Mystisches Moor und seine Renaturierung

Mystisches Moor und seine Renaturierung

In meinem letzten Beitrag zum Moor habe ich euch die Geschichte des Moores ein bisschen nähergebracht, außerdem wie die Nutzung des Moores entstanden ist. Du fragst dich, weswegen wir Moore trockengelegt oder abgebrannt haben? Dann schau doch noch einmal in den letzten Beitrag. Heute möchte ich dir erzählen, warum es sich lohnt Moore wieder zu vernässen und zu renaturieren. Was bedeutet Renaturierung überhaupt? Renaturierung ist ein geläufiger Begriff im Naturschutz und in der Landschaftsökologie. Die Renaturierung bezeichnet die Wiederherstellung von naturnahen Lebensräumen aus kultivierten, genutzten Bodenoberflächen. Ziel ist es, ein Ökosystem zu erstellen, welches sich auf lange Sicht weitestgehend ohne menschliche Hilfe regeneriert und selbst erhält. Besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Wiederherstellung eines Zustandes, der dem Ausgangszustand nahekommt.  Vor allem im Bereich von Flüssen und Mooren wird renaturiert. Und Schwupps, da sind wir schon mitten im Thema. Nur bei einigen gestörten Moorökosystemen ist eine Renaturierung möglich. Besonders in stark gestörten Moorökosystemen ist aufgrund des Torfverlustes, der vollkommen veränderten Torfbeschaffenheit und der Hydrologie der Ursprungszustand nicht mehr wiederherstellbar. In solchen Bereichen kann nur dann von Renaturierung gesprochen werden, wenn etwa die Wiederherstellung des Torfwachstums, torfbildender Biotoptypen oder eines hydrologischen Torfbildungsprinzip gemeint ist und nicht das ursprüngliche Ökosystem. 

Wanderweg Moor-Route bei Simmerath (2020)

Zustand der Moorflächen in Deutschland 

Deutschland hatte zu Beginn des 18. Jahrhunderts etwa 1,67 Millionen Hektar intakte Moorflächen zu bieten. Heute sind nur noch etwa 1,41 Millionen Hektar übrig und diese sind in einem stark degradierten Zustand. Trotzdem bedecken sie knapp 4 Prozent der deutschen Landfläche. Die Flächengrößen und -verluste werden jedoch nur geschätzt, da es keine einheitliche und verlässliche Bilanzierung der Moorflächen gibt. Woher die Torfverluste im 20. Jahrhundert kommen, habe ich in einem früheren Beitrag beschrieben. Auf die letzten 250 Jahren nur bei den Moorbodenflächen gerechnet beträgt der Flächenverlust mindestens 19 Prozent. Wahrscheinlich liegt die Dunkelziffer deutlich höher. Die meisten Flächen haben wir während der umfangreichen Entwässerung zur Intensivierung der Landwirtschaft ab den Jahr 1950 verzeichnen können. Vor allem flachgründige Moore, wie zum Beispiel Versumpfungsmoore, haben darunter gelitten. Ein kleiner Teil der verbliebenen Moorflächen sind intakt geblieben. Wir haben in Deutschland etwa 360.000 Hektar Regenmoorgebiete, diese zeigen auf ca. 69.000 Hektar naturnahe oder in Renaturierung befindliche Regenmoorbiotope. Weniger als drei Prozent der Regenmoore werden bei der Biotoptypenkartierung als mehr oder weniger intakter Biotoptyp Hochmoor ausgewiesen. Die minimal verbliebenen Restbestände der Regenmoore sind aber auch heute noch akut von Entwässerung und zunehmender Schadstoffeintragung bedroht. Es bedarf immer mehr Anstrengungen, um diese Rückzugsorte zu erhalten. So ist es kein Garant mehr, Moorflächen unter Schutz zustellen. Niedersachsen verliert trotz umfangreichen Bemühungen und trotz der Unterschutzstellung durch das Moorschutzprogramm seit den 80er Jahren immer noch intakte Regenmoorflächen. Neben der Bilanz der Regenmoore sieht die Bilanz der Grundwassermoore nicht besser aus. Die verbleibenden eutrophen Röhrichte, Seggenriede oder Bruchgehölze sind kein adäquater Ersatz für die an diesen Standorten ursprünglichen, oligo- bis mesotrophen Moore. 

Wie kann ein Moor renaturiert werden?

Grundsätzlich bedarf es keiner großen Maßnahmen Moore zu renaturieren. Im Normalfall überlässt man die Lebensräume, sich selbst. 

Regeneration von Niedermooren 

Die Regeneration von einem Niedermoor ist nicht so aufwändig wie die eines Hochmoores. Niedermoore werden durch Grundwasser versorgt, wie wir im ersten Beitrag gelesen haben. Hierbei werden die angelegten Entwässerungsgräben wieder verschlossen. Danach kann sich ein Niedermoor erholen. 

Anders sieht das bei Niedermooren aus, die jahrelang landwirtschaftlich genutzt wurden. Aufgrund der Düngung und extremen Bodenbearbeitungen sind sie nicht mehr für die Renaturierung geeignet. Sie können jedoch als Pufferzone gegenüber der landwirtschaftlichen Nutzung oder als Feuchtwiese genutzt werden. Dies bietet ebenfalls Vorteile für die Tierwelt. 

Typische Moorheiden (Venner Moor 2020)

Regeneration von Hochmooren 

Der wichtigste Schritt bei der Renaturierung von Hochmooren ist die Wiedervernässung. Hierbei wird mit mineralsalzarmem Wasser, in den meisten Fällen ist es Regenwasser, das Hochmoor wiedervernässt. Zunächst werden die Entwässerungsgräben mit Hilfe von Dämmen wieder verschlossen. Weiterhin müssen einige Gehölze auf der Fläche beseitigt werden, da sie Moore verschatten, zur Verdunstung und damit zum Verlust großer Mengen an Wasser beitragen. Die Wiedervernässung geht jedoch nicht von heute auf morgen, sondern dauert in der Regel einige Jahre. Die unerwünschte Vegetation stirbt durch den steigenden Wasserspielgel ab. Das mittelfristige Ziel ist die Wiederherstellung naturnaher Bedingungen. Hochmoorpflanzen sollen sich weiter ausbreiten. Ein langfristiges Ziel ist die vollständige Regeneration. Naturschutz ist jedoch kein Sprint, sondern ein Marathon. Wenn wir von einem langfristigen Ziel sprechen, sprechen wir von Jahrhunderten. Die vollständige Hochmoor-Regeneration ist erreicht, wenn die vernässte Moorfläche wieder zu einem lebenden und torfbildenden, also wachsenden Hochmoor geworden ist. 

Bei teilabgetorften Mooren kann immer noch eingegriffen und es so hergerichtet werden, dass eine erneute Hochmoorentwicklung bzw. -bildung möglich ist.  Hierfür muss zunächst die Torfabbaufläche, bei denen eine Resttorfmächtigkeit von mindestens 50 Zentimetern erhalten ist, planiert werden. Es werden sogenannte Polder errichtet, das sind Regenrückhaltebecken aus Torf. Auch hier wird auf der entwässerten Restmoorfläche eine Wiedervernässung veranlasst, damit eine Regeneration und möglicherweise auch eine Renaturierung eintritt. 

Die Phasen der Renaturierung eines Hochmoores habe ich noch einmal in einer Tabelle zusammengefasst. So hast du alle Phasen noch einmal auf einem Blick.

Phase1Wiedervernässung einige Jahre – kurzfristigDie abgetorfte Fläche wird in dieser Phase wiederhergerichtet und planiert. Auf diesen Frästorfflächen werden zur Niederschlagsrückhaltung große Becken, die Polder, angelegt. Bei einem ausreichend hohen Wasserstand bilden sich die ersten Torfmoose und andere Pflanzen siedeln sich an. Bei degenerierten Hochmoor-Resten genügt die Schließung der Entwässerungsgräben, um die weitere Austrocknung des Moorkörpers zu stoppen. Danach kann Regenwasser wieder gespeichert werden. Der steigende Wasserspiegel führt jedoch dazu, dass die unerwünschte Folgevegetation abstirbt. 
Phase2Renaturierung einige Jahrzehnte – mittelfristig Eine Renaturierung beinhaltet die Wiederherstellung naturnaher Bedingungen. Renaturierungsprozesse dauern einige Jahre, danach hat sich der Moorkörper mit Niederschlagswasser vollgesogen. Erst dann können sich Hochmoorflächen wieder ausbreiten.
Phase3Regeneration einige Jahrhunderte – langfristigEine Hochmoorregeneration ist erreicht, wenn die wiedervernässte Moorfläche zu einem lebenden und torfbildenden Hochmoor wird. Dies kann mehrere Jahrhunderte dauern. 
Phasen der Renaturierung

Machbarkeit der Renaturierung von verschiedenen Moorentypen  

Machbarkeit der Renaturierung von verschiedenen Moortypen (eigene Darstellung)

Fangen wir mit den einfacher zu renaturierenden Mooren an. Einfacher wiederherstellbar sind Verlandungsregime oder Versumpfungsregime durch einen Einstau oder Überstau der Gebiete, wenn eine dauernde Wassersättigung gewährleistet werden kann. Damit könnte eine Renaturierung gelingen. Auch bei Hangmooren oder Quellmooren ist die Wiederherstellung möglich. Ich habe dir einmal eine kleine Übersicht als Tabelle eingefügt. Hier kannst du ablesen, welche Moortypen einfacher und welche schwieriger zu renaturieren sind. Ein Punkt steht für „Es ist möglich“, zwei Punkte stehen für „schwer möglich“ und drei Punkte „langfristig eventuell möglich“. Die Fragezeichen stehen für die Faktoren, die schwer einzuschätzen sind, da sie eine Entwicklung unklar machen – wie die Klimaveränderungen und der Nährstoffeintrag. Dunkelgrün sind die ökologischen Moortypen hinterlegt und die hellgrünen sind die beigeordneten ökologischen Moortypen. Probleme bei der Renaturierung von Mooren sind die ursprünglichen hydrologischen Bedingungen der Moorentstehung. Diese lassen sich oft nicht oder nur schwer wiederherstellen. Für großflächig abgetorfte Regenmoore oder vernutzte Grundwassermoore müssen beispielweise je nach Ausgangslage neue Entwicklungsziele für die Renaturierung formuliert werden. Das schwierigste ist die Wiederherstellung des Torfwachstums bei Mooren, die als „selbstregulierende“ Ökosysteme ihren eigenen Moorwasserstand aufbauen können und ein autonomes Torfwachstum aufweisen. Dazu gehören Regenmoore (Hochmoore), Durchströmungsmoore oder Kesselmoore. Bei einer geringen Schädigung lässt sich das zugrunde liegende hydrologische Prinzip wiederherstellen. Bei einer starken Schädigung aber eher nicht. Kesselmoore lassen sich auf absehbare Zeit nur zu Verlandungs- oder Versumpfungsregime renaturieren. Intensiv genutzte Durchströmungsmoore können in vorflutnahen Bereichen je nach Grundwasserständen zu einem Überflutungs- oder Verlandungsregime initiiert werden. In Hanglagen würden sich Überrieselungsregime bilden. Ob sich aus letzterem wieder ein Durchströmungsregime entwickeln könnte und wann, ist nicht absehbar. Darüber hinaus ist bei Regenmooren (Hochmooren) eine ähnliche Entwicklung zu sehen, sodass in Handtorfstichen nur Zwischenmoorstadien durch eine Renaturierung möglich sein werden. Innerhalb des degradierten Regenmoorkomplexes ist aber eher nur ein Verlandungs- oder Versumpfungscharakter erreichbar. 

Ein weiterer, nicht kalkulierbarer Faktor ist die Eutrophie. Ich hatte euch erzählt, dass Moore eher nährstoffarm sind. Heute sind die Böden, Grund- und Oberflächenwasser eher nährstoffreich, was durch die Landwirtschaft kommt. Darüber hinaus haben wir Nährstoffeinträge über die Luft. So ist bei Mooren auf absehbare Zeit meist nur ein eutrophes Wachstum zu erreichen. In Deutschland ist die Chance, oligo- bis mesotrophe Moorwachstumsbedingungen wiederherzustellen, nur bei schwach geschädigten Mooren möglich. Ein weiteres Problem ist hierbei, dass in oligo- bis mesotrophen Mooren das autarke Torfwachstum und die Torfbildungsrate am höchsten sind. Daher muss die Wiederherstellung dieser Moore vorrangig betrieben werden. Der Schadstoffeintrag über die Luft führt zur Veränderung des Stickstoff- und Kohlenstoffmetabolismus torfbildender Arten, damit ebenfalls zu cmt: Hier fehlt etwas, oder?

Veränderungen der Stoffumsätze und zu schleichenden Veränderungen der Artenausstattung. Wie du siehst, ist der Prozess, ein Moor zu renaturieren, nicht gerade einfach. Man braucht neben der Maßnahmen zur Renaturierung auch weitgreifende Maßnahmen der Politik zur Luftreinhaltung. 

Warum Moore schützen, wie weit ist die Renaturierung vorangeschritten, was tut der Naturschutz? 

Bis heute kann noch nicht eindeutig gesagt werden, ob ein erneutes Moorwachstum bei Hochmooren möglich ist bzw. sein wird. Bisher gibt es kein Renaturierungsprojekt, welches bis zu einer Regeneration herangereift ist. Jetzt könntest du denken, wozu das Ganze, wenn es nichts bringt. Aber es hat sich gezeigt, dass die etlichen Renaturierungsmaßnahmen durchaus moorartige Bedingungen erreichen. Die positive Moorentwicklung kann aber durch die steigenden Umweltbelastungen und die Mineralsalzanreicherungen des Regenwassers zu einem deutlichen Gegenspieler werden – genauso wie ein sich veränderndes Klima. 

Dabei sind die Renaturierung und der Erhalt der Moorflächen so wichtig. Sie speichern riesige Mengen Kohlenstoff und wirken sich im Landschaftswasserhaushalt positiv aus, da sie als Filter und Rückhaltefläche fungieren. Um eine Einschätzung zu bekommen, wie viel Kohlenstoff Moore speichern, hier ein kleiner Exkurs: unsere Moore bedecken ca. drei Prozent der Landfläche der gesamten Erde. In diesen Mooren ist jedoch doppelt so viel Kohlenstoff gebunden wie in allen Wäldern weltweit. Ein Drittel der terrestrischen Kohlenstoffvorräte lagert in Mooren. Auf Deutschland bezogen enthält eine 15 Zentimeter dicke Torfschicht etwa so viel Kohlenstoff wie ein 100-jähriger Wald auf gleicher Fläche. Geht also eine ein Meter dicke Torfschicht verloren, muss zum Ausgleich mehr als das Sechsfache an Fläche aufgeforstet werden und 100 Jahre ungestört wachsen. Du siehst also, Moore sind unverzichtbar für uns. Dabei wurde erst in den letzten Jahrzehnten die Bedeutung der Hochmoore erkannt. Man hat beschlossen, die noch vorhandenen Hochmoore zu schonen und soweit wie möglich zu regenerieren. Für die verbleibenden, naturnahen Hochmoorreste ist der Schutz umso dringlicher, da sie aufgrund ihrer jahrtausendlangen Entwicklungszeit unersetzbar sind und nicht in absehbaren Zeiträumen in wiederherstellbare Lebensräume zu verwandeln sind. Heute sind Moore im weiteren Sinne auf nationaler und internationaler Ebene gegen Eingriffe und Beeinträchtigungen geschützt. Dennoch sollte ich dir nicht verschweigen, dass weiterhin die wirtschaftlichen Interessen im Vordergrund stehen und dass die letzten Regenmoore weiterhin akut von der völligen Zerstörung bedroht sind. 

Übersicht der Schutzprogramme in den moorreichen Bundesländern
(Moorflächen >1.000 km2)

Was bzw. wer schützt also unsere Moore? Auf internationaler Ebene schützt die Ramsar-Konvention auch Regenmoore. 1976 trat Deutschland der Ramsar-Konvention bei. Die Ramsar-Konvention ist ein internationaler völkerrechtlicher Vertrag zum Erhalt und Schutz der Feuchtgebiete. In Deutschland sind 32 Gebiete mit einer Gesamtfläche von 839.327 Hektar ausgewiesene Feuchtgebiete. Dazu gehören unter anderem das Wollmatinger Ried, die Diepholzer Moorniederung und das Elbe-Weser-Dreieck. Dennoch haben nicht alle Länder die Konvention unterzeichnet, bzw. die entsprechenden Schutzmaßnahmen und Ausweisung geeigneter Gebiete ergriffen. Die Ramsar-Konvention und deren Umsetzung wird mit einigen europäischen Richtlinien bestritten. In Deutschland finden wir diese im Bundesnaturschutzgesetz und in den Naturschutzgesetzen der Länder. Niedersachsen ist das hochmoorreichste Bundesland, jedenfalls war es das mal. Heute stehen rund 32.000 Hektar Regenmoorflächen unter Naturschutz. Das klingt erst einmal gut, jedoch sind davon nur 3.600 Hektar in einem natürlichen Zustand. 6.000 Hektar wurden bisher wiedervernässt. Ziel ist es, bis zum Jahr 2020 noch insgesamt 20.000 Hektar zu renaturieren. Spannend ist auch, dass es derzeit Bestrebungen gibt, das Wassjuganmoor in Westsibirien als UNESCO-Weltnaturerbegebiet auszuweisen. Das Wassjuganmoor ist mit über 5 Millionen Hektar das größte Moor der Erde und es zeichnet sich durch seine weltweit einmaligen Makrostrukturen aus. Diese können sich nur auf Flächen mit derart großen Mooren entwickeln. Für den Weltweiten Schutz von Mooren ist das der richtige Weg. Damit endet meine kleine Wochenserie über das Thema Moor. Das nächste Mal geht es mit einem anderen Thema weiter, womit genau, dass verrate ich dir ein anderes Mal.  

Mystisches Moor und seine Geschichte

Mystisches Moor und seine Geschichte

In meinem letzten Beitrag habe ich euch erklärt, wie ein Moor entsteht und was wir in Deutschland für unterschiedliche Moortypologien haben. Falls du dich fragst, wie die Unterschiede sind und wie einzigartig dieser Lebensraum ist, empfehle ich dir den Beitrag noch einmal zu lesen. Fakt ist, dass ursprünglich 1,5 Millionen Hektar, eine Fläche von 4,2 Prozent der gesamten Landfläche von Deutschland, mit Mooren bedeckt war. Heute sind sie leider zu 95 Prozent entwässert, abgetorft, bebaut und in den meisten Fällen landwirtschaftlich und forstwirtschaftlich genutzt. Heute möchte ich euch ein bisschen über die Geschichte des Moores erzählen und wie es passieren konnte, dass wir heute nur noch so wenige Moorflächen in Deutschland haben. 

Renaturierte Moorfläche (Simmerath 2020)

Geschichte und Nutzung von Mooren

Ich will nun nicht weit ausholen, aber selbst Jäger und Sammler nutzten während der Steinzeit schon Moore. In der Bronzezeit wurde Torf schon als Brennstoff für die Kupfer- und Zinnschmelze genutzt, aber man brauchte den Torf auch für die Bronzeherstellung. Vorteil von Torf als Brennmittel ist, dass die Brenntemperatur gut regulierbar und gleichbleibend ist. Damit war der Torf besser geeignet als Holz oder Kohle. In der Eisenzeit wurden vorwiegend Versumpfungsmoore für die Eisengewinnung genutzt. Die Römer nutzten den Wiesenkalk aus Moorniederungen für Branntkalk, welche für Feld- und Backsteinmauerwerk genutzt wurden. Bis heute wird Wiesenkalk zur Bodenverbesserung eingesetzt. In trockenen Jahren konnte man Moore schon immer zur Heugewinnung oder als Streuwiese nutzen – und das ohne Eingriff in die Hydrologie. 

Im 13. Jahrhundert wurden die ersten Moore entwässert und mit der Niedermoorschwarzkultur begonnen. Bei der Schwarzkultur wird das Moor entwässert, danach die natürliche Vegetation beseitigt und immer wieder durchgearbeitet. Der Boden wird dabei mit Kalk und Phosphat angereichert und mit speziellem Saatgut eingesät. Bei einer Schwarzkultur ist der Moorboden nach der Entwässerung ohne Veränderung kultivierbar, dies gelingt jedoch nur auf Niedermooren. An anderen Orten wurde das Moorwachstum durch Wasserstauung mit Wassermühlen gefördert und der regionale Wasserhaushalt verändert. Mit der Zeit wurden immer mehr Moorflächen nach und nach systematisch entwässert. Es werden künstliche Abflüsse eingerichtet wie Gräben, Rohrdränungen oder Vorflutgräben. Sie greifen auf unterschiedliche Weise in den Wasserhaushalt ein. 

Binnengräben senken den Wasserstand im Moor vergleichsweise geringfügig ab. Dabei wird der Wasserstand im Zentrum des Moores um einige Dezimeter abgesenkt. Bei der Renaturierung sollten daher die langen Gräben abschnittsweise unterbrochen werden.

Versickerungsgräben führen im Moor zu einem regelrechten „Ausbluten“. Sie durchbrechen die abdichtenden Schichten am Moorrand, sodass das Wasser aus dem Moor fließen kann. Bei einer Renaturierung müssen die Gräben am Rande des Moores unbedingt verschlossen werden.  

Offener Wassergraben (Simmerath 2020)

Die Abzugsgräben haben einen besonders starken Entwässerungseffekt. Sie beeinflussen nicht nur die Moore und deren Wasserhaushalt, sondern auch das gesamte Wassereinzugsgebiet. Nach und nach wachsen diese Gräben zu, da sie nicht immer gepflegt werden. Dies wird problematisch, da sie kaum erkennbar sind, jedoch immer noch eine deutliche Entwässerung verursachen. Will man das Moor im Zuge einer Renaturierung retten, muss man alle Gräben finden. 

Dabei ist es eigentlich egal, wie ein Moor entwässert wird, da sich jeder Wasserentzug auf die ökologische Funktion der Moore, ihre Artenzusammensetzung und ihre Artenvielfalt auswirkt. Fast jede Nutzung von Mooren dient der land- und forstwirtschaftlichen oder gartenbaulichen Nutzung, aber auch die Torfgewinnung geht mir einer entsprechenden Wasserregulierung einher. Neben der Anlage von Gräben, Rohrdränungen und Vorflutgräben wirken sich auch die Fassungen von Quellen oder indirekte Flussregulierungen und die Entnahme von Trinkwasser auf die verbundene Grundwasserabsenkung in der Landschaft aus. Die Schäden der Entwässerung sind komplex und machen sich teilweise erst nach Jahren im gesamten Ausmaß bemerkbar.

Wie wirkt sich eine Entwässerung auf Moorböden aus? Im Gegensatz zu Mineralböden hat Torf ein vollständig wassergefülltes Porenvolumen und damit ein labiles Gefüge. Die Entwässerung bedeutet, dass eine Verringerung des Porenvolumens eintritt, da die Poren nicht mehr wassergefüllt sind und zusammensinken. Damit sackt der Moorboden ab und die Torfmächtigkeit nimmt ab.  Die natürliche Verdunstung des Porenwassers trägt zu einem weiteren Niveauverlust bei. Nach der Entwässerung und der Belüftung setzt eine sekundäre Bodenbildung ein. In der Abhängigkeit von der Zeit und der Trophie der Torfe entstehen unterschiedliche Gefügeformen. In Regionen, die niederschlagsreich sind, können die Böden vererden. Es entsteht über die Zeit ein dunkel- bis schwarzbraunes Krümelgefüge. In diesem Krümelgefüge sind die Pflanzenreste mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennen, jedoch noch mit dem Mikroskop nachweisbar. In trockenen Gebieten bilden sich bei fortdauernder, stärkerer Austrocknung eher humin- und aschereiche, schwer benetzbare und trockene Feinkorngefüge mit Rissen und Klüften im Boden. Das ist jedoch eine äußerst ungünstige Gefügeform. In der Fachwelt wird dieser Boden Mulm genannt, die Böden sind leicht erodierbar und irreversibel ausgetrocknet. Die Böden können nicht mehr wiederbefeuchtet werden und stellen heute den extremsten Moorstandort dar. Unter den vertrockneten Böden bleibt die mineralischen Bodensubstanz feucht bis nass. Es entsteht ein Horizont aus kohlengrusähnlichen, verbackenen Teilchen. Dieser wird Vermurschungshorizont genannt. Das Segregations- bzw. Absonderungsgefüge stellt das Endstadium der Vertrocknung der Niedermoore dar. Die Böden, die sich dadurch gebildet haben, sind schwer durchwurzelbar und haben einen sehr ungünstigen Wasser- und Nährstoffhaushalt. Es entstehen jedoch nicht nur physikalische und chemischen Schädigungen des Moores für die Entwässerung zur Verringerung der Evapotranspiration. Dies führt wiederum zu einer Reduzierung der Kühlung in der Landschaft. Die Torfe sind weniger wassergesättigt. Dies führt zu einer Veränderung der Artenzusammensetzung und geht bis hin zu weniger wasserliebenden Arten und einer starken Reduzierung der moortypischen Biodiversität. Mit der Entwässerung steigt die Gefahr von Bränden deutlich an. Wenn die trockenen Moore anfangen zu brennen, entstehen große Mengen an Treibhausgasen sowie umwelt- und gesundheitlichen Luftschadstoffen. Heute hört man selten von Moorbränden, jedoch brannten im Jahr 2018 über 12 Quadratkilometer Moorfläche. Während der Trockenheit im Sommer wurden Raketenerprobungen in der Nähe von Meppen durchgeführt. Dabei entstand der Großbrand im Moor. Auch im Mai 2020 brach ein Moorbrand aus, diesmal im Naturschutzgebiet „der Loben“ in Brandenburg. Hierbei brannte das Moor auf 100 Hektar. 

Unbefestigter Moorweg (Venner Moor 2020)

Ein anderes Verfahren zur Nutzung landwirtschaftlicher Moorflächen ist die Moorbrandkultur. Dabei wird das Moor im Winter oberflächlich entwässert und abgehackt. Im kommenden Frühjahr wird es dann in Brand gesteckt. In die Asche wird schließlich Buchweizen und Hafer gesät. Das Feuer reguliert sich durch die Windrichtung und die zu- oder abnehmende Feuchtigkeit im Boden. Ein Nachteil dieses Verfahrens ist, dass die Nährstoffreserven im Boden nach zehn Jahren erschöpft sind und das Land danach 30 Jahre brach liegen muss. 

Neben dem Moorbrand wird noch die Fehnkultur betrieben. Hierbei werden große Entwässerungsgräben angelegt, um den Schwarztorf abbauen zu können. Dabei dienen die großen Gräben ebenfalls zum Abtransport des Torfes. Auch Hochmoore bleiben vor den Eingriffen des Menschen nicht verschont. Hierbei wird die Hochmoorkultur bei den Mooren betrieben, wo die Torfmächtigkeit mehr als 1,3 Meter beträgt. Dabei werden die Moore nicht entwässert und abgetorft, sondern umgebrochen und gedüngt. Aus dem entstehenden Boden wird schließlich Grünlandwirtschaft. Ein anderes Verfahren ist, Sand aus einer Tiefe von ca. 3 Metern zu fördern und zu durchpflügen. Daraus entsteht eine Sand-Mischkultur und kann vielseitig eingesetzt werden. Bei Niedermooren wird die Tiefenpflug-Sanddeckkultur eingesetzt. Bei diesem Verfahren ist die Torfschicht nicht dicker als 80 cm. Es wird ein Tiefenpflug mit einer Arbeitstiefe von 1,6 Metern eingesetzt um etwa 135° gewendet und schräg gestellt. Dadurch wird das Bodenprofil stark verändert, dann wechseln sich Torf- und Sandbalken ab. Das Profil wird dann von einer 20 bis 30 Zentimeter dicken Sandschicht überlagert. Dabei ändern sich die Bodeneigenschaften grundlegend. Der Bodenwassergehalt und die Möglichkeit der Grundwasserregulierung werden viel ausgeglichener, was durch die stark steigende Wasserleitfähigkeit begünstigt wird. Danach ist ein intensiver Getreideanbau auf einem Niedermoor möglich. Wenn du dir jetzt die Frage stellst, warum der Mensch angefangen hat, die Moore so drastisch zu verändern, dann kommt jetzt die Antwort. 

Nutzung der entwässerten Moorböden

Wanderweg im Venner Moor (Venner Moor 2020)

Früher wurden Moorflächen extensiv genutzt. Das lag daran, dass man nicht über die Technik verfügte, Moore großflächig und tiefgründig zu erschließen. Jedoch eigneten sie sich als Viehweiden oder Streuobstwiesen. Dies lag besonders an ihrem feuchten Untergrund und der satten Pflanzenvielfalt. Dennoch gingen auch dadurch viele natürliche Moore verloren. Daraus entwickelten sich manche dieser nur wenig genutzten Wiesen zu einem wertvollen Lebensraum für mittlerweile stark gefährdete Arten. Diese Lebensräume „aus zweiter Hand“ sind oft die letzten Rückzugsräume für gefährdete Arten. Mit den Möglichkeiten der landwirtschaftlichen Technik des vergangenen Jahrhunderts, änderte sich auch die Nutzung des Moores. Dabei wurden große Moorflächen im Zuge der Erschließung und Flurgestaltung entwässert und intensiv genutzt. Ende des 20. Jahrhunderts ging die intensive Nutzung der Moorflächen mit verstärkter Entwässerung, Torfmineralisierung, Düngung und gestiegenem Nährstoffaustrag einher. Seit jeher schrumpfen die Torfköper, was bedeutet, dass Moore mit hohem technischen Aufwand – durch Schröpfwerke und regelmäßige Grabenvertiefungen – trocken gehalten werden müssen. Wenn Moore nicht landwirtschaftlich genutzt werden, droht ihnen noch eine ganz andere Gefahr. Die meisten Flächen in Deutschland werden landwirtschaftlich genutzt, sodass die Gefahr für Moorflächen auch von benachbarten Flächen ausgeht. Wenn diese landwirtschaftlich genutzt werden, werden übermäßig viele Nährstoffe auf die bewirtschaftete Fläche gebracht. Doch diese Nährstoffe bleiben nicht dort, wo sie aufgebracht werden, sondern verteilen sich im Boden. Das bedeutet für das angrenzende Moor, dass auch hier eine Eutrophierung stattfindet. 

Wenn du dir jetzt denkst, dass die Landwirtschaft das doch nicht tun kann, dann warte noch eine Sekunde und lese weiter. Denn nicht nur die Landwirtschaft nutzt Moore intensiv. Die Forstwirtschaft greift genauso in die Wasserhaushalte wie die Landwirtschaft ein. In unseren Wäldern gibt es nämlich ebenfalls Feuchtgebiete, die Mooren ähnlich sind. Die meisten Wälder in Deutschland bestehen aus Fichten- und Kiefernmonokulturen. In den meisten Gebieten würden diese Arten auf natürliche Art und Weise nicht vorkommen – zumindest nicht in Reinbeständen. Nadelbäume haben zwar eine kleinere Blattfläche als Laubbäume, verdunsten als immergrüne Art jedoch ganzjährig betrachtet mehr Wasser. Man muss leider sagen, dass diese standortfremden Bäume verglichen mit den ursprünglich dort wachsenden Waldgesellschaften mehr Wasser verdunsten. So versickert weniger Wasser in den Boden. Darüber hinaus beeinflussen Baumarten und Altersaufbau der Wälder die Neubildung von Grundwasser. Daher fördern nach dem Verschluss bestehender Entwässerungssysteme auch ein Waldumbau bis hin zu Waldgesellschaften, die einst auf den Standorten zu finden waren, die angrenzenden Moorlebensräume und die Artenvielfalt. Privatwald-Besitzer und die öffentliche Hand sollten ihre Nadelbaummonokulturen zu naturnahen Wäldern umbauen, um den Wasserhaushalt im Einzugsgebiet zu verbessern. Hierbei sollte generell auf Kahlschläge verzichtet werden. In kleinen Einzugsgebieten und besonders an Hängen kann es sonst zu vermehrter Erosion und verstärktem Oberflächenabfluss kommen. Damit würde nährstoffreicher Boden in tiefer gelegene Bereiche geschwemmt und die Entwicklung der Feuchtgebiete stark beeinträchtigt. Wie wir sehen, ist das Moor nicht nur dort gefährdet wo es selbst zu finden ist, sondern wird oft auch durch die angrenzenden Flächen beeinflusst. Das alles klingt jetzt nicht aufbauend und nicht sonderlich gut. Aber es gibt für unsere Moore eine kleine Hoffnung: und zwar sind die meisten geschützt und andere werden renaturiert. Wie das funktioniert und was hinter dem Schutz der Moore steht, erzähle ich euch in einem anderen Beitrag.