Geschichte der Waldnutzung

Geschichte der Waldnutzung

Den Deutschen wird nachgesagt, dass wir eine ganz besondere Beziehung zum Wald haben. In Deutschland hat jeder seine eigene Meinung zum Wald. Und wenn ich „jeder“ sage, meine ich auch wirklich jeden. Darunter natürlich die Forstfachleute und die Holz verarbeitende Wirtschaft aber auch Umweltverbände, Bürgerinitiativen und die Zivilgesellschaft diskutieren mit. Darüber hinaus haben Wissenschaft und Politik ein berechtigtes Interesse am Wald. So entsteht bei vielen der Eindruck, dass wir ein Volk von lauter Waldexperten sind. Wie falsch wir mit dieser Einschätzung liegen und wie falsch diese Außenwirkung ist, werde ich dir heute in meinem Beitrag erzählen, denn es wird das Thema Forstwirtschaft betrachtet. Es wird um unsere Expert:innen in Sachen Wäldern gehen und was sie mit unserem Wald anstellen. Bevor wir zu der aktuellen Situation kommen, fangen wir bei der Vergangenheit an. Denn unser Wald wird schon immer bewirtschaftet. 

Buchenwald bei Schloss Lichtenstein (Lichtenstein 2021)

Die Anfänge der Waldnutzung

Die Wälder, die wir heute vor der Haustür haben, sind größtenteils Wirtschaftswälder. Das bedeutet, dass wir in Mitteleuropa ausschließlich Ersatzgesellschaften als Wald haben. Wir beginnen unsere heutige Geschichte in der keltischen Zeit. Mit der Ausbreitung der Landwirtschaft und der Metallverhüttung wurde eine erste intensivere Waldnutzung betrieben. Besonders in der römisch-germanischen Periode und vor allem in den dichten besiedelten südwestlichen Teilen nahm die Waldnutzung weiter zu. 

Das freie Germanien wurde im 1. Jahrhundert von Publius Cornelus Tacitus als ein Land, bedeckt von schrecklichen Wäldern und abscheulichen Sümpfen beschrieben. Tacitus lebte im Süden, dort war die Landschaft schon seit Jahrhunderten vom Menschen überprägt. Im freien Germanien fanden sich die Eingriffe in dem Wald im Bereich des direkten Siedlungsbaus vor. Hier wurden die Wälder für den Ackerbau und das Weideland gerodet. Außerdem wurde das Holz für die Feuerstellen aus dem Wald geholt. Dies führte im Bereich der Siedlung zur weiteren Ausdünnung des Waldes. Teile des Waldes, welche durch Rotbuche (Fagus sylvatica) und Eichen (Quercus in Arten) geprägt waren, wurden als Waldweiden genutzt. Später im Beitrag gehe ich noch einmal im Detail auf Waldweiden ein. Dadurch, dass die Siedlungen meistens nach einiger Zeit aufgegeben wurden, konnte in diesen Bereichen eine natürliche Sukzession eine naturähnliche Vegetation entwickeln. Im römisch besetzten Teil sah das anders aus. Der Wald wurde in diesem Teil intensiver genutzt. Allein für den Städtebau wurden entsprechende Holzmengen benötigt. Besonders für den Hausbrand (Feuerstelle), den Betrieb der Bäder mit ihren aufwändigen Bodenheizungen und Warmwasserbecken mussten stetig große Holzmengen bereitgestellt werden. Durch die Niederlage gegen die Germanen musste die Strategie der Römer verändert werden. Die defensive Strategie erforderte jedoch den Bau des Limes, dieser war 500 km lang und wurde überwiegend aus Holz und Stein gebaut. Außerdem schlug man für den Limes eine Schneise in die Wälder. Auf den fruchtbaren Böden wurden die Flächen für die Land- und Weidewirtschaft entwaldet. Die Römer brachten aber auch einige vertraute Baumarten aus dem Mittelmeerraum mit, wie die Esskastanie (Castanea sativa) und Walnuss (Juglans regia). Du siehst, die römische Kolonisierung war ein einschneidender Eingriff in die Waldgesellschaften in Mitteleuropa. Verblieben sind viele waldfreie Zonen, die sich von der intensiven Beweidung nicht mehr erholt haben. Aber auch das Artengefüge in vielen Waldgesellschaften war durch die selektive Nutzung gestört, die eingeschleppten Arten wurden hingegen Bestandteil der Vegetation. Nach den Römern folge die Phase der Völkerwanderung. In dieser Zeit waren halbsesshafte Siedlungsformen hoch im Kurs. Dies verschaffte dem Wald die Möglichkeit, sich wieder auszubreiten. 

Waldnutzungen im Mittelalter 

Im Mittelalter nahm die Besiedlungsfläche wieder zu. Hier standen vor allem die Böden im Fokus, auf denen man Ackerbau betreiben konnte. Im frühen und hohen Mittelalter wurde dann begonnen, den Wald großflächig zu roden. Einerseits benötigte man die Fläche, um neue Siedlungsflächen zu erschließen. Auf der anderen Seite benötigte man den Wald für die Gewinnung von Bau- und Brennholz. Diese Periode hat die Landschaften in großen Teilen Mitteleuropas bis heute geprägt. Durch Seuchen und Einfall fremder Völker stockte die Rodung, da die Bevölkerungszahlen nicht wesentlich anstiegen. Auch im Mittelalter gab es Bereiche, die menschenleer blieben, wie zum Beispiel die hohen Mittelgebirgszüge. Die ersten Siedlungen, die sich im Schwarzwald oder auch im Harz nachweisen lassen, gab es erst ab dem Jahr 1000. Die zweite große Rodungsperiode setzte ab dem Jahr 1100 ein. Dabei drangen die Menschen in entlegene Täler der Mittelgebirge vor. Spannend ist hier zu erwähnen, dass diese zweite Rodungsperiode damals das Verhältnis zwischen Kultur- und Waldfläche geschaffen hat, die dem heutigen Verhältnis entspricht. Diesen Umstand kann man bis heute in der Landschaft ablesen. Bis zum Jahr 1300 wurden viele Wälder gerodet und landwirtschaftlich so intensiv genutzt, dass sie ihren Waldcharakter verloren haben. Die massiven Rodungen hatten damals schon dramatische Folgen. Es wurden viele geschlossene Waldgesellschaften zerstört. Zurück blieben kahle Bergrücken und Heidelandschaften. Die Baumartenverteilung änderte sich. Aufgrund der verschwindenden und sich nicht regenerierenden Wälder kam es zu massiver Erosion der Böden. Daraufhin wurden Felder und Siedlungen aufgegeben. Versorgungsengpässe waren besonders in Kriegszeigen eine Folge des Raubbaus. Eine Verschnaufpause gab es für den Wald während des dreißigjährigen Krieges. Die Bevölkerung wurde langfristig dezimiert, diese erholte sich erst nach 200 Jahren vom Krieg. Verlassene Landstriche mit vormals landwirtschaftlicher Nutzung verwaldeten nach und nach. 

Buchenwald bei Castrop-Rauxel (Castrop-Rauxel 2021)

Im Mittelalter benötigte man Holz für die Herstellung von Glas, in der Gerberei oder im Bergbau beim Grubenausbau. Seit dem 16. Jahrhundert bis ins frühe 19. Jahrhundert wurde regelmäßig über Holznot geklagt. Im Schwarzwald wurden riesige Mengen Holz zu Flößen gebunden und in die Niederlande für den Schiffsbau exportiert. In der Zeit war oft unklar, wie die Besitzverhältnisse der Wälder waren, wodurch der Raubbau weiter befeuert wurde. Um 1800 waren in Deutschland kaum noch geschlossene Wälder vorhanden. In der Winterzeit war das Holz teilweise so knapp, dass alles verbrannt wurde, was man aus Holz hatte. Das waren die dunkelsten Zeiten des Waldes. Zu der Zeit wurde der Wald sehr vielseitig genutzt. Wie wir dieser Phase entkamen, erkläre ich dir gleich. Erst einmal schauen wir uns die Nutzung noch genauer an. 

Hutewald oder auch Waldweide ist eine frühe historische landwirtschaftliche Form der Waldnutzung. Hierbei wurde das Vieh in den Wald getrieben. Je nach Intensität der Nutzung lichteten sich die Wälder auf oder starben ab. Gehölze, die nicht gerne gefressen wurden, breiten sich aus, wie z.B. der Wacholder. Heute kannst du sowas noch in den parkartigen Landschaften der Wacholderheiden sehen. Zeidelweiden dienten der Bienenzucht. Honig war im Mittelalter die einzige Art, Speisen zu süßen. Bienenwachs wurde darüber hinaus für die Herstellung von Kerzen zur Beleuchtung von Kirchen genutzt. In den Zeidelweiden hat man insbesondere Baumarten wie Linde, Salweide, Tanne oder Kiefer gefunden. Harznutzung ist die älteste Nutzungsform im Waldgewerbe. Nadelbäume wie Fichte und Kiefer sind hierbei die bevorzugten Baumarten. Ganze Bestände beklagten Zuwachsverluste und Schwächung der Vitalität. Harz war jedoch ein beliebter Grundstoff, daher wurde überall Harz gewonnen, wo man nur konnte. Brennholz ist leicht erklärt. Holz ist auch heute noch ein wichtiger Energieträger des Menschen. Im 19. Jahrhundert wurde das Holz durch Kohle ersetzt. Siedlungsnah wurde Feuerholz und Hausbrand gewonnen. Holz wurde teilweise auch von Aschenbrennern einfach verbrannt, um Pottasche zu gewinnen. Dies war die einzige Kaliumquelle für die mittelalterlichen Gewerbe. In allen Waldungen wurden Köhlereien betrieben und Holzkohle hergestellt. Siedlungsnah verwendete man wegen des Brandschutzes minderwertiges Holz. Nutzholz wurde schon immer aus verschiedenen Teilen Europas importiert. Dieses nutzte man für den Bau oder die Konstruktion. Beliebte Hölzer dafür waren Eiche und Nadelhölzer. Eine besondere Stellung hatte die Eibe, welche bei der Waffenherstellung sehr beliebt war. Die Flößerei wurde immer im Zusammenhang mit Im- oder Export von Holz betrieben. Dabei wurden Bäume oder Baumteile als Floß über Flüsse oder einzeln über Bäche von a nach b transportiert. 

Kommen wir nun zu der ersten Aufforstungswelle in Deutschland. Um die Holznot abzuwenden, wurden ab Mitte des 19. Jahrhunderts devastierte Wälder und Kahlflächen mit Fichten und Kiefern aufgeforstet. Auf besseren Böden wurde vielfach die Gemeine Fichte (Picea) gepflanzt und auf ärmeren Böden fand man die Waldkiefer (Pinus). Diese Baumarten wachsen schneller als Rotbuchen oder Weiß-Tannen auf und führten zu hohen Holzerträgen. Zeitgleich entstanden die ersten staatlichen Forstverwaltungen in Mitteleuropa. Diese sollten die Holznutzung sicherstellen. Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Brennholz von der Kohle in den Haushalten, in der Industrie- und den Gewerbebetriebe abgelöst. Dies sorgte für eine deutliche Entlastung der Wälder. Nach den Weltkriegen sorgte der Wiederaufbau wiederrum für große Kahlflächen, auf denen häufig Reinbestände aus Fichte und Kiefer gepflanzt wurden. In den 1990er Jahren wurde vermehrt auf Mischwälder gesetzt. Doch durch den Druck der Holzindustrie wurden diese Projekte wieder eingestampft. Womit wir einen schnellen Ritt durch die Zeit gemacht haben und wieder in der heutigen Zeit angekommen sind. Die deutsche Waldlandschaft ist geprägt von Reinbeständen aus Kiefer und Fichte. Einige wenige Buchenwälder haben die Zeit überdauert und sind besonders geschützt. Die Reinbestände kämpfen mit den Folgen der schweren Stürme aus den Jahren 1990, 1999, 2007 und 2008 und dem Borkenkäfer, der in den letzten Jahren durch den Klimawandel ein leichtes Spiel in den Plantagen hatte. Fakt ist, dass Deutschland zu etwa einem Drittel mit Wald bedeckt ist. Fast alle Wälder, die wir haben, sind Wirtschaftswälder. Wie die heutige Forstwirtschaft den Wald verändert, erzähle ich dir jetzt. 

Forstwirtschaft und wie sie den Wald verändert

In Deutschland sind Waldbesitzer angehalten, nach dem Bundes- und Landeswaldgesetzen zu bewirtschaften. Sie sind verpflichtet, „ordnungsgemäß und nachhaltig“ zu bewirtschaften (§11 Bundeswaldgesetz). Hierbei soll der Wald nicht nur als Rohstoffquelle, sondern auch als Grundlage für den Arten-, Boden-, Klima- und Wasserschutz sowie für Freizeit und Erholung der Bevölkerung berücksichtig werden. Die moderne Forstwirtschaft muss ständig zwischen den wirtschaftlichen und ökologischen Interessen abwägen. Wir haben aus den katastrophalen Rodungen des Mittelalters scheinbar gelernt und wollen den nachfolgenden Generationen mindestens vergleichbare Nutzungsmöglichkeiten überlassen. Daher gibt es die Zertifizierung Forest Stewardship Council (FSC) und Program for the Endorsement of Forest Certification Schemes (PEFC). Diese sollen für mehr Nachhaltigkeit sorgen. Welche Grundsätze die Wälder haben müssen, um eine Zertifizierung erhalten zu können, hatte ich einem vorherigen Beitrag schon aufgezeigt. Die waldbauliche Tätigkeit umfasst dabei zielorientiertes Planen, Entscheiden und Umsetzen im Bereich der Erneuerung, Pflege und Sanierung von Waldökosystemen. Gleichzeitig müssen immer ökologische, sozioökonomische und technische Erkenntnisse betrachtet werden. Dennoch lass dir gesagt sein, dass jede holzwirtschaftliche Nutzung ein Eingriff in den Wald beinhaltet und damit dem Wald permanent Biomasse entzieht. Diese würde ohne Eingriff von Natur aus zur Bodenbildung im Wald verbleiben. 

Plantage (Hollenstedt 2021)

In den letzten Jahren wurde die Kritik an der Forstwirtschaft aus dem Bereich der Naturverbände lauter. Zum einem haben sich die Umtriebszeiten der Forstwirtschaft verkürzt, womit das Ökosystem immer mehr gefährdet wird. Zur Erklärung: in der Forstwirtschaft bezeichnet man mit „Umtriebszeit“ den zu erwartenden Zeitraum von Bestandsbegrünung bis zur Endnutzung durch den Holzeinschlag. Die Perioden zwischen Aufwuchs und Einschlag haben sich also verringert. Dies wird besonders durch den Bedarf des Menschen nach Bau- und Brennholz vorangetrieben. Doch warum ist das problematisch? Ich werde es dir anhand von Vögeln erklären. Alte Bäume gibt es in unseren Wäldern kaum noch. Doch alte Bäume werden als Lebensraum für Höhlenbrüter benötigt, da diese bestes Baumaterial für ihre Nisthöhlen darstellen. Ein weiteres Problem ist, dass viel Totholz aus den Wäldern entnommen wird, obwohl es für Vögel ein wahres Buffet ist. 

Die Forstwirtschaft setzt noch immer auf ihren Brotbaum: die Fichte. Auch wenn sich in den letzten Jahren schon herauskristallisiert hat, dass die Fichte nicht das Allheilmittel ist. Die Fichte bildet monokulturartige, extrem artenarme Stangengärten. Mittlerweile nimmt der Holzeinschlag überhand und gleichzeitig wird es uns als nachhaltige Forstwirtschaft verkauft. Das sind Maßnahmen und Schäden, die unsere Wälder jetzt schwächen. Doch auch in der Vergangenheit wurden Maßnahmen getroffen, die wir aktuell als Spätfolgen noch immer wahrnehmen können. Dazu gehört das Entwässern von Waldmooren sowie die Aufforstung von Heiden und Waldwiesen. 

Wie vieles in unserer Welt hat der Wald eine starke Strukturverarmung erlebt – und zwar nicht nur in der Fläche, sondern auch im stufigen Aufbau. Jetzt haben wir über die Geschichte des Waldes an sich sowie die Aufgaben und einen Teil der Probleme der Forstwirtschaft gesprochen. Wir wissen, dass die Forstwirtschaft alle unsere Wälder bewirtschaftet. 

Aber welche Probleme sie noch in den Wald bringt, möchte ich dir jetzt erzählen: den Harvester. Eine Höllenmaschine, die Bäume „erntet“. Ein Wald ist nicht nur von Wegen sondern auch durch Rüttelgassen durchzogen. Diese durchziehen einen Wald und dienen der Baumernte. Sie werden massiv von Harvestern befahren. Diese sägen einen Baum oberhalb der Wurzel ab und entasten ihn im gleichen Zug. Nach der Entastung wird der Baum in Stücke gesägt, damit er besser aus dem Wald transportiert werden kann. Diese Harvester nehmen keine Rücksicht auf den Unterwuchs, die Waldrandhecken oder z.B. auch auf Ameisenhaufen. All das wird einfach plattgefahren. Zurück bleiben tiefe Gräben, als hätte gerade eine große Schlacht in diesem Wald gewütet. Das sind die Schäden, die man sofort sehen kann. Doch viel schlimmer sind die Schäden, die im Verborgenen bleiben. Schäden an Wurzeln und an den Pilzmyzelien. Bei Regen bleibt das Wasser infolge der Verdichtung in den Gräben stehen. Der natürliche Schutz des Bodens ist dahin und er wird für Erosion besonders angreifbar. So geht mit jeder Überfahrt kostbarer Waldboden verloren. Dabei ist der Boden so unfassbar wichtig für alles Leben auf der Welt. 

Geräumter Forst (Castrop-Rauxel 2021)

Also du siehst, es gibt durchaus Probleme in unseren Wäldern. In den Nadelholzplantagen werden die Probleme immer größer – auch angetrieben vom Klimawandel. So sterben immer mehr Plantagen ab. Die Fichte ist nicht für die Trockenheit ausgelegt. Darüber hinaus befällt der Buchdrucker (Borkenkäfer) viele geschwächte Fichtenplantagen. Welche wichtigen Funktionen der Wald hat, kannst du in meinem Beitrag „Das Ökosystem Wald und prägende Faktoren“ nachlesen. Wie nachhaltige Forstwirtschaft aussehen müsste und wie unsere Wälder fit in den Klimawandel gehen können, werde ich dir ein einem weiteren Beitrag erzählen. 

Die Waldprämie – das Märchen der nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder?

Heute mal wieder ein aktuelles Thema, beziehungsweise ein Thema, das Ende letzten Jahres aufkam. Vielleicht hast du es in den Nachrichten mitbekommen: es geht um die Waldprämie. Konkret geht es um die Richtlinie zum Erhalt und zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Wälder. Diese Richtlinie wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft beschlossen. Was dahinter steckt und warum es nicht unbedingt förderlich ist, werde ich dir heute aufzeigen.  

Typischer Wald in Deutschland (Eifel 2020)

Der erste Satz in der Präambel lautet: Der Wald ist systemrelevant. Dieses Wort haben wir während der Corona-Pandemie kennen und lieben gelernt. Ich glaube jeder weiß mittlerweile, welche Jobs in der Gesellschaft systemrelevant sind. Diesen Begriff kann man genauso auch im Naturhaushalt einsetzten. Wälder sind besonders im deutschen Naturhaushalt systemrelevant. Kaum ein Landschaftsbestandteil kann das leisten, was ein gesunder Wald leisten kann. Besonders wenn man sich ansieht, was Wälder für die Biodiversität und das Klima tun. Nach der Waldprämie sollen besonders klimastabile, naturnahe Wälder und ihre nachhaltige Bewirtschaftung bezuschusst werden. In der Präambel wird der Wald als Erholungsort für die Menschen und als klimafreundlicher Lieferant für den Rohstoff Holz beschrieben, der Arbeit und Einkommen sichert. Begründet wird diese Waldprämie durch die negativen Auswirkungen auf den Holz-Absatzmärkte, die Logistikstrukturen und die Folgen der Extremwetterereignisse der letzten Jahre. Durch die Corona-Pandemie wurden diese negativen Auswirkungen verstärkt. Der Klimawandel tut durch Stürme und Dürreperioden samt Schädlingsbefall sein Übriges. Dies bedeutet, die Förster verlieren Geld. Sie können durch den Borkenkäfer in ihren Plantagen nicht mehr verkaufen und die Fichtensetzlinge gehen ein. Leidet die Forstwirtschaft, leiden natürlich auch nachfolgende Gewerke wie die nachgeschaltete Logistik. Die Waldprämie soll die privaten und kommunalen Waldeigentümer für die entstandenen Schäden teilweise entschädigen. Darüber hinaus soll die Waldprämie eine nachhaltige Forstwirtschaft über den gesetzlichen Rahmen hinausgehen und unterstützen. Die Bilder der deutschen Wälder in den Medien kennt ja jeder, vor allem die der Fichtenforste, welche vom Borkenkäfer vernichtet worden sind. Daher verstehe ich, dass du denkst, dass es eine gute Sache sei. Doch müssen wir nicht nur die Absichten betrachten, sondern auch die Voraussetzungen für die Waldprämie.  
Die erste Frage, die sich stellt, ist, wer diese Leistung bekommt. Nach der Richtlinie bekommt jede natürliche oder juristische Person des Privat- oder öffentlichen Rechts, die als Unternehmer (gemäß §136 Abs. 3 des 7. Buches des Sozialgesetzbuch) rechtmäßig eine Waldfläche (nach §2 Bundeswaldgesetzbuch) bewirtschaftet und dies in Schriftform belegt. Man könnte sagen jeder, der einen Wald besitzt mit Ausnahme von Bund und Ländern.  

Gibt es noch weitere Voraussetzungen? Jeder Waldbesitzer, der die Waldprämie in Anspruch nehmen will, muss ebenfalls ein Zertifikat nachweisen. Es gibt zwei Zertifikate, die hier greifen. Einmal das Program for the Endorsement of Forest Certification Schemes Deutschland (PEFC) und das Forest Stewardship Council Deutschland (FSC). Neben diesen beiden Zertifikaten gibt es noch die Naturland Richtlinie zur ökologischen Waldnutzung (Naturland). Eines der Zertifikate muss der Waldbesitzer vorlegen oder nach bis zu einem Jahr nachreichen. Also musst du vor der Beantragung der Waldprämie nicht einmal die Zertifizierung haben. Die Waldprämie ist – nicht, dass du es falsch verstehst – kein Darlehen. Die Höhe der Prämie wird je Hektar und Zertifikat berechnet.  

Wie hoch fällt die Waldprämie für die Waldbesitzer aus? Wälder nach PEFC-Zertifikat erhalten 100 Euro pro Hektar. Die Wälder die nach FSC- oder Naturland-Zertifikat erhalten 120 Euro pro Hektar. Kann die Auszahlung der Waldprämie verweigert werden? Eine Einschränkung gibt es: unter 100 Euro wird die Prämie nicht ausgezahlt. Naja, und die Kosten für die Antragsstellung werden ebenfalls nicht erstattet und einen Rechtsanspruch auf Bewilligung der Prämie hat man auch nicht. Klingt erstmal alles fair. Die Fragen, die sich mir jedoch stellten, waren, welche Punkte bei der Zertifizierung betrachtet werden und wie aussagekräftig diese Zertifizierung ist. Daher möchte ich einen kleinen Exkurs einbauen, um die Zertifizierung näher erklären zu können. Spannend ist, dass die Naturland-Zertifizierung nur die Einhaltung der FSC-Zertifizierung beinhaltet. Ich möchte die wichtigen Punkte für den Naturschutz einmal aufgreifen, bevor du zu einer Tabelle kommst, in der du die Zertifikate einmal gegenübergestellt siehst. Also die wichtigsten Punkte für gesunde Wälder sind: Baumartenwahl, Totholz und Biozideinsatz.  

Die Baumartenauswahl 

Die FSC/Naturland-Zertifizierung strebt eine langfristige und standortheimische Bestockung an. Fremdländische Gehölze sollen nur noch in Mischungen geduldet werden. Bei der PEFC-Zertifizierung werden Mischbestände mit standortgerechten Baumarten mit angepasster Herkunft angestrebt. Problematisch ist, dass es keinerlei Angaben dazu gibt wie diese Mischbestände sich zusammensetzten. Diese Problematik tritt auch bei der FSC/Naturland-Zertifizierung auf. Positiv bei der FSC/Naturland-Zertifizierung ist, dass die Douglasie und die Fichte als fremdländische Gehölze klassifiziert werden. Jedoch wird auch kein Verhältnis zwischen fremdländischen und heimischen Gehölzen genannt.  

Das Totholz 

Kurze Erklärung: Totholz sind abgestorbene Bäume, die entweder aufrecht im Wald stehen oder bei einem Sturm umgefallen sind. Sie sind wahre Archen im Waldgeschehen. Hier tummeln sich zahlreiche Pilze und Insekten, aber auch Vögel haben sich zur Aufgabe gemacht, ihre Bruthöhlen in diesen abgestorbenen Bäumen zu bauen. In einem späteren Artikel werde ich dir mehr dazu erklären. Das FSC/Naturland-Zertifikat stellt die Bedingung, dass es ein Totholzmanagement gibt, welches das Ziel verfolgt, in den Wäldern das Totholz zu steigern. Beim PEFC-Zertifikat wird gefordert, das Totholz und Höhlenbäume in einem angemessenen Umfang im Wald vorkommen zu lassen. Die Frage, die ich dir stellen möchte, ist: Wer kontrolliert das und wer legt fest, wie viel angemessen ist?  

Der Biozideinsatz 

Beim FSC/Naturland-Zertifikat ist der Biozideinsatz nur auf behördliche Anordnung einzusetzen. Das begiftete Holz darf anschließend erst nach sechs Monaten verkauft werden. Das PEFC-Zertifikat erlaubt die flächige Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf der Grundlage einer fachkundigen Begutachtung. Die Polterbegiftung (Maßnahme gegen den Borkenkäfer) wird nicht reglementiert, da es nur eine punktuelle Anwendung darstellt. Das jedoch Biozid eingesetzt werden darf, ist fragwürdig. Das Biozid greift in den wenigsten Fällen nur punktuell, sondern flächig. Sie töten nicht nur Insekten auf den Bäumen, sondern auch Insekten im Boden. Die Voraussetzung für einen Schädlingsbefall findet man in den meisten Fällen nicht in einer Mischwaldkultur, sondern in einer Monokultur. Fraglich ist also, wieso der Einsatz von Biozid erlaubt ist, wenn es sich bei den zertifizierten Wäldern um gesunde Waldökosystem handeln soll.  

Weitere Punkte sind in der folgenden Tabelle gegenübergestellt:  

Zertifikat / KategorieFSC / NaturlandPEFC
AkkreditierungDie Akkreditierung erfolgt durch den internationalen FSC Vorstand, nach einer Zahlung einer entsprechenden GebührBedient sich einer unabhängigen Zertifizierung, durch Personen die in Bereichen der Wirtschaft einen Namen gemacht haben (z.B. TÜV Nord). Die Zertifizierungsstellen setzen eine Zulassung bei der nationalen Akkreditierungsstellen voraus.
Referenzflächeim Staats- und Kommunalwald müssen die Flächen größer als 1.000 Hektar sein und 5% der Fläche aus der Bewirtschaftung genommen werden. Diese gelten dann als Referenzfläche.Hier wird keine Stillegung von Waldflächen gefordert, es wird dabei auf einen integierten Naturschutz gesetzt. Die Ausweisung von Totalreservaten wird nicht als Aufgabe des Zertifikats gesehen.
BaumartenwahlLangfristig soll die Forstwirtschaft eine standortheimische Bestockung anstreben. Fremdländische Gehölze wie Douglasie und Fichte sollen nur noch in Mischungen geduldet werden.Bei dem Zertifikat werden Mischbestände mit standortgerechten Baumarten und angepasster Herkunft angestrebt.
TotholzAls Vorbedingung wird ein Totholzmanagement gefordert, welches das Totholz in den Wäldern steigern soll.Hier wird nur gefordert, dass Totholz und Höhlenbäume in einem angemessenen Umfang erhalten ist.
BiozideinsatzDer Biozideinsatz ist nur auf behördliche Anordnung einzusetzen. Begiftetes Holz darf erst nach 6 Monaten verkauft werden.Das Zertifikat erlaubt eine flächige Anwendung von Pflanzenschutzmittel, auf der Grundlage fachkundiger Begutachtung. Polterbegiftung wird nicht reglementiert, da es nur eine punktuelle Anwendung darstellt.
Tabelle 1: Kriterien für die Waldzertifizierung

Es gibt also durchaus Punkte, die kritisch gesehen werden müssen, nicht nur bei der Zertifizierung als auch bei der Waldprämie. Der Bundesrat bemängelte an dem Beschluss, dass qualifizierte Kriterien fehlen und die Flächenprämie keine Lenkungswirkung hat. Das PEFC-Zertifikat beschreibt die gesetzlichen Standards für Wälder. Sprich es wird gerade Geld dafür ausgeschüttet, dass Wälder den gesetzlichen Mindeststandard erfüllen. So einen Fall finden wir nicht nur bei der Forstwirtschaft, sondern ebenfalls in der Agrarpolitik. Hier werden Gelder von der EU zum Teil als Direktzahlung an die Landwirte weitergegeben. Wofür? Dafür, dass sie einfach Landwirtschaft im Rahmen der gesetzlichen Regeln betreiben. Jetzt denkt bestimmt jeder, okay, man könnte an einigen Stellen nachbessern. Doch das Bundeslandwirtschaftsministerium sieht im Falle der Waldprämie keinen Nachbesserungsbedarf. Hauptargument ist, dass die kleinen Waldbesitzer derzeit kein Geld verdienen und dadurch die Motivation verlieren, Wald zu machen. Jedoch können Waldbesitzer nicht nur die Waldprämie beantragen, sondern konnten sie zuletzt ebenfalls Digitalisierung und Technik für nachhaltige Waldbewirtschaftung beantragen. Hier sind die Auflagen wesentlich höher und somit kann nicht jeder diese Gelder abgreifen. Also halten wir fest, die Waldprämie ist einfach zu haben, die Zertifikate bilden teilweise nur den gesetzlichen Mindeststandard ab und ohne die Waldprämie können kleine Waldbesitzer keinen Wald mehr machen. Ob man Wald machen kann und was die Forstwirtschaft noch für den Wald tut, werde ich dir in einem weiteren Kurzbeitrag erzählen.  

Mystisches Moor und seine Geschichte

Mystisches Moor und seine Geschichte

In meinem letzten Beitrag habe ich euch erklärt, wie ein Moor entsteht und was wir in Deutschland für unterschiedliche Moortypologien haben. Falls du dich fragst, wie die Unterschiede sind und wie einzigartig dieser Lebensraum ist, empfehle ich dir den Beitrag noch einmal zu lesen. Fakt ist, dass ursprünglich 1,5 Millionen Hektar, eine Fläche von 4,2 Prozent der gesamten Landfläche von Deutschland, mit Mooren bedeckt war. Heute sind sie leider zu 95 Prozent entwässert, abgetorft, bebaut und in den meisten Fällen landwirtschaftlich und forstwirtschaftlich genutzt. Heute möchte ich euch ein bisschen über die Geschichte des Moores erzählen und wie es passieren konnte, dass wir heute nur noch so wenige Moorflächen in Deutschland haben. 

Renaturierte Moorfläche (Simmerath 2020)

Geschichte und Nutzung von Mooren

Ich will nun nicht weit ausholen, aber selbst Jäger und Sammler nutzten während der Steinzeit schon Moore. In der Bronzezeit wurde Torf schon als Brennstoff für die Kupfer- und Zinnschmelze genutzt, aber man brauchte den Torf auch für die Bronzeherstellung. Vorteil von Torf als Brennmittel ist, dass die Brenntemperatur gut regulierbar und gleichbleibend ist. Damit war der Torf besser geeignet als Holz oder Kohle. In der Eisenzeit wurden vorwiegend Versumpfungsmoore für die Eisengewinnung genutzt. Die Römer nutzten den Wiesenkalk aus Moorniederungen für Branntkalk, welche für Feld- und Backsteinmauerwerk genutzt wurden. Bis heute wird Wiesenkalk zur Bodenverbesserung eingesetzt. In trockenen Jahren konnte man Moore schon immer zur Heugewinnung oder als Streuwiese nutzen – und das ohne Eingriff in die Hydrologie. 

Im 13. Jahrhundert wurden die ersten Moore entwässert und mit der Niedermoorschwarzkultur begonnen. Bei der Schwarzkultur wird das Moor entwässert, danach die natürliche Vegetation beseitigt und immer wieder durchgearbeitet. Der Boden wird dabei mit Kalk und Phosphat angereichert und mit speziellem Saatgut eingesät. Bei einer Schwarzkultur ist der Moorboden nach der Entwässerung ohne Veränderung kultivierbar, dies gelingt jedoch nur auf Niedermooren. An anderen Orten wurde das Moorwachstum durch Wasserstauung mit Wassermühlen gefördert und der regionale Wasserhaushalt verändert. Mit der Zeit wurden immer mehr Moorflächen nach und nach systematisch entwässert. Es werden künstliche Abflüsse eingerichtet wie Gräben, Rohrdränungen oder Vorflutgräben. Sie greifen auf unterschiedliche Weise in den Wasserhaushalt ein. 

Binnengräben senken den Wasserstand im Moor vergleichsweise geringfügig ab. Dabei wird der Wasserstand im Zentrum des Moores um einige Dezimeter abgesenkt. Bei der Renaturierung sollten daher die langen Gräben abschnittsweise unterbrochen werden.

Versickerungsgräben führen im Moor zu einem regelrechten „Ausbluten“. Sie durchbrechen die abdichtenden Schichten am Moorrand, sodass das Wasser aus dem Moor fließen kann. Bei einer Renaturierung müssen die Gräben am Rande des Moores unbedingt verschlossen werden.  

Offener Wassergraben (Simmerath 2020)

Die Abzugsgräben haben einen besonders starken Entwässerungseffekt. Sie beeinflussen nicht nur die Moore und deren Wasserhaushalt, sondern auch das gesamte Wassereinzugsgebiet. Nach und nach wachsen diese Gräben zu, da sie nicht immer gepflegt werden. Dies wird problematisch, da sie kaum erkennbar sind, jedoch immer noch eine deutliche Entwässerung verursachen. Will man das Moor im Zuge einer Renaturierung retten, muss man alle Gräben finden. 

Dabei ist es eigentlich egal, wie ein Moor entwässert wird, da sich jeder Wasserentzug auf die ökologische Funktion der Moore, ihre Artenzusammensetzung und ihre Artenvielfalt auswirkt. Fast jede Nutzung von Mooren dient der land- und forstwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Nutzung, aber auch die Torfgewinnung geht mir einer entsprechenden Wasserregulierung einher. Neben der Anlage von Gräben, Rohrdränungen und Vorflutgräben wirken sich auch die Fassungen von Quellen oder indirekte Flussregulierungen und die Entnahme von Trinkwasser auf die verbundene Grundwasserabsenkung in der Landschaft aus. Die Schäden der Entwässerung sind komplex und machen sich teilweise erst nach Jahren im gesamten Ausmaß bemerkbar.

Wie wirkt sich eine Entwässerung auf Moorböden aus? Im Gegensatz zu Mineralböden hat Torf ein vollständig wassergefülltes Porenvolumen und damit ein labiles Gefüge. Die Entwässerung bedeutet, dass eine Verringerung des Porenvolumens eintritt, da die Poren nicht mehr wassergefüllt sind und zusammensinken. Damit sackt der Moorboden ab und die Torfmächtigkeit nimmt ab.  Die natürliche Verdunstung des Porenwassers trägt zu einem weiteren Niveauverlust bei. Nach der Entwässerung und der Belüftung setzt eine sekundäre Bodenbildung ein. In der Abhängigkeit von der Zeit und der Trophie der Torfe entstehen unterschiedliche Gefügeformen. In Regionen, die niederschlagsreich sind, können die Böden vererden. Es entsteht über die Zeit ein dunkel- bis schwarzbraunes Krümelgefüge. In diesem Krümelgefüge sind die Pflanzenreste mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennen, jedoch noch mit dem Mikroskop nachweisbar. In trockenen Gebieten bilden sich bei fortdauernder, stärkerer Austrocknung eher humin- und aschereiche, schwer benetzbare und trockene Feinkorngefüge mit Rissen und Klüften im Boden. Das ist jedoch eine äußerst ungünstige Gefügeform. In der Fachwelt wird dieser Boden Mulm genannt, die Böden sind leicht erodierbar und irreversibel ausgetrocknet. Die Böden können nicht mehr wiederbefeuchtet werden und stellen heute den extremsten Moorstandort dar. Unter den vertrockneten Böden bleibt die mineralischen Bodensubstanz feucht bis nass. Es entsteht ein Horizont aus kohlengrusähnlichen, verbackenen Teilchen. Dieser wird Vermurschungshorizont genannt. Das Segregations- bzw. Absonderungsgefüge stellt das Endstadium der Vertrocknung der Niedermoore dar. Die Böden, die sich dadurch gebildet haben, sind schwer durchwurzelbar und haben einen sehr ungünstigen Wasser- und Nährstoffhaushalt. Es entstehen jedoch nicht nur physikalische und chemischen Schädigungen des Moores für die Entwässerung zur Verringerung der Evapotranspiration. Dies führt wiederum zu einer Reduzierung der Kühlung in der Landschaft. Die Torfe sind weniger wassergesättigt. Dies führt zu einer Veränderung der Artenzusammensetzung und geht bis hin zu weniger wasserliebenden Arten und einer starken Reduzierung der moortypischen Biodiversität. Mit der Entwässerung steigt die Gefahr von Bränden deutlich an. Wenn die trockenen Moore anfangen zu brennen, entstehen große Mengen an Treibhausgasen sowie umwelt- und gesundheitlichen Luftschadstoffen. Heute hört man selten von Moorbränden, jedoch brannten im Jahr 2018 über 12 Quadratkilometer Moorfläche. Während der Trockenheit im Sommer wurden Raketenerprobungen in der Nähe von Meppen durchgeführt. Dabei entstand der Großbrand im Moor. Auch im Mai 2020 brach ein Moorbrand aus, diesmal im Naturschutzgebiet „der Loben“ in Brandenburg. Hierbei brannte das Moor auf 100 Hektar. 

Unbefestigter Moorweg (Venner Moor 2020)

Ein anderes Verfahren zur Nutzung landwirtschaftlicher Moorflächen ist die Moorbrandkultur. Dabei wird das Moor im Winter oberflächlich entwässert und abgehackt. Im kommenden Frühjahr wird es dann in Brand gesteckt. In die Asche wird schließlich Buchweizen und Hafer gesät. Das Feuer reguliert sich durch die Windrichtung und die zu- oder abnehmende Feuchtigkeit im Boden. Ein Nachteil dieses Verfahrens ist, dass die Nährstoffreserven im Boden nach zehn Jahren erschöpft sind und das Land danach 30 Jahre brach liegen muss. 

Neben dem Moorbrand wird noch die Fehnkultur betrieben. Hierbei werden große Entwässerungsgräben angelegt, um den Schwarztorf abbauen zu können. Dabei dienen die großen Gräben ebenfalls zum Abtransport des Torfes. Auch Hochmoore bleiben vor den Eingriffen des Menschen nicht verschont. Hierbei wird die Hochmoorkultur bei den Mooren betrieben, wo die Torfmächtigkeit mehr als 1,3 Meter beträgt. Dabei werden die Moore nicht entwässert und abgetorft, sondern umgebrochen und gedüngt. Aus dem entstehenden Boden wird schließlich Grünlandwirtschaft. Ein anderes Verfahren ist, Sand aus einer Tiefe von ca. 3 Metern zu fördern und zu durchpflügen. Daraus entsteht eine Sand-Mischkultur und kann vielseitig eingesetzt werden. Bei Niedermooren wird die Tiefenpflug-Sanddeckkultur eingesetzt. Bei diesem Verfahren ist die Torfschicht nicht dicker als 80 cm. Es wird ein Tiefenpflug mit einer Arbeitstiefe von 1,6 Metern eingesetzt um etwa 135° gewendet und schräg gestellt. Dadurch wird das Bodenprofil stark verändert, dann wechseln sich Torf- und Sandbalken ab. Das Profil wird dann von einer 20 bis 30 Zentimeter dicken Sandschicht überlagert. Dabei ändern sich die Bodeneigenschaften grundlegend. Der Bodenwassergehalt und die Möglichkeit der Grundwasserregulierung werden viel ausgeglichener, was durch die stark steigende Wasserleitfähigkeit begünstigt wird. Danach ist ein intensiver Getreideanbau auf einem Niedermoor möglich. Wenn du dir jetzt die Frage stellst, warum der Mensch angefangen hat, die Moore so drastisch zu verändern, dann kommt jetzt die Antwort. 

Nutzung der entwässerten Moorböden

Wanderweg im Venner Moor (Venner Moor 2020)

Früher wurden Moorflächen extensiv genutzt. Das lag daran, dass man nicht über die Technik verfügte, Moore großflächig und tiefgründig zu erschließen. Jedoch eigneten sie sich als Viehweiden oder Streuobstwiesen. Dies lag besonders an ihrem feuchten Untergrund und der satten Pflanzenvielfalt. Dennoch gingen auch dadurch viele natürliche Moore verloren. Daraus entwickelten sich manche dieser nur wenig genutzten Wiesen zu einem wertvollen Lebensraum für mittlerweile stark gefährdete Arten. Diese Lebensräume „aus zweiter Hand“ sind oft die letzten Rückzugsräume für gefährdete Arten. Mit den Möglichkeiten der landwirtschaftlichen Technik des vergangenen Jahrhunderts, änderte sich auch die Nutzung des Moores. Dabei wurden große Moorflächen im Zuge der Erschließung und Flurgestaltung entwässert und intensiv genutzt. Ende des 20. Jahrhunderts ging die intensive Nutzung der Moorflächen mit verstärkter Entwässerung, Torfmineralisierung, Düngung und gestiegenem Nährstoffaustrag einher. Seit jeher schrumpfen die Torfköper, was bedeutet, dass Moore mit hohem technischen Aufwand – durch Schröpfwerke und regelmäßige Grabenvertiefungen – trocken gehalten werden müssen. Wenn Moore nicht landwirtschaftlich genutzt werden, droht ihnen noch eine ganz andere Gefahr. Die meisten Flächen in Deutschland werden landwirtschaftlich genutzt, sodass die Gefahr für Moorflächen auch von benachbarten Flächen ausgeht. Wenn diese landwirtschaftlich genutzt werden, werden übermäßig viele Nährstoffe auf die bewirtschaftete Fläche gebracht. Doch diese Nährstoffe bleiben nicht dort, wo sie aufgebracht werden, sondern verteilen sich im Boden. Das bedeutet für das angrenzende Moor, dass auch hier eine Eutrophierung stattfindet. 

Wenn du dir jetzt denkst, dass die Landwirtschaft das doch nicht tun kann, dann warte noch eine Sekunde und lese weiter. Denn nicht nur die Landwirtschaft nutzt Moore intensiv. Die Forstwirtschaft greift genauso in die Wasserhaushalte wie die Landwirtschaft ein. In unseren Wäldern gibt es nämlich ebenfalls Feuchtgebiete, die Mooren ähnlich sind. Die meisten Wälder in Deutschland bestehen aus Fichten- und Kiefernmonokulturen. In den meisten Gebieten würden diese Arten auf natürliche Art und Weise nicht vorkommen – zumindest nicht in Reinbeständen. Nadelbäume haben zwar eine kleinere Blattfläche als Laubbäume, verdunsten als immergrüne Art jedoch ganzjährig betrachtet mehr Wasser. Man muss leider sagen, dass diese standortfremden Bäume verglichen mit den ursprünglich dort wachsenden Waldgesellschaften mehr Wasser verdunsten. So versickert weniger Wasser in den Boden. Darüber hinaus beeinflussen Baumarten und Altersaufbau der Wälder die Neubildung von Grundwasser. Daher fördern nach dem Verschluss bestehender Entwässerungssysteme auch ein Waldumbau bis hin zu Waldgesellschaften, die einst auf den Standorten zu finden waren, die angrenzenden Moorlebensräume und die Artenvielfalt. Privatwald-Besitzer und die öffentliche Hand sollten ihre Nadelbaummonokulturen zu naturnahen Wäldern umbauen, um den Wasserhaushalt im Einzugsgebiet zu verbessern. Hierbei sollte generell auf Kahlschläge verzichtet werden. In kleinen Einzugsgebieten und besonders an Hängen kann es sonst zu vermehrter Erosion und verstärktem Oberflächenabfluss kommen. Damit würde nährstoffreicher Boden in tiefer gelegene Bereiche geschwemmt und die Entwicklung der Feuchtgebiete stark beeinträchtigt. Wie wir sehen, ist das Moor nicht nur dort gefährdet wo es selbst zu finden ist, sondern wird oft auch durch die angrenzenden Flächen beeinflusst. Das alles klingt jetzt nicht aufbauend und nicht sonderlich gut. Aber es gibt für unsere Moore eine kleine Hoffnung: und zwar sind die meisten geschützt und andere werden renaturiert. Wie das funktioniert und was hinter dem Schutz der Moore steht, erzähle ich euch in einem anderen Beitrag.