind Regenrückhaltebecken aus Torf. Auch hier wird auf der entwässerten Restmoorfläche eine Wiedervernässung veranlasst, damit eine Regeneration und möglicherweise auch eine Renaturierung eintritt. 

Die Phasen der Renaturierung eines Hochmoores habe ich noch einmal in einer Tabelle zusammengefasst. So hast du alle Phasen noch einmal auf einem Blick.

Phase1Wiedervernässung einige Jahre – kurzfristigDie abgetorfte Fläche wird in dieser Phase wiederhergerichtet und planiert. Auf diesen Frästorfflächen werden zur Niederschlagsrückhaltung große Becken, die Polder, angelegt. Bei einem ausreichend hohen Wasserstand bilden sich die ersten Torfmoose und andere Pflanzen siedeln sich an. Bei degenerierten Hochmoor-Resten genügt die Schließung der Entwässerungsgräben, um die weitere Austrocknung des Moorkörpers zu stoppen. Danach kann Regenwasser wieder gespeichert werden. Der steigende Wasserspiegel führt jedoch dazu, dass die unerwünschte Folgevegetation abstirbt. 
Phase2Renaturierung einige Jahrzehnte – mittelfristig Eine Renaturierung beinhaltet die Wiederherstellung naturnaher Bedingungen. Renaturierungsprozesse dauern einige Jahre, danach hat sich der Moorkörper mit Niederschlagswasser vollgesogen. Erst dann können sich Hochmoorflächen wieder ausbreiten.
Phase3Regeneration einige Jahrhunderte – langfristigEine Hochmoorregeneration ist erreicht, wenn die wiedervernässte Moorfläche zu einem lebenden und torfbildenden Hochmoor wird. Dies kann mehrere Jahrhunderte dauern. 
Phasen der Renaturierung

Machbarkeit der Renaturierung von verschiedenen Moorentypen  

Machbarkeit der Renaturierung von verschiedenen Moortypen (eigene Darstellung)

Fangen wir mit den einfacher zu renaturierenden Mooren an. Einfacher wiederherstellbar sind Verlandungsregime oder Versumpfungsregime durch einen Einstau oder Überstau der Gebiete, wenn eine dauernde Wassersättigung gewährleistet werden kann. Damit könnte eine Renaturierung gelingen. Auch bei Hangmooren oder Quellmooren ist die Wiederherstellung möglich. Ich habe dir einmal eine kleine Übersicht als Tabelle eingefügt. Hier kannst du ablesen, welche Moortypen einfacher und welche schwieriger zu renaturieren sind. Ein Punkt steht für „Es ist möglich“, zwei Punkte stehen für „schwer möglich“ und drei Punkte „langfristig eventuell möglich“. Die Fragezeichen stehen für die Faktoren, die schwer einzuschätzen sind, da sie eine Entwicklung unklar machen – wie die Klimaveränderungen und der Nährstoffeintrag. Dunkelgrün sind die ökologischen Moortypen hinterlegt und die hellgrünen sind die beigeordneten ökologischen Moortypen. Probleme bei der Renaturierung von Mooren sind die ursprünglichen hydrologischen Bedingungen der Moorentstehung. Diese lassen sich oft nicht oder nur schwer wiederherstellen. Für großflächig abgetorfte Regenmoore oder vernutzte Grundwassermoore müssen beispielweise je nach Ausgangslage neue Entwicklungsziele für die Renaturierung formuliert werden. Das schwierigste ist die Wiederherstellung des Torfwachstums bei Mooren, die als „selbstregulierende“ Ökosysteme ihren eigenen Moorwasserstand aufbauen können und ein autonomes Torfwachstum aufweisen. Dazu gehören Regenmoore (Hochmoore), Durchströmungsmoore oder Kesselmoore. Bei einer geringen Schädigung lässt sich das zugrunde liegende hydrologische Prinzip wiederherstellen. Bei einer starken Schädigung aber eher nicht. Kesselmoore lassen sich auf absehbare Zeit nur zu Verlandungs- oder Versumpfungsregime renaturieren. Intensiv genutzte Durchströmungsmoore können in vorflutnahen Bereichen je nach Grundwasserständen zu einem Überflutungs- oder Verlandungsregime initiiert werden. In Hanglagen würden sich Überrieselungsregime bilden. Ob sich aus letzterem wieder ein Durchströmungsregime entwickeln könnte und wann, ist nicht absehbar. Darüber hinaus ist bei Regenmooren (Hochmooren) eine ähnliche Entwicklung zu sehen, sodass in Handtorfstichen nur Zwischenmoorstadien durch eine Renaturierung möglich sein werden. Innerhalb des degradierten Regenmoorkomplexes ist aber eher nur ein Verlandungs- oder Versumpfungscharakter erreichbar. 

Ein weiterer, nicht kalkulierbarer Faktor ist die Eutrophie. Ich hatte euch erzählt, dass Moore eher nährstoffarm sind. Heute sind die Böden, Grund- und Oberflächenwasser eher nährstoffreich, was durch die Landwirtschaft kommt. Darüber hinaus haben wir Nährstoffeinträge über die Luft. So ist bei Mooren auf absehbare Zeit meist nur ein eutrophes Wachstum zu erreichen. In Deutschland ist die Chance, oligo- bis mesotrophe Moorwachstumsbedingungen wiederherzustellen, nur bei schwach geschädigten Mooren möglich. Ein weiteres Problem ist hierbei, dass in oligo- bis mesotrophen Mooren das autarke Torfwachstum und die Torfbildungsrate am höchsten sind. Daher muss die Wiederherstellung dieser Moore vorrangig betrieben werden. Der Schadstoffeintrag über die Luft führt zur Veränderung des Stickstoff- und Kohlenstoffmetabolismus torfbildender Arten, damit ebenfalls zu cmt: Hier fehlt etwas, oder?

Veränderungen der Stoffumsätze und zu schleichenden Veränderungen der Artenausstattung. Wie du siehst, ist der Prozess, ein Moor zu renaturieren, nicht gerade einfach. Man braucht neben der Maßnahmen zur Renaturierung auch weitgreifende Maßnahmen der Politik zur Luftreinhaltung. 

Warum Moore schützen, wie weit ist die Renaturierung vorangeschritten, was tut der Naturschutz? 

Bis heute kann noch nicht eindeutig gesagt werden, ob ein erneutes Moorwachstum bei Hochmooren möglich ist bzw. sein wird. Bisher gibt es kein Renaturierungsprojekt, welches bis zu einer Regeneration herangereift ist. Jetzt könntest du denken, wozu das Ganze, wenn es nichts bringt. Aber es hat sich gezeigt, dass die etlichen Renaturierungsmaßnahmen durchaus moorartige Bedingungen erreichen. Die positive Moorentwicklung kann aber durch die steigenden Umweltbelastungen und die Mineralsalzanreicherungen des Regenwassers zu einem deutlichen Gegenspieler werden – genauso wie ein sich veränderndes Klima. 

Dabei sind die Renaturierung und der Erhalt der Moorflächen so wichtig. Sie speichern riesige Mengen Kohlenstoff und wirken sich im Landschaftswasserhaushalt positiv aus, da sie als Filter und Rückhaltefläche fungieren. Um eine Einschätzung zu bekommen, wie viel Kohlenstoff Moore speichern, hier ein kleiner Exkurs: unsere Moore bedecken ca. drei Prozent der Landfläche der gesamten Erde. In diesen Mooren ist jedoch doppelt so viel Kohlenstoff gebunden wie in allen Wäldern weltweit. Ein Drittel der terrestrischen Kohlenstoffvorräte lagert in Mooren. Auf Deutschland bezogen enthält eine 15 Zentimeter dicke Torfschicht etwa so viel Kohlenstoff wie ein 100-jähriger Wald auf gleicher Fläche. Geht also eine ein Meter dicke Torfschicht verloren, muss zum Ausgleich mehr als das Sechsfache an Fläche aufgeforstet werden und 100 Jahre ungestört wachsen. Du siehst also, Moore sind unverzichtbar für uns. Dabei wurde erst in den letzten Jahrzehnten die Bedeutung der Hochmoore erkannt. Man hat beschlossen, die noch vorhandenen Hochmoore zu schonen und soweit wie möglich zu regenerieren. Für die verbleibenden, naturnahen Hochmoorreste ist der Schutz umso dringlicher, da sie aufgrund ihrer jahrtausendlangen Entwicklungszeit unersetzbar sind und nicht in absehbaren Zeiträumen in wiederherstellbare Lebensräume zu verwandeln sind. Heute sind Moore im weiteren Sinne auf nationaler und internationaler Ebene gegen Eingriffe und Beeinträchtigungen geschützt. Dennoch sollte ich dir nicht verschweigen, dass weiterhin die wirtschaftlichen Interessen im Vordergrund stehen und dass die letzten Regenmoore weiterhin akut von der völligen Zerstörung bedroht sind. 

Übersicht der Schutzprogramme in den moorreichen Bundesländern
(Moorflächen >1.000 km2)

Was bzw. wer schützt also unsere Moore? Auf internationaler Ebene schützt die Ramsar-Konvention auch Regenmoore. 1976 trat Deutschland der Ramsar-Konvention bei. Die Ramsar-Konvention ist ein internationaler völkerrechtlicher Vertrag zum Erhalt und Schutz der Feuchtgebiete. In Deutschland sind 32 Gebiete mit einer Gesamtfläche von 839.327 Hektar ausgewiesene Feuchtgebiete. Dazu gehören unter anderem das Wollmatinger Ried, die Diepholzer Moorniederung und das Elbe-Weser-Dreieck. Dennoch haben nicht alle Länder die Konvention unterzeichnet, bzw. die entsprechenden Schutzmaßnahmen und Ausweisung geeigneter Gebiete ergriffen. Die Ramsar-Konvention und deren Umsetzung wird mit einigen europäischen Richtlinien bestritten. In Deutschland finden wir diese im Bundesnaturschutzgesetz und in den Naturschutzgesetzen der Länder. Niedersachsen ist das hochmoorreichste Bundesland, jedenfalls war es das mal. Heute stehen rund 32.000 Hektar Regenmoorflächen unter Naturschutz. Das klingt erst einmal gut, jedoch sind davon nur 3.600 Hektar in einem natürlichen Zustand. 6.000 Hektar wurden bisher wiedervernässt. Ziel ist es, bis zum Jahr 2020 noch insgesamt 20.000 Hektar zu renaturieren. Spannend ist auch, dass es derzeit Bestrebungen gibt, das Wassjuganmoor in Westsibirien als UNESCO-Weltnaturerbegebiet auszuweisen. Das Wassjuganmoor ist mit über 5 Millionen Hektar das größte Moor der Erde und es zeichnet sich durch seine weltweit einmaligen Makrostrukturen aus. Diese können sich nur auf Flächen mit derart großen Mooren entwickeln. Für den Weltweiten Schutz von Mooren ist das der richtige Weg. Damit endet meine kleine Wochenserie über das Thema Moor. Das nächste Mal geht es mit einem anderen Thema weiter, womit genau, dass verrate ich dir ein anderes Mal.